Habemus Papam – Zehntausende auf dem Petersplatz, Milliarden weltweit über Fernsehen und Internet. Der Papst ist nicht nur Oberhaupt der Katholischen Kirche, er gehört auch zu den meistbeachteten Menschen auf dem gesamten Globus.
Vor 150 Jahren ist für das Papsttum das Medienzeitalter angebrochen – mit dem populären Papst Leo XIII. Es ist spannend, dass seitdem auch alle Amtsinhaber Bilder hinterlassen haben, die sich dem kollektiven Gedächtnis eingeprägt haben. Man denke an Pius XII., der sich mit weit ausgebreiteten Armen den Opfern der Bombardierung Roms zuwendet. Man erinnert sich an Paul VI. bei seiner berühmten Friedensrede vor der UNO oder an Benedikt XVI. bei seiner Rede im Bundestag. Unvergesslich sind die vielen Aufnahmen des reisenden Papstes Johannes Paul II., der sich wie keiner zuvor mit den Mächtigen der Welt traf und beim Betreten des besuchten Landes stets niederkniete, um den Boden zu küssen. Oft sind es Momentaufnahmen aus dem politischen Wirken der Päpste, die im Gedächtnis geblieben sind.
Die Erinnerungen an den jüngst verstorbenen Papst Franziskus sind noch sehr frisch. Vielleicht werden es auch hier Bilder von politischen Begegnungen sein, die die Zeiten überdauern: Seine erste Reise führte ihn in die Flüchtlingslager von Lampedusa, wo er herzlich mit den Menschen sprach. Keine 24 Stunden vor seinem Tod empfing er als letzten Gast den US-amerikanischen Vizepräsidenten J. D. Vance. Auch diese Begegnung hatte mit der Flüchtlingsfrage zu tun, gehört doch der Politiker zu denen, die eine rigide Abschottung vor Emigranten aus Lateinamerika zu verantworten haben. An diesen beiden Bildern vom Anfang und Ende seines Pontifikates lässt sich ablesen, dass die Politik in diesem Pontifikat eine ausgesprochen große Rolle gespielt hat.
Die Nachfolger Petri waren schon seit der Spätantike politisch engagiert. Dazu gehört die Gründung des Kirchenstaates im Mittelalter, ebenso wie der Kampf um die Kirchenfreiheit und das Ringen mit den europäischen Herrschern. Doch erst seit 150 Jahren kann man von der modernen vatikanischen Außenpolitik sprechen. Den Anstoß gab der Verlust des Kirchenstaates im Jahr 1870. Die Päpste waren durch den eigenen Staat stets Partei in den europäischen Konflikten gewesen. Nun bot sich die Gelegenheit, sich als überparteilicher Vermittler zu etablieren. Leo XIII. ergriff diese Chance und vermittelte elfmal in internationalen Konflikten, etwa zwischen Kuba und den USA oder Deutschland und Spanien. Neu war an diesen Initiativen, dass es sich nicht nur um katholische Staaten handelte.
Dieses neue Selbstverständnis der Päpste als Friedensstifter und überparteiliche Vermittler aufzutreten, war auch charakteristisch für Benedikt XV. Er wird bis heute auch "der Friedenspapst" genannt. Unermüdlich setzte er sich während des Ersten Weltkriegs für Frieden ein. 1917 legt er den kriegführenden Ländern eine detaillierte Friedensnote vor, mit der er den Weg weisen wollte, heraus aus dem, wie er es nannte, "unnützen Blutvergießen". Auch wenn diese Friedensnote kaum Resonanz fand, so stellte sie doch einen ehrlichen Versuch dar, zur Beendigung des Krieges beizutragen.
Aus Sicht Benedikts XV. brauchte es nach dem Krieg eine echte Versöhnung der Kriegsgegner, sonst werde es unweigerlich zu einem neuen Konflikt kommen. Wie der Ausbruch des Krieges für ihn ein Triumph des Nationalismus und des Egoismus war, so musste ein echter Friede eine Rückkehr zu den Geboten Gottes sein. Aufgabe der Christen sei es, dabei die Einheit der Menschheit zu fördern. Die Priester sollten die Gewissen der Gläubigen zur Feindes- und Nächstenliebe erziehen. Für Papst Benedikt war der Friede zugleich göttliche Gabe und menschliche Aufgabe.
