Bedrohen uns immer mehr Krisen und Katastrophen? Werden die Zeiten schlechter? Diesen Eindruck kann man durchaus haben! – Werden heute mehr Kriege geführt als früher? Viele Zeitgenossen bejahen das! – Nimmt die Gewalt in unserem Land zu? Nicht wenige Menschen sind davon überzeugt! Und ganz ehrlich: auch mir wollen viele Nachrichten der vergangenen Monate Tränen der Hoffnungslosigkeit in die Augen treiben. Angesichts so vieler brutaler Gewalt in unserer Welt und so vielem Hass auf unseren Straßen fühle ich mich oft hilflos und klein.
Ja, auch ich bin nicht gefeit davor, mich vom Strudel des negativen Denkens mitreißen zu lassen. Da helfen mir auch nicht so billige Sprüche, wie: "Alles wird gut!" oder: "Es ist doch alles halb so schlimm." Absolut allergisch reagiere ich auf so fromme Floskeln, wie: "Der Herrgott wird´s schon richten!" Da wird meiner Ansicht nach Schlimmes nur kleingeredet und verharmlost. Nein, in einer Zeit, in der es leicht ist, sich von Ängsten und negativen Schlagzeilen überwältigen zu lassen, bedarf es einer Kraft, die alle dem etwas entgegenzusetzen hat. Diese Kraft finde ich in der Zuversicht.
Wer von "Zuversicht" spricht, denkt schnell auch an "Hoffnung". Irgendwie sind beide Begriffe in ihrer Bedeutung ja auch recht ähnlich. Und doch gibt es eine unterschiedliche Akzentuierung. So hofft die Hoffnung darauf, dass alles irgendwie schon gut ausgehen wird. Die Zuversicht dagegen weiß, dass es tatsächlich gut ausgehen kann und sucht nach einer Lösung. Die Geschichte von den drei Fröschen in der Sahneschüssel kann das hier Gemeinte verdeutlichen:
"Eines Tages gingen drei Frösche auf Wanderschaft. Dabei fielen sie in eine Schüssel voller Sahne. 'Ach, irgendjemand wird uns hier schon rausholen und uns retten', dachte sich der erste Frosch hoffnungsvoll. Er wartete und wartete – um schlussendlich doch zu ertrinken. Der zweite Frosch jammerte pessimistisch: 'Oje, unsere Situation ist ausweglos, wir sind verloren.' Pessimistisch wie er war, ließ sich der Frosch zu Boden sinken – und ertrank ebenso. Der dritte Frosch aber erkannte die schwierige Lage und kam für sich zu dem Schluss: 'Da hilft wohl nur Strampeln!' Zuversichtlich strampelte er mit all seiner Kraft – bis die Sahne zur Butter geworden war und er sich mit einem kräftigen Sprung aus der Schüssel retten konnte."
"Bleiben Sie zuversichtlich"
Diese kleine Geschichte lehrt mich, dass vieles im Leben davon abhängt, wie wir mit dem umgehen, was uns das Leben als Herausforderung zumutet. Zuversicht heißt dann: weder an der Realität verzagen oder gar zerbrechen, noch in resignierende Passivität fallen und auf ein unrealistisches Wunder hoffen.
"Bleiben Sie zuversichtlich!" Mit diesem Satz beendet Ingo Zamperoni seit der Corona Krise die von ihm moderierten "Tagesthemen" im Fernsehen. Was aber heißt das für ihn konkret: "Zuversichtlich bleiben"? Im Norddeutschen Rundfunk danach gefragt, antwortete er so:
"Ich glaube, ich habe so einen Grundoptimismus oder so eine Grundzuversicht. Und bei der Pandemie kulminierte das in diesem Satz, wo ich dann sagte: Okay, das ist zwar jetzt schlimm für uns alle, und es betrifft jeden von uns. Aber irgendwie schafft man es, da durchzukommen. Und diese Zuversicht glaube ich, dass es irgendwie schon, wenn auch mit Schrammen und heftigen Macken, irgendwie doch durchs Ziel gehen wird." [1]
"Irgendwie schafft man es, da durchzukommen!" sagt Zamperoni. Gibt es dafür denn Beispiele im Alltag? Menschen vielleicht, die Zuversicht glaubwürdig vorgelebt haben? Spontan fallen mir da zwei Personen ein. Ich denke zum Beispiel an den 1997 verstorbenen Neurologen und Psychiater Viktor Frankl. Als Jude überlebte er die Deportationen in die Konzentrationslager Theresienstadt und Auschwitz, während seine Eltern, sein Bruder und auch seine Frau genau dort von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Trotz alle dem verzweifelte Viktor Frankl nicht. Im Gegenteil. Die erlebte Not wurde für ihn zum Motor seiner beruflichen Arbeit. Frankl gilt als Begründer der Logotherapie, eine "sinnzentrierte Psychotherapie", wie er sie selbst nannte. Rückblickend konnte Viktor Frankl sagen:
"Die Spielregeln des Lebens verlangen von uns nicht, dass wir um jeden Preis siegen, wohl aber, dass wir den Kampf niemals aufgeben."
