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Die Kraft der Schwachen

Morgenandacht, 12.01.2023

Autorin: Ruth Schneeberger

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Christine steht im Spielwarengeschäft und will zwei Kuscheltiere für ihre Kinder kaufen. Sie spricht eine Verkäuferin an und sagt: „Ich suche was Ungewöhnliches. Es darf auf keinen Fall etwas normales sein.“

Christine ist meine Freundin und es gibt einen ganz besonderen Grund, warum sie unbedingt einen Koalabären kaufen will oder einen kuscheligen Nasenbären. Sie erklärt es so: „Jetzt sind gerade ungewöhnliche Zeiten und für ungewöhnliche Zeiten bekommen meine Kinder von mir ungewöhnliche Kuscheltiere.“

Christine ist krank und ihre Diagnose ist heftig. Sie hat zwei Hirntumore, die zum Glück gutartig sind. Trotzdem steckt Christine in einem langen Krankheitsweg.
Ich mag Christine, sie ist eine tolle Frau. Sie hat zwei Kinder im Grundschulalter, einen anspruchsvollen Beruf und eine unglaublich positive Lebenseinstellung. Sie sagt: „Es ist wie es ist. Ich halte mich an das Gute und ich weiß, dass mich das alles stärker macht und meinen Mann und die Kinder auch.“

Christine ist Theologin und im Lauf ihrer Berufsjahre hat sie sich im Bereich der so genannten „Salutogenese“ weitergebildet. Dabei geht es um alles, was die Gesundheit eines Menschen fördert. Gesundheit wird dabei als Prozess gesehen, sie ist nichts Statisches.

Die Fragen rund um die Salutogenese heißen: „Was macht mich gesund? Wie bleibe ich gesund?“ Jetzt sitzt Christine vor mir und sagt: „Es kommt darauf an, wie ich jetzt damit umgehe. Wenn ich immer nur sage, wie schlimm und schrecklich alles ist, das hilft nicht. Das macht alles nur noch schlimmer.“ Vermutlich ist das erst einmal leicht gesagt und ich weiß, dass Christine auch ihre schweren Stunden hat, in denen sie sich ganz weit unten fühlt.

Christine ist meine große Heldin. In ungewöhnlichen Zeiten hat sie ungewöhnliche Ideen und sie bleibt so mutig. Sie sieht, was alles gut läuft um sie herum. Wie viel Hilfe sie und ihre Familie bekommen. Von der Dorfhelferin, die für die Familie da ist, von den Eltern und Freunden, die ständig mit anpacken. Christine ist mit ihrer Diagnose in meinen Augen eine gesegnete Frau. Und sie hat eine große Begabung, die ihr in dieser Situation nun besonders hilft. Sie passt gut auf sich auf und achtet darauf, was sie braucht, was sie schafft und was sie schaffen will.

Christine ist deswegen nicht nur gesegnet, sie ist sogar auch ein Segen für andere. Weil sie lebt, was ihr auch im Glauben wichtig ist: das Leben jeden Tag als Gabe zu nehmen. Wenn es anstrengend ist, ist es anstrengend, wenn es schmerzhaft ist, ist es schmerzhaft.

Egal wie es ist, Christine hört nicht auf ganz bewusst damit umzugehen, sie will diejenige bleiben, die etwas tut und die sich nicht nur einfach ergibt. Sie sieht ehrlich, was sie braucht, und sagt das auch.

In der Bibel gibt es einen Satz, an den muss ich denken, wenn ich Christines Geschichte erzähle. Es ist ein Satz, den der Apostel Paulus geschrieben haben soll. Da lässt er Gott selbst sagen: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“

Natürlich ist das nicht immer so. Es gibt auch viele, denen es einfach nicht gut geht und die unendlich leiden. Sie haben gar keine Kraft mehr und brauchen die Kraft der anderen. Trotzdem gibt es auch die vielen Christines, die eigentlich schwach sind, aber mit ihrem Mut anderen so viel geben.