Dem Frieden sahen sich auch die folgenden Päpste verpflichtet. Pius XI. dachte vor allem an die Versöhnung mit dem Königreich Italien. Diese gelang 1929 und führte zur Gründung des neuen Vatikan-Staates. Sein Nachfolger Pius XII., wurde im März 1939 zum Papst gewählt. Er sah sich direkt mit der wachsenden Kriegsgefahr konfrontiert. Eine Woche vor Beginn des Zweiten Weltkriegs richtete er einen moralisch aufgeladenen Appell an die Staatsführer:
"Durch Unsere Stimme vernehmt ihr die Stimme Christi (…), ist doch unsere Waffe das Wort der Wahrheit, das über öffentlichen Kämpfen und Leidenschaften steht. Wir sprechen zu euch im Namen Gottes, des himmlischen Vaters und Herrn der Erde. (…). Nichts ist verloren mit dem Frieden, alles kann verloren sein mit dem Krieg."
Pius XII. hatte vor seinem Pontifikat die kirchliche Diplomatenlaufbahn eingeschlagen und war lange Jahre als Nuntius und Kardinalstaatssekretär mit der Außenpolitik des Vatikans betraut. Bis heute ist seine Haltung umstritten, als Papst nach außen weitestgehend politische Neutralität zu wahren, um auf diplomatischen Wegen und im Verborgenen mehr erreichen zu können. Viele werfen ihm vor, den Angriffskrieg und den Holocaust nicht deutlich genug öffentlich verurteilt zu haben.
Die Wahrung des Friedens war auch für Johannes XXIII. ein zentrales Anliegen. Mitten in der Kubakrise 1962, als eine atomare Auseinandersetzung zwischen der Sowjetunion und den USA drohte, richtete er an die beiden Seiten einen öffentlichen Friedensappell:
"Wir flehen alle Regierenden an, vor dem Schrei der Menschheit nicht taub zu bleiben. Dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um den Frieden zu bewahren. Sie werden so die Welt vor den Schrecken eines Krieges bewahren, dessen entsetzliche Folgen niemand vorhersehen kann."
Ob dieser Appell einen Einfluss auf die Abwendung der Krise hatte, lässt sich schwer sagen. Die Sowjetunion nahm danach jedenfalls Kontakte mit dem Vatikan auf, die schließlich zur vatikanischen Ostpolitik und einer leichten Besserung der kirchlichen Verhältnisse in den Ostblockstaaten führte. Papst Johannes XXIII. verstand seine Friedensenzyklika Pacem in terris, als sein Vermächtnis an die Menschheit. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges formulierte er darin einen eindringlichen Friedensappell an die Regierenden.
Der vielleicht wichtigste Beitrag von Papst Paul VI. zur Friedensfrage war die Einführung der Weltfriedenstage, die seither am 1. Januar begangen werden. Neben dem Gebet um den Frieden wird in jedem Jahr eine Botschaft vorgestellt, die einen Aspekt des Themas beleuchtet. Paul VI. war überzeugt, dass die Kirche nicht erst dann auf den Plan treten darf, wenn ein Konflikt bereits ausgebrochen ist. Vielmehr müsse sie im Vorfeld Bewusstseinsbildung leisten und die Christen zum Frieden erziehen. Unter diesem Papst wurde deshalb auch die Mitarbeit des Heiligen Stuhls in den internationalen Organisationen massiv ausgebaut. Ausgeweitet wurden außerdem die diplomatischen Beziehungen zu mittlerweile 180 Staaten.
Viel ließe sich über Johannes Paul II. sagen, allen voran sein Beitrag beim Fall des sogenannten Eisernen Vorhangs, durch sein mutiges Auftreten von Beginn seines Pontifikats 1978 an. Vom Ende seines Pontifikats sind seine trotz schwacher Stimme und fortgeschrittener Krankheit flammenden Appelle gegen den Irakkrieg in Erinnerung geblieben.
Die Zeiten überdauern werden vielleicht die Weltfriedenstage, die Johannes Paul II. einführte. Erstmals 1986 lud er dazu Vertreter der Weltreligionen nach Assisi ein, damit sie um den Frieden in der Welt beten. Religion dürfe niemals zum Anlass oder zum Verstärker internationaler Konflikte werden - davon war der polnische Papst zutiefst überzeugt.
Mit Johannes Paul II. hatte Franziskus gemein, dass er anders als die Mehrzahl der Amtsinhaber vor ihm das Handwerk des Diplomaten nicht erlernt hatte. Als Erzbischof von Buenos Aires wurde er einmal gefragt: "Wie würden Sie sich einer Gruppe vorstellen, die Sie nicht kennt?" Ohne zu zögern, gab er zur Antwort: "Ich bin Jorge Bergoglio, Seelsorger." Franziskus war aber auch im Herzen Jesuit geblieben. Sein Ordensgründer Ignatius von Loyola schuf das Motto: "Alles zur größeren Ehre Gottes." Weltgestaltung gehört also von Anfang an zum Charisma eines Jesuiten. Ein Jesuit ist darum in gewissem Sinne immer politisch. Das traf auch auf Papst Franziskus zu. Als Papst verließ er sich in der Außenpolitik vor allem auf das Urteil seines Kardinalstaatssekretärs, des klugen Diplomaten Pietro Parolin.
Das Thema Frieden war für Franziskus zentral. Zwischen Kuba und den USA waren seine Mittlerdienste willkommen. Als Friedensvermittler im Ukrainekrieg kam er dagegen nicht zum Zuge. Das mag auch an seiner Entscheidung gelegen haben, nur nach Kiew zu reisen, wenn er gleichzeitig nach Moskau reisen dürfe. Im Hintergrund stand die Grunddoktrin der vatikanischen Außenpolitik, in allen Konflikten die Überparteilichkeit zu wahren. Immerhin konnte die vatikanische Diplomatie auf humanitärem Gebiet etwas erreichen, namentlich die Rückführung von entführten Kindern. Die Überparteilichkeit stand auch hinter der Verurteilung sowohl der Terrorangriffe auf Israel im Oktober 2023 als auch der Gräuel an der Zivilbevölkerung im Gazastreifen.
Wie Johannes Paul II. sah auch Franziskus seinen besonderen Auftrag darin, die Religionen auf den Pfad des Friedens zu bringen. Ein großes Konfliktpotential lag nach seiner Überzeugung im Verhältnis von Islam und Christentum. So erklären sich seine zahlreichen Reisen in mehrheitlich muslimische Länder. Hier galt es, für Frieden und Eintracht zu werben.
"All jene Formen, die einen verkehrten Gebrauch der Religion darstellen, müssen wir mit Entschiedenheit als nicht recht zurückweisen, weil sie weder Gottes noch des Menschen würdig sind. Die echte Religion ist eine Quelle des Friedens und nicht der Gewalt! Niemand darf den Namen Gottes gebrauchen, um Gewalt auszuüben! Im Namen Gottes zu töten, ist ein schweres Sakrileg! Im Namen Gottes zu diskriminieren, ist unmenschlich."
Papst Franziskus hat die Katholiken immer wieder aufgerufen, "zu den Rändern zu gehen", sich also der Armen und Unterdrückten zuzuwenden. In seinen Sozialenzykliken machte er sich zum Fürsprecher der unterentwickelten Völker, die unter den Folgen des Klimawandels am stärksten leiden. Konsequent war daher die Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens durch den Heiligen Stuhl. Prophetisch wirkt in diesem Zusammenhang eine Rede, die er im Jahr 2015 in Bolivien hielt:
"Die erste Aufgabe ist, die Wirtschaft in den Dienst der Völker zu stellen: (…) Wir sagen Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der sozialen Ungerechtigkeit, wo das Geld regiert, anstatt zu dienen. Diese Wirtschaft tötet. Diese Wirtschaft schließt aus. Diese Wirtschaft zerstört die Mutter Erde. (…) Unser aller gemeinsames Haus wird ungestraft ausgeplündert, verwüstet und misshandelt."
Im Rahmen der modernen vatikanischen Außenpolitik bemühen sich die Päpste seit 150 Jahren, internationale Konflikte zu schlichten und als "Friedensstifter" aufzutreten. Nicht jeder gut gemeinte Versuch ist gelungen. Manches Mal konnte der Papst aber tatsächlich zur Beilegung einer Auseinandersetzung beitragen. Nicht nur die katholische Kirche, sondern auch die Weltöffentlichkeit blickt auch deshalb mit großer Erwartung auf den neuen Papst: Welche Position wird er zu den aktuellen Konflikten beziehen? Wird er die Tradition der vatikanischen Friedenspolitik unvermindert fortführen? Oder wird er stärker einen pastoralen, auf innerkirchliche Fragen bezogenen Kurs einschlagen?
Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat Martin Korden.
Musik:
Max Richter – Berlin By Overnight
Philip Glass – Echorus
Ludovico Einaudi – Passaggio
Karl Jenkins – The Armed Man