Was Zuversicht ist – und was nicht
Ein anderer Mensch, der zweifelsohne aus der Kraft der Zuversicht gelebt hat, ist Nelson Mandela, dem ersten schwarzen Staatspräsidenten Südafrikas. Zeitlebens setzte er sich auf vielfältige Weise gegen die Apartheid in seiner Heimat ein. Dafür musste er 27 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbringen. Mandela hätte allen Grund gehabt, an seiner Situation zu verzweifeln. Tat er aber nicht. Eine seiner ermutigenden Aussagen, die bis heute eine Inspiration für viele Menschen sind, zeugt von seinem zuversichtlichen Denken:
"Das Größte, was man erreichen kann, ist nicht, nie zu straucheln, sondern jedes Mal wieder aufzustehen."
Sowohl für Nelson Mandela, als auch für Viktor Frankl war es die Kraft der Zuversicht, die ihnen geholfen hat, die Herausforderungen ihres Lebens zu meistern und neue Wege zu finden, die zu einem besseren Leben führen. An ihren Biografien lässt sich ablesen, dass Zuversicht alles andere ist, als ein billiger Trost in schweren Zeiten. Das betont auch der Facharzt für Psychiatrie Klaus-Thomas Kronmüller, wenn er zum Thema Zuversicht schreibt:
"Mit Zuversicht ist … nicht gemeint, negatives Denken durch positives Denken zu ersetzen. Zuversicht meint, sich trotz aller Probleme nicht entmutigen und demoralisieren zu lassen. Zuversicht heißt also, den Ernst der Lage durchaus zu erkennen und zugleich aber Handlungsspielräume wahrzunehmen und zu nutzen." [2]
Glaubt man der Wissenschaft, dann neigt unser menschliches Gehirn dazu, immer in Extremen zu denken: Entweder alles oder nichts; entweder ist man gesund oder krank oder eben auch: Die Welt von heute ist gut oder schlecht. Wenn ich allerdings grundsätzlich immer nur auf das Elend starre, das in dieser Welt oder in meinem persönlichen Leben geschieht, dann darf ich mich nicht wundern, wenn ich am Ende alle Zuversicht verloren habe. Der Schriftsteller und Fotograf Ulrich Schaffer plädiert daher dafür, ein neues, ein tieferes Sehen einzuüben:
"Wir müssen üben, mit den Augen eines Visionärs, mit den Augen einer Träumerin, zu sehen. Wer nur gelten lässt, was er vor seinen Augen sieht, hält sich wahrscheinlich für wirklichkeitsnah, realitätsbezogen. Aber ist das tatsächlich so? Sieht nicht nur der Mensch, der die Zusammenhänge erkennt, die Wahrheit, die in der Wirklichkeit verborgen liegt?" [3]
Im Glauben die Kraft zum Umdenken finden
Für manche Menschen kann der Glaube an Gott eine Quelle der Zuversicht sein, da sie Vertrauen in seine Führung und Hilfe haben. Dabei sind sie sich bewusst, dass Gott sie nicht vor allen Herausforderungen des Lebens bewahrt. Die gläubige Zuversicht erlaubt ihnen vielmehr, Schicksalsschläge anzunehmen und mit ihnen versöhnt umzugehen. Ich denke zum Beispiel an den Priester und Widerstandskämpfer Alfred Delp, der von den Nationalsozialisten zuerst verhaftet und dann ermordet wurde. Noch mit gefesselten Händen schrieb er in der Todeszelle:
"Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt."
Ein Mensch unserer Tage, der aufgrund seines christlichen Glaubens sein Leben gemeistert hat ist Samuel Koch, jener junge Mann, der 2010 in der Sendung "Wetten, dass..." schwer verunglückte. Die Verletzungen seiner Wirbelsäule führten zur Lähmung vom Hals an abwärts. Von einem Moment zum anderen wurden seine großen Pläne für die Zukunft zunichtegemacht. Trotzdem gab Samuel Koch, in den folgenden Jahren nicht auf. Er kämpfte sich zurück ins Leben und ist heute ein erfolgreicher Schauspieler und Buchautor. Auf die Frage, was ihm dabei geholfen hat, meinte er einmal:
"Ganz gleich, mit welcher Schwere wir im Leben zu kämpfen haben: Es braucht immer wieder die Kraft zum Umdenken. … Allgemein kann man sagen, dass unser Leben leichter werden kann durch Klassiker wie Glaube, Liebe, Hoffnung oder Dankbarkeit."
