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Seilbahn – Gott

Morgenandacht, 11.01.2023

Autorin: Ruth Schneeberger

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Ich liebe Seilbahn-Fahren. Egal zu welcher Jahreszeit und auch egal, ob in einer großen modernen Kabine oder in einem altmodischen Sessellift. In aller Ruhe über Baumwipfel und kleine Bäche gondeln, herrlich! Seilbahn fahren ist immer schön, und es ist für mich wie Beten.

In meinem letzten Sommerurlaub ist mir das bewusst geworden und daran denke ich zurück, vor allem dann, wenn sich mein Alltag überschlägt und ich vor lauter Klein-Klein nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. In der Seilbahn weiß ich das. Denn da werde ich Stück für Stück nach oben gezogen und das tut einfach gut.
Und da ist schon die erste Gemeinsamkeit zwischen Seilbahnfahren und Beten.

Beten tut mir gut, und es zieht mich nach Oben. Aber nicht in dem Sinne, dass es mir sofort wieder gut ginge, wenn ich an Gott denke. Nein, wenn ich bete, darf ich mich auch mies fühlen. Und doch beobachte ich: Wenn ich mir Zeit für Gott nehme, dann sehe ich wieder klarer, wo ich eigentlich stehe und in welcher Landschaft sich meine Seele gerade bewegt. Ich steige dann sozusagen mit Gott in die Seilbahn.

Wenn ich bete, gewinne ich eine Draufsicht auf mein Leben, mit der ich mich besser sortieren kann. Wenn ich zum Beispiel abends müde ins Bett falle und endlich ausruhen kann. Da ist oft noch vieles in meinem Kopf und ich brauche einen Moment zum Abschalten. Dann hole ich kurz Gott in meine Gedanken und mir wird bewusst, dass eigentlich vieles gut ist: dass ich ein Bett habe und ein Zuhause, wo ich mich zurückziehen kann. Wenn ich abends so bete, ist das, als ob ich ein bisschen nach oben getragen werde, wie in der Seilbahn.

Es gibt auch noch eine zweite Sache, die Seilbahn fahren und Beten verbindet: beides ist Vertrauenssache. In der Seilbahn muss ich den Ingenieurinnen vertrauen, den technischen Mitarbeitern und dem ganzen Material, was da verarbeitet ist. Wenn ich das alles kontrollieren wollte und nichts aus der Hand geben würde, dann könnte ich nicht einsteigen. Und so ähnlich ist das auch, wenn ich bete. Da heißt es: abgeben.

Wenn ich mir fünf Minuten gebe und einfach einmal gar nichts tue oder wenn ich ein schönes Lied über Gott anhöre, dann lass ich mich auch fallen. Da geht es dann nicht mehr in erster Linie darum, dass ich alles verstehe, da geht es ums Fühlen. Wer so in der Stille oder mit Musik betet, der weiß: Ich muss nicht alles selbst tun, Gott macht auch etwas.

Und noch eine dritte, letzte Gemeinsamkeit: Manchmal ruckelt es in der Seilbahn ganz schön und manchmal bleibt sie auch einfach stehen und niemand weiß, wann es weiter geht. Da kann man schon ein mulmiges Gefühl bekommen. Und natürlich habe ich auch, wenn ich bete, manchmal das Gefühl, dass nichts mehr vorwärts geht.

Dann fange ich an zu zweifeln und frage mich: Bringt das jetzt was? Lohnt sich das überhaupt, wenn ich jetzt mit Gott spreche oder einfach an ihn denke? Wenn ich dann anfange, alles in Frage zu stellen ist das keine gute Idee. Wer steigt schon aus einer ruckelnden Seilbahn aus?

Mir bleibt nicht viel anderes übrig als zu vertrauen, dass die Fahrt irgendwann weitergeht. Viel tun kann ich da nicht. Auch wenn es sich gerade nicht besonders erhebend anfühlt: Hauptsache ich bleibe und steige nicht ganz aus.

Beten ist wie Seilbahn fahren. Es verbindet mich mit oben, ich lerne vertrauen und auch wenn es ruckelt, im Kontakt mit Gott entdecke ich doch irgendwann wieder, wo ich ihn finden kann.

Und das Beste ist bei allem: Ich bete nie allein. Tausend andere wenden sich auch an Gott. Heute Morgen in den Klöstern und Kirchen, in den Autos und Straßenbahnen. In Krankenhäusern und am Sterbebett.

All, die vielen, die irgendwo beten, kann ich zwar nicht sehen, aber sie sind doch da. Sie sitzen irgendwo in einer anderen Kabine, aber sie fahren auch mit in dieser Seilbahn mit Gott.