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"Gott ist auch zwischen den Kochtöpfen." Die Glaubenserfahrungen der Teresa von Avila

Am Sonntagmorgen, 23.03.2025

Gunnar Lammert-Türk, Berlin

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"Weder erfreute ich mich Gottes, noch fand ich in der Welt meine Befriedigung. Wenn ich mich mit der Welt abgab und dabei daran dachte, was ich Gott schuldete, so geschah das wieder mit Gewissensbissen; wenn ich bei Gott weilte, bedrängte mich die Anhänglichkeit an die Welt.“ (in: Das Buch meines Lebens 8,2)

Das schrieb Teresa von Avila in ihren Lebenserinnerungen – die große geistliche Lehrerin, Nonne und Klostergründerin des 16. Jahrhunderts in Spanien. Wie das Zitat aus ihrer Autobiographie zeigt, war sie innerlich zerrissen – zwischen dem Bedürfnis nach Geselligkeit und dem nach Kontemplation und Gottesnähe in der Zurückgezogenheit des Gebets. 20 Jahre lang ging das so, auch noch nachdem sie bereits ins Kloster eingetreten war. Ihre dabei gemachten Erfahrungen ließen sie zu einer Autorität in Fragen des Glaubens und der Spiritualität werden.

Zwei Entdeckungen waren dabei prägend: Teresa sah in Gott einen das Leben begleitenden Freund und den Umgang mit ihm als Freundschaft der Seele zu Christus. Diese fand Ausdruck im innerlichen Gebet, das im Gegensatz zum ausformulierten mündlichen Gebet von ihr als intimere Zwiesprache erlebt wurde. Gerade die aber, so Teresa, führe den Menschen dazu, Gott in allen Lebenslagen bei sich zu haben, auch in Alltagsdingen. Dies veranlasste Teresa zu der munteren bis heute oft zitierten Redewendung: "Gott ist auch zwischen den Kochtöpfen zu finden."

Teresa war ein lebhaftes, abenteuerlustiges Mädchen. Sie hatte einen flinken Verstand und eine gewinnende Art und genoss es, wenn andere sich von ihr unterhalten ließen. Zugleich war sie, fromm erzogen, selbst fromm und sorgte sich um ihr Geschick nach dem Tod. Schon als Kind spielte Teresa auf dem Landsitz der Eltern Einsiedler- und Klosterleben. Ins Kloster zu gehen, war die gängige und im Grunde einzige Alternative zur Ehe für Frauen im damaligen Spanien. Die Ehe lehnte Teresa für sich ab. Das Geschick ihrer mit vierzehn Jahren verheirateten Mutter, die nach zehn Geburten recht früh starb, war ihr eine Mahnung.

Dem Kloster stand die unternehmungsfreudige, ein wenig eitle junge Frau zwar skeptisch gegenüber. Doch ihre Heilsungewissheit veranlasste Teresa schließlich, in ein vorrangig von adeligen Frauen bewohntes Karmelitinnenkloster in Avila einzutreten. Damals war sie 20 Jahre alt und doch in Glaubensfragen schon geprägt. Sie fühlte eine Nähe zu Jesus Christus, wie der Karmelitermönch und Teresa-Spezialist Pater Ulrich Dobhan weiß:

"Bevor sie eingetreten ist, hat sie mit Hilfe der Leidensgeschichte über Jesus am Ölberg nachgedacht, über den Menschen Jesus, den sie in den Evangelien als einen erlebt hat, der verraten wurde, der verlassen wurde. … Hat sich halt hineinversetzt, wie es ihm wohl gegangen ist, als seine besten Freunde nicht da waren, als einer von ihnen verraten hat, als einer von ihnen gesagt hat: Ich kenn den Menschen gar nicht. Und das hat sie ganz persönlich genommen."

Anfangs fühlte sich Teresa im Kloster wohl. Sie bemühte sich um ein geistliches Leben. Kurz nach ihrer ewigen Profess, zwei Jahre nach ihrem Eintritt ins Kloster, erkrankte sie lebensbedrohlich. Auf dem Weg zu einer Heilerin machte sie Station bei ihrem Onkel und las dort ein Buch des Franziskaners Francisco de Osuna. Er beschrieb darin das geistliche Leben als Freundschaft mit Gott, den Umgang mit ihm als inneres Gebet. Teresa bemühte sich um diese Zwiesprache, hatte aber nach anfänglichem Erfolg bald große Mühe.

Sie litt unter einer Art innerer geistlicher Dürre, die noch verstärkt wurde, als ihr Vater erkrankte und starb. Sein Beichtvater ermutigte sie, das von ihr aufgegebene innere Gebet wieder aufzunehmen. 1554 – nach etwa zwanzig Jahren qualvoller geistlicher Not – erlebte Teresa, inzwischen 39 Jahre alt, ihren entscheidenden religiösen Wendepunkt beim Betrachten einer Figur Jesu als geschundener Schmerzensmann. Von nun an konnte sie sich Gottes Führung überlassen, fand innere Ruhe und einen vertrauten Umgang mit Christus, der sich ihr in Visionen mitteilte. Besonders eindrücklich mit der sogenannten "Herzverwundung". Ein Engel mit einem flammenden Pfeil erschien ihr.

"Mir war, als stieße er mir den Pfeil einige Male ins Herz, und als würde er mir bis in die Eingeweide vordringen. Als er ihn herauszog, war es mir, als würde er sie mir herausreißen und mich ganz und gar brennend vor starker Gottesliebe zurücklassen. Der Schmerz war so stark, dass er mich Klagen ausstoßen ließ, aber zugleich ist die Zärtlichkeit, die dieser ungemein große Schmerz bei mir auslöst, so überwältigend, dass noch nicht einmal der Wunsch hochkommt, er möge vergehen, noch dass die Seele sich mit weniger als Gott begnügt.“ (Teresa von Avila in: Das Buch meines Lebens 29,13)

Ein Erlebnis mystischer Liebe war Teresa widerfahren. Die zeitlebens an Herzbeschwerden Leidende wurde im Herzen ihres Glaubens ergriffen. Es drängte sie fortan, den Weg der inneren Zwiesprache ungestört zu führen. 1560 beschloss sie mit Gleichgesinnten, zu diesem Zweck ein eigenes Kloster zu gründen. Heimlich erwarb sie ein Haus. 1562 wurde es als Kloster San José für Teresa und vier Novizinnen eingeweiht. Es war eine bescheidene Stätte. Teresa hatte anfangs Bedenken, das Haus sei zu klein, doch in einer Vision wurde sie von Christus ermahnt. In ihrer Biographie schreibt sie, diese Jesus-Worte vernommen zu haben:

"Wie oft habe ich unter freiem Himmel geschlafen, weil ich keinen Ort hatte, wo ich mich hinlegen konnte!“ Ich war ganz bestürzt und sah ein, dass er recht hatte. Ich ging also zum Häuschen, teilte es ein und fand ein annehmbares, wenn auch recht kleines Kloster vor. Und ich sah nicht mehr zu, noch mehr Platz zu kaufen, sondern ließ es so herrichten, dass man darin leben konnte, alles roh belassen. Und so sollte man es immer halten.“ (in: Das Buch meines Lebens 1, 4)

Teresa von Avila hatte ihr erstes Kloster strenger Armut verpflichtet. Es war deshalb auf Almosen angewiesen. Einer der Gründe, der die Bürger von Avila dagegen aufbrachte. Bald aber wurde das Kloster seiner Ausstrahlung wegen akzeptiert und auch von vielen geliebt. Und Teresa gründete weitere. Immer wieder gegen viel Widerstand und widrige Umstände. In Salamanca war das Dach der Kapelle undicht und am Vortag der Einweihung regnete es in Strömen. Teresa haderte deshalb mit Gott:

"Ich sagte zu unserem Herrn, eher vorwurfsvoll, dass er mir entweder nicht auftragen sollte, mich auf solche Werke einzulassen, oder aber die Notlagen beseitigen. Ein Freund sagte mir in aller Seelenruhe, Gott würde schon Abhilfe schaffen. Und so war es auch: Denn am Tag des heiligen Michael, just zu dem Zeitpunkt, als die Leute herbeikamen, brach die Sonne durch, was mich mit großer Ergriffenheit erfüllte; und ich sah, wie viel besser jener Gute daran getan hatte, auf unseren Herrn zu vertrauen, als ich mit meinem Kummer.“ (in: Das Buch der Gründungen 19,9)

Auf drei Säulen waren die neuen Klöster gegründet: auf eine begrenzte Schwesternzahl – nur dreizehn bis zwanzig –, auf eine strenge Klausur und auf die Konzentration auf das kontemplative Gebet. Dafür sorgte Teresa auch durch die Weitergabe ihrer Erfahrungen und Einsichten. In ihrer Schrift „Wohnungen der inneren Burg“ legte sie ihre Gebetslehre dar. Darin zeigte sie ein bemerkenswert positives Menschenbild. Im Eingang dieser Schrift heißt es:

"Als ich heute unseren Herrn anflehte, er möge durch mich reden, bot sich mir an, unsere Seele als eine gänzlich aus einem Diamanten oder sehr klaren Kristall bestehende Burg zu betrachten, in der es viele Gemächer gibt, so wie es im Himmel viele Wohnungen gibt.“ (in: Wohnungen der inneren Burg I: 1,1)

Die Seele – so erläutert es Teresa in diesem Buch – macht im inneren Gebet eine Reifung durch, einen psychologischen und geistlichen Heilungsprozess. Nach Überwindung der Ringmauer der Burg – ein Bild für das Verlassen der Welt – durchstreift die Seele sechs Wohnungen – mit vielen verschiedenen Räumen –, bis sie in der siebten sich mit Gott vereint. Die Wohnungen mit ihren Räumen entsprechen dem Grad des seelischen Fortschritts – beim Sterben des alten Ichs und dem Erlangen der von Gott gewollten Persönlichkeit – und dem der errungenen Nähe zu Gott. Für die ersten drei ist viel am Bemühen der Seele gelegen. In den nächsten drei Wohnungen übernimmt Gott zunehmend die Initiative. Der ganze Prozess wird aber partnerschaftlich bewältigt. Und weil Teresa die individuellen Besonderheiten der Menschen beachtete, legte sie Wert darauf, dass jede Seele den ihr gemäßen Weg geht. Sie schrieb:

"Für jede Seele, die sich dem inneren Beten wenig oder viel hingibt, ist es wichtig, dass man sie nie in einen Winkel einzwängt oder einengt. Man lasse sie durch diese Wohnungen streifen, aufwärts und abwärts und nach den Seiten hin. Da ihr Gott eine so große Würde verliehen hat, soll sie sich nicht zwingen, lange Zeit in einem einzigen Raum zu bleiben, und sei es in dem der Selbsterkenntnis.“ (in: Wohnungen der inneren Burg I: 2,8)

Das Ziel des Weges der Seele durch ihre Wohnungen ist die Vereinigung mit Gott – ein für jede Mystik erstrebtes Ereignis. Teresa aber überrascht damit, dass es nicht bei der Ruhe und Seligkeit der Seele bei Gott bleibt. Bei ihr folgt auf die Vermählung der Seele mit Gott die Rückführung in den Alltag. Und zwar, um dort konkrete Werke der Barmherzigkeit zu leben. Gerade dadurch, so war es Teresas Überzeugung, könne sie Gott Freude bereiten und ihm die Liebe zeigen, die sie für ihn empfindet. Zu dieser Wendung von der gewonnenen Einswerdung mit Gott im inneren Gebet zum Dienst am Nächsten bemerkt der Teresa-Kenner Pater Ulrich Dobhan:

"Wenn ich mit dem Menschen Jesus in Freundschaft lebe, eine innige Freundschaft habe, dann kann ich, um dieser Freundschaft nicht untreu zu werden, gar nicht anders sein als er, der … bis zum Tod seine Liebe gezeigt hat. Teresa hat in der fünften Wohnung diesen schönen Satz: Und wenn du eine Kranke siehst, dann lass dein Beten, deine Frömmigkeit und geh hin und hilf ihr! Und wenn sie nichts zu essen hat, dann faste du, damit sie zu essen hat!"

Diese Form der Spiritualität war bahnbrechend, ebenso, dass Teresa für strenge soziale Gleichheit in den Klöstern sorgte, unter anderem dadurch, dass die adeligen Schwestern ihren Adelsnamen ablegten und neue Namen erhielten. Auch Teresa erhielt einen neuen Namen: Teresa de Jesus, Teresa von Jesus. Im inneren Gebet, in der Freundschaft mit Gott hatte sie ihre Bedürfnisse nach Gemeinschaft und nach der Konzentration auf Gott zusammenbringen können. Sie entsprach damit einem Anliegen der Gläubigen im 16. Jahrhundert, die eine Abkehr von äußerlich gewordenen religiösen Verrichtungen ersehnten hin zu einer individuellen Frömmigkeit und neuen Verinnerlichung des Glaubens.

Teresa reformierte so auch den Karmeliterorden, dem sie angehörte. Die Seelenführerin, die zugleich eine geschickte Diplomatin und Managerin war, starb am 4. Oktober 1582. Ihren Klosterschwestern hinterließ sie diesen Rat:

"Meine Töchter, es gibt keinen Grund zum Traurigsein; wenn auch der Gehorsam intensivere äußere Tätigkeit abverlangt, dann wißt, daß, falls es sich um die Küche handelt, der Herr auch zwischen den Kochtöpfen zugegen ist und uns bei unseren inneren und äußeren Tätigkeiten hilft.“ (in: Das Buch meines Lebens 1,4)

Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat Martin KordenMusik:

Musik:

Dino Saluzzi – Romance
Dino Saluzzi – How My Heart Sings
Federico Mompou – Musica Callada VI
Dino Saluzzi – Romance
Nicolo Spera – Cuentus de la Juventud

Über den Autor Gunnar Lammert-Türk

Gunnar Lammert-Türk (Jahrgang 1959) ist freischaffender Journalist und Autor. Er wurde in Leipzig geboren und studierte Germanistik und Evangelische Theologie in Berlin. Nach dem Studium organisierte er Projekte einer Arbeitsfördergesellschaft, die aussortierte Technik für Hilfsprojekte in Osteuropa und der Dritten Welt regenerierte. Es folgte die Leitung einer Beratungsstelle für Russlanddeutsche. Darauf war er Autor und Redakteur in der Medienfirma Greenlight. Seit 2003 ist er als freier Journalist und Autor tätig. Von 2004 bis 2007 führte er mit einem Musiker und einem Zauberer Musiktheatershows für Kinder auf. Er verfasst Rundfunkbeiträge, schreibt Texte für Audioführer und Kinderlieder. Veröffentlichungen im Boje Verlag, Schneider Verlag, Xenos Verlag und im Deutschen Theater Verlag.

Kontakt: g.lammert.tuerk@gmail.com