Zuversicht und der Glaube an Gott können eng miteinander verbunden sein, aber sie sind nicht zwangsläufig dasselbe. Das scheint mir wichtig zu betonen, denn nicht jeder, der zuversichtlich ist, glaubt automatisch an Gott, und nicht jeder, der an Gott glaubt, ist automatisch immer zuversichtlich. Die Beziehung zwischen Zuversicht und Glaube kann von Person zu Person recht unterschiedlich sein. Auch das ist vielleicht eine Frage der Sichtweise. Für die Art der Sichtweise aber muss ich mich im Leben entscheiden, meint der Schriftsteller Ulrich Schaffer:
"Die Menschen sind geteilter Meinung, warum es so viel Leid in der Welt gibt. Für die einen ist es der Beweis, dass es keinen Gott gibt. Für die anderen ist es der Prüfstein, an dem sie reifen und Gott näherkommen. Kann man noch an irgendetwas glauben, wenn es so viel Leid im Leben gibt? – Kann man es sich leisten, gerade dann nicht mehr zu glauben?" [4]
Auch das ist wieder eine Entscheidung. Vielleicht komme ich ohne Beweise und Prüfsteine aus und entscheide mich als Erwachsener, wie ich die Welt sehen will. Ich muss nicht mehr nach außen gehen, sondern in mich hineinhören und feststellen, welcher Glaube mich mehr zum Leben befähigt und durch welche Einstellung mehr Lebensförderndes von mir ausgeht.“
Heiterkeit und Zuversicht stehen zusammen
Noch ein letzter Gedanke bewegt mich, wenn ich an die Kraft der Zuversicht denke. In diesen Tagen wird vielerorts Karneval, Fasching oder Fastnacht gefeiert. Das ist nicht jedermanns Sache. Das verstehe ich und doch erinnert mich die "fünfte Jahreszeit" auch daran, dem Leben mit einer gewissen Heiterkeit zu begegnen. "Humor ist, wenn man trotzdem lacht" sagt der Volksmund. Solch eine Aussage ermutigt mich, Fünfe auch mal grade sein zu lassen, auch mal über sich selbst lachen zu können und vor allem: offen zu bleiben für Neues, für das, was ich noch nicht kenne. Heiterkeit und Zuversicht scheinen mir Geschwister zu sein, die sich ohne Weiteres mit dem Glauben an Gott verbinden lassen. Und so stimme ich dem Jesuitenpater Andreas Batlogg zu, der sagt:
"Glaubensfreude, Glaubensmut und Glaubenszuversicht: Ich halte sie für wichtig. … Achtsames Wertschätzen der guten Dinge, die auch passieren, der vielen selbstlosen Menschen, die es auch gibt – in Kirche, Politik und Gesellschaft: Wer das praktiziert, wer das einübt, wem das bewusst ist, der widersteht der Versuchung, einer 'Insolvenzrhetorik' zu verfallen und in den Chor der Schwarzseher einzustimmen." [5]
Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat Martin Korden.
Musik:
Loreena McKennitt – Tango to Evora
[1] https://www.ndr.de/kirche/Ingo-Zamperoni-im-Interview-bei-Gott-und-die-Welt,zamperoni190.html">https://www.ndr.de/kirche/Ingo-Zamperoni-im-Interview-bei-Gott-und-die-Welt,zamperoni190.html; abgerufen am 6.11.23
[2] https://www.gt-info.de/aufbruch-gt/bleiben-sie-zuversichtlich-aber-wie-">https://www.gt-info.de/aufbruch-gt/bleiben-sie-zuversichtlich-aber-wie-; abgerufen am 6.11.23
[3] Ulrich Schaffer, "Neu sehen lernen", Verlag Ernst Kaufmann, Lahr, 1996, Innenseite, 14 Zeilen
[4] Ulrich Schaffer, "Ich leide und entdecke die tiefere Bedeutung", Fotokunstverlag Groh, Wörthsee bei München, 1989, S. 14, 19 Zeilen
[5] https://www.st-michael-muenchen.de/newsseiten/news-bleiben-sie-zuversichtlich">https://www.st-michael-muenchen.de/newsseiten/news-bleiben-sie-zuversichtlich; abgerufen am 11.11.23