„Ich bin nix Post“,
steht in schwarzen Buchstaben auf dem gelben, kleinen Auto, das vor mir an der Ampel wartet. Ein kecker, lustiger Spruch, der vielleicht aus der Not des Besitzers spricht, der die eine oder andere Verwechslung erlebt hat.
Angesprochen von Menschen, die es schwer haben, sich in der Gesellschaft zu orientieren. Menschen, die vielleicht nur wissen, dass Fahrzeuge der Post gelb sind, aber die deutsche Sprache nicht kennen und Schwierigkeiten haben sich zurechtzufinden.
Ich denke an die ukrainische Frau, die vor einigen Tagen vor unserer Kirche stand. Ihr Sohn hat in der örtlichen Pfadfindergruppe Anschluss gefunden. Sie fiel mir auf, als sie während des Gottesdienstes in die Kirche kam und sich vorsichtig und etwas desorientiert ihren Platz suchte.
Nach dem Ende der Messe sprach ich sie an. Schnell stellte sich heraus, dass sie kaum ein Wort Deutsch sprach. Auch in Englisch war keine Konversation möglich. Nur eine mühsame Verständigung per Handzeichen und Gesten gelingt. Ich bat sie kurz zu warten. Ich gab ihr den Kontakt des ukrainischen Seelsorgers, den es seit ein paar Monaten in unserem Bistum gibt.
Und mir wird neu bewusst, in welchen Herausforderungen jetzt viele Geflüchtete, gerade Frauen mit ihren Kindern, in unserem Land leben. Männer und Väter in der Ukraine, mitten im Krieg.
Diese Frau, ohne Sprachkenntnisse mit ihren Kindern in einem fremden Land, sie steht für Millionen von Flüchtlingen aus der Ukraine und auch aus anderen Ländern, die mitten unter uns leben.
„Ich bin ohne Worte, ich finde die Worte nicht, ich hab‘ keine Worte fu?r dich“,
singt Tim Bendzko in einem seiner Lieder über seine Sprachlosigkeit. Die Sprache ist unser Tor zum Mitmenschen. Sie ist Ausdruck unseres ich. Ausdruck unserer Kultur. Durch die Sprache finden wir ins Leben und finden wir zueinander. Die Sprache ist ein Schatz, der kostbar ist und der Pflege bedarf.
Ich finde: Gerade in der Zeit der Coronapandemie hat sich da etwas verschoben. Der Ton unserer Sprache ist rauer geworden. Das erleben wir an vielen Stellen. In unseren Parlamenten, auf den Schulhöfen und in den Fußballstadien. Insbesondere Hilfskräften, Ärztinnen und Sanitätern, Polizisten und Einsatzhelfern schlägt immer öfter verbale Gewalt entgegen. In Internetforen und Kommentaren fehlt nicht selten jede Form des Anstands und der Achtung.
Die Weihnachtsbotschaft dieser Tage setzt da einen Gegenakzent. Gott wird als Kind geboren, das unsere menschliche Sprache lernt. Zu den Bibelstellen, die diese Tage in unseren Kirchen prägen, gehört der Anfang des Johannesevangeliums. Darin heißt es:
„Das Wort ist Fleisch geworden.“
Die Bibel spricht damit von Gottes Sprachfähigkeit. Gott wendet sich uns Menschen zu in unserer Sprache, er hat ein gutes Wort für uns. Es ist ein Wort, das aufbaut. Ein Wort, das Orientierung gibt. Ein Wort, das wertschätzt. Ich denke an die vielen Ehrenamtlichen, die den vielen Geflüchteten Sprachkurse geben.
Mir fallen die Sprachförderstunden in unseren Kindergärten ein. Aber auch die Mütter und Väter, die Großeltern, die ihren Kinder Geschichten vorlesen, statt sie vor den Bildschirm zu setzen. Zum Menschen, oder besser zum Mitmenschen werden wir durch unsere Sprache.
Gott, der Mensch wird, der unsere Sprache lernt, dessen Wort, wie es die Bibel sagt „Fleisch“ geworden ist, macht uns dies an Weihnachten vor.