Der Mönch und Jesuit Franz Xaver brach im 16. Jahrhundert in neue Gegenden der Welt auf: Er bereist Asien und verkündet das Evangelium in Ländern, die für Europäer damals fast unbekannt waren. Dort übersetzte er das Wort Gottes in die Sprache der Einheimischen, setzte auf Bildung und geriet in Auseinandersetzungen mit buddhistischen Mönchen.
© Gemeinfrei
„Lieber Bruder in unserem Herrn, wir haben vernommen, wie Gott durch Euren Dienst ein Tor aufgetan hat für die Verkündigung seines Evangeliums und für die Bekehrung der Völker in Japan und China. Das ist uns ein tiefer Trost.“ [1]
Diese Zeilen schrieb dc Begründer und erste Generalobere der noch jungen Gesellschaft Jesu Ignatius von Loyola an seinen engen Gefährten Franz Xaver. Der hielt sich seit gut zehn Jahren als Missionar in Asien auf.
In Briefen an Ignatius und seine Ordensbrüder hatte er über seine Arbeit dort berichtet. Und von seinem Wunsch, den christlichen Glauben auch in China zu verkünden.
Doch dazu kam es nicht. Als Ignatius seinen Brief an Franz Xaver schrieb, war der schon gestorben, ohne China erreicht zu haben. Vier Jahre zuvor, zu Beginn des Jahres 1549, vor dem Aufbruch nach Japan, hatte er seine Missionstätigkeit bilanziert:
„In diesem Augenblick leben Mitglieder unserer Gesellschaft an allen Punkten Indiens, wo es Christen gibt. Vier befinden sich auf den Molukken, zwei in Malakka, sechs am Kap Komorin, zwei zu Cochin, zwei zu Bassein und vier auf der Insel Sokotra.“ [2]
Eine "neue" Mission
Hinter diesem nüchtern vorgetragenen Befund stecken ungeheure Kraftanstrengung und enormes Organisationsgeschick.
In nur sieben Jahren hatte Franz Xaver – ausgehend von Goa, der prächtigen Hauptstadt des portugiesischen Kolonialreiches – in Asien das Christentum verkündet: im Küstenland im äußersten Süden Indiens, im heutigen Sri Lanka, in Teilen Malaysias und Indonesiens.
Dabei praktizierte er eine gänzliche neue Art der Glaubensverkündung. Sie gründete sich auf das Erkunden der Gebräuche, der Sprache, Riten und Religion der fremden Völker und nahm diese zum Ausgangspunkt der Mission.
Daneben beeindruckte Xaver durch seinen Mut und seine Beharrlichkeit, mit der er in bis dahin so gut wie unbekannte Gegenden vorstieß. All dies unter oft sehr schwierigen Bedingungen.
Auch deshalb erlangte er große Popularität, wofür – vor allem im süddeutschen und österreichischen Raum – der häufig anzutreffende Vorname Franz-Xaver ein Beleg ist. In der Katholischen Kirche wird Franz-Xaver heute als Heiliger verehrt – er gilt als Wegbereiter des Christentums in Ostasien. Dabei scheiterte er bei seinem Versuch, nach China zu gelangen.
Allein mit seinem chinesischen Diener, erkältete sich Xaver in den eisigen Nordwinden auf der Insel Sancian vor Chinas Küste. Fiebernd starb er am dritten Dezember 1552, also vor genau 470 Jahren, um zwei Uhr nachts – das ersehnte Ziel vor Augen.
Franz Xaver und Ignatius von Loyola
Francisco de Yasu y Xavier, wie Franz Xaver mit seinem spanischen Namen genannt wird, war liebenswürdig, gutaussehend, wissbegierig, mit scharfer und schneller Intelligenz begabt, zugleich eitel und standesbewusst, was das alte baskische Adelsgeschlecht anbetraf, dem er entstammte. So erschien er zum Theologiestudium an der Sorbonne, mit Reitpferd und Diener.
Hier wurde der fünfzehn Jahre ältere Ignatius von Loyola sein Zimmergenosse. Ihm gelang es, mit Beharrlichkeit und mit Hilfe seiner „Geistlichen Übungen“, der von ihm entwickelten Methode christlicher Seelenprüfung, aus Franz Xaver einen ernsthaften Christen zu machen. So wurde er Ignatius’ Vertrauter und zum Mitbegründer der Gesellschaft Jesu, des Jesuitenordens.
Als erster und berühmtester Missionar außerhalb Europas brach Franz Xaver im April 1541 an Bord eines portugiesischen Schiffs nach Indien auf. Unterwegs machten sie Halt an der Insel Sokotra, am Horn von Afrika. Ihre Bewohner verstanden sich als Christen, waren aber Analphabeten und recht unwissend, was ihren Glauben betraf. Xaver schrieb:
„Sie haben Kirchen, Kreuze, ewige Lichter. In jedem Dorf ist ein quasîz, was etwa unserem Priester entspricht. Obwohl diese Geistlichen wie die übrigen weder lesen noch schreiben können noch Bücher und andere Schriften haben, können sie doch eine Menge Gebete auswendig und halten viermal am Tag Gottesdienst in der Kirche: zur Mitternacht, am Morgen, um die Stunde der Vesper und am Abend. (…) Den Sinn ihrer Gebete verstehen sie nicht, da sie in einer ihnen fremden Sprache verfasst sind.“ [3]
Was Xaver hier schilderte, war die Folge bisheriger Art der Mission. Ohne Kenntnis ihrer Sprache und Eigenheiten wurden die Menschen getauft. In einer auf Latein gehaltenen Zeremonie, die sie nicht verstanden. Danach überließ man sie sich selbst. Xaver wählte einen anderen Ansatz.
Eine neue Form der Katechese
Er befasste sich intensiv mit der Kultur der Menschen, zu denen er kam. Übersetzte Predigten, Glaubensbekenntnis, Gebote und Gebete in ihre Sprache und lernte sie auswendig. So ausgestattet, zog er mit einem Glöckchen umher und versammelte die Menschen um sich, um sie zu unterweisen.
Von Anbeginn sorgte er für die Einbeziehung und Ausbildung einheimischer Helfer und Priester und, wo es ihm sinnvoll erschien, verfeinerte er sein Vorgehen. So beschrieb er im Januar 1548 eine neue Form der Katechese, die er auf den indonesischen Molukken praktiziert hatte:
„Nachdem ich den Kindern und Neubekehrten die Grundbegriffe des Glaubens beigebracht hatte, gab ich ihnen zu jedem einzelnen Glaubensartikel eine kurze Erklärung, die ich in der Volkssprache abgefasst hatte. Sie ist dem Fassungsvermögen der Eingeborenen angepasst, und ich lasse sie an Stelle der Gebete lernen. Die Erklärung ist so aufgebaut, dass innerhalb eines Jahres die Grundwahrheiten unseres Glaubens gelehrt werden können, wenn man die Leute täglich etwa zwanzig Worte auswendig lernen lässt.“ [4]
Ein schwerer Weg
Nach sieben Jahren in Indien, Malaysia und Indonesien brach Xaver im Juni 1549 nach Japan auf. Begleitet von zwei Jesuitenbrüdern und wenigen bekehrten Japanern.
Unter ihnen Anjiro, ein ehemaliger Samurai, der sich nach seiner Taufe „Paul vom heiligen Glauben“ nannte. Von ihm erfuhr er einiges über Japan und die dort verbreitete Religion.
Anjiro übertrug für ihn christliche Texte ins Japanische. Erste Station war Kagoshima, die Heimatstadt Anjiros. Nach einem Jahr erfolgreichen Wirkens in der Stadt und im Umland zog Xaver mit seinem Jesuitenbruder Fernandez weiter.
Ihr Ziel war Japans Hauptstadt Miyako – das heutige Kyoto – und der Kaiserhof. In Schnee und Eis kämpften sie sich durch unwegsames Gelände, halb erfroren und ausgehungert, und fanden so gut wie nirgends Herberge und Stärkung. Rückblickend auf die erlebten Strapazen schrieb Xaver:
„Wir waren zwei Monate lang unterwegs und hatten viele Gefahren zu bestehen; denn in den Gebieten, die wir durchziehen mussten, tobte der Krieg. Von der großen Kälte in der Gegend von Miyako und den Räubern, die allerorts an den Wegen lauern, will ich gar nicht erst reden.“ [5]
Auseinandersetzungen mit buddhistischen Priestern und Mönchen
In Miyako fanden sie keinen Zugang zum Kaiser und erfuhren, dass der kultisch Verehrte keine reale Macht besaß. Die lag bei den japanischen Teilfürsten, die einander bekriegten. Manche hofften, über Franz Xaver Wirtschaftskontakte zu Europäern aufbauen zu können und erlaubten ihm daher zu missionieren.
Andere waren ihm und seiner Religion gegenüber ohne dieses Kalkül aufgeschlossen. Doch mitunter nur zeitweilig. So konnte er nennenswerte Erfolge erzielen. Er geriet aber in Auseinandersetzung mit den buddhistischen Priestern und Mönchen, den sogenannten Bonzen, die seinem Tun zunehmend feindselig gegenüberstanden. Im Januar 1552 konstatierte er:
„Die Bonzen ereifern sich gegen unseren Gott; sie sagen, er sei eine gänzlich unbekannte Sache, von der man noch niemals gehört habe; darum könne er nur ein mächtiger Dämon sein, wir aber seien dieses Teufels Schüler. (…) Darüber hinaus erklären sie … unser Wort ‚Gott‘ nach ihrer Sprache und sagen, Deus bedeute Dajuzo. Dajuzo aber heißt im Japanischen ‚große Lüge‘; und so haben sie das Volk eindringlich vor dieser ‚großen Lüge‘, unserem Gott, gewarnt.“ [6]
Fehlgeleitet durch Anjiro, der ihm von Klöstern und vom Fasten in Japan erzählt hatte, war Xaver davon ausgegangen, dass der Buddhismus dort dem Christentum nahe verwandt sei. Auch die Bonzen hatten das zunächst angenommen. Dass dem nicht so war, musste Xaver schmerzvoll einsehen.
Erst China, dann Japan
Entscheidender noch war die Erkenntnis, dass sich Japan kulturell – vor allem in Schrift und Religion – an China orientierte. So hatten die Buddhisten gesagt, die Lehre vom christlichen Gott könne nicht richtig sein, weil die Chinesen sie nicht kennen. Xaver zog daraus den Schluss, zunächst in China den Glauben zu verkünden, bei Erfolg würden die Japaner dann folgen. Doch es kam ganz anders.
In den zwei Jahren seines Wirkens in Japan war Franz Xaver sehr erfolgreich: In fünf Städten entstanden christliche Gemeinden. Und die etwa tausend getauften Japaner stammten nicht nur wie zuvor vornehmlich aus den unteren Schichten, es waren größtenteils Edelleute und Hofbeamte.
Xaver hatte – tief beeindruckt von der hohen japanischen Kultur – erfahren, dass seine ärmliche Kleidung, die ihm bislang die Menschen geneigt gemacht hatte als Beleg seiner Bedürfnislosigkeit, hier nur Verachtung auslöste und sein Erscheinungsbild entsprechend geändert.
Und er hatte manche gelehrte Debatte führen müssen. So hätte er es wohl auch in China getan, das er jedoch nicht mehr erreichte.
Einsamer Tod
Von seiner Bestattung, am Tag nach seinem Tod zeichnete sein Ordensbruder Hugo Rahner im 20. Jahrhundert ein eindrückliches Bild:
„Vier Menschen standen an der rasch ausgehobenen Grube, in die man die Leiche einsenkte: sein chinesischer Begleiter Antonio, ein Portugiese und zwei Mulatten. Vier Säcke Kalk streute man auf den Leichnam, ein Stein wurde über das Grabloch gewälzt. Nur sechsundvierzig Jahre alt war er geworden. Sein einsamer Tod, ohne den Trost der Sakramente und Bruderliebe, war wie der Inbegriff des Gesetzes, das seinem ganzen Leben die Gestalt gab: Sinnbild der verschwenderischen Sinnlosigkeit, mit der alle Großen im Reiche Gottes ihrem Herren dienen müssen.“ [7]
In diesem Sinn hatte sich Franz Xaver verausgabt. In Anspielung auf seine Sportlichkeit und Sprungkünste an der Sorbonne sprachen seine Mitbrüder in Rom von seinen „göttlichen Sprüngen“ in Asien. Er hatte sie in seinen Briefen daran teilhaben lassen. Bei vielen lösten diese eine wahre Missionsbegeisterung aus.
Daneben waren sie – übersetzt, gedruckt und in den Kirchen vorgelesen – eine gute Werbung für den jungen Jesuitenorden und die ersten Berichte aus der fremden Welt in Europa. Ignatius las die Briefe seines Vertrauten auch mit persönlicher Anteilnahme.
So wie sie im Leben einander ergänzten und verbunden waren, wurden sie 1662 zusammen heiliggesprochen, auf Bildern dargestellt und zum Stoff von Theaterstücken: eine Art heiliges Duo.
Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat Martin Korden.
Musik:
- Hans Zimmer – Idyll’s End („The Last Samurai“-Soundtrack)
- Kathryn & Kim Allen Kluge – Secret Sacrament („Silence“-Soundtrack)
- Kathryn & Kim Allen Kluge – Cicada Voices in his Head („Silence“-Soundtrack)
- Kathryn & Kim Allen Kluge – Meditation („Silence“-Soundtrack)
- Kathryn & Kim Allen Kluge – Whispers in the Dark („Silence“-Soundtrack)
- Ryuichi Sakamoto – „The Last Emperor“-Soundtrack Theme Variation 1
- Kathryn & Kim Allen Kluge – Dreams and Echoes („Silence“-Soundtrack)
- Ennio Morricone – Climb („The Mission“-Soundtrack)
[1] Aus Rita Haubs „Franz Xaver. Aufbruch in die Welt“, S. 75
[2] Ebd. S.49
[3] Aus Rita Haubs „Franz Xaver. Aufbruch in die Welt“, S. 30
[4] Aus Rita Haubs „Franz Xaver. Aufbruch in die Welt“, S. 46
[5] Ebd., S. 62
[6] Aus Rita Haubs „Franz Xaver. Aufbruch in die Welt“, S. 68
[7] Aus Hugo Rahners „Ignatius von Loyola als Mensch und Theologe“, S. 109