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Gottvertrauen! Wie gelebter Glaube uns verändert

Am Sonntagmorgen, 27.08.2023

Pater Norbert Cuypers, Wenden

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Wem kann man heutzutage überhaupt noch vertrauen? Das ist eine Frage, die wohl so manch einem von uns durch den Kopf geht, wenn bekannt wird, in welche Querelen manche Sportvereine, Parteien oder andere öffentliche Organisationen verwickelt sind. Ganz zu schweigen von der Kirche.

"Wem kann man heutzutage überhaupt noch vertrauen?" Das fragte mich vor kurzem auch ein langjähriger Freund, nachdem er vom Abteilungsleiter seiner Firma mit dem er bis dahin ein Vertrauensverhältnis pflegte, schroff in die Schranken gewiesen wurde. Seitdem wirkt er auf mich enttäuscht und frustriert. Was aber noch schlimmer ist: seit dem Vorfall in der Firma ist er auch Menschen seines privaten Umfelds gegenüber misstrauisch geworden. Er wird zurückhaltender, will erst prüfen, wem er wirklich vertrauen kann – in der Befürchtung, wieder eine Enttäuschung zu erleben. Hat der Volksmund also recht, wenn er sagt: "Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser!"

Vertrauen ist Risiko und Stärke

Mit Kontrolle scheint das Leben berechenbarer zu werden. Aber gerade in Freundschaften oder Partnerschaften kann das auch zu einer ernsten Belastung führen. Ich möchte den Satz: deshalb gern einmal andersherum denken: "Kontrolle ist gut. Vertrauen ist besser!" Ohne Vertrauen unseren Mitmenschen gegenüber kann unser alltägliches Leben nicht gelingen.

Wenn ich in den Bus steige, dann vertraue ich ohne viel darüber nachzudenken dem Fahrer, dass er mich unbeschadet zu meinem Ziel fahren wird. Unser Leben wird kaum gelingen, wenn wir nicht bereit sind, ein Mindestmaß an Vertrauen zu wagen. Und auch das stimmt: Je mehr ein Mensch in seinem Leben Vertrauen aufbringen kann, desto kleiner werden seine Unsicherheiten und Ängste im Umgang mit seinen Mitmenschen. Vertrauen aber ist etwas, was immer wieder neu eingeübt werden muss. Darauf verweist der Schriftsteller Ulrich Schaffer. Er schreibt:

"Vertrauen können ist Stärke, bei der sich der Vertrauende selbst aufs Spiel setzt und doch nicht verliert, solange er auch nach Niederlagen und Enttäuschungen nicht aufgibt, sondern neu vertraut. Immer wieder zu vertrauen, Vertrauen zu üben, heißt, die zarten Verbindungen zu knüpfen, nach denen wir uns alle sehnen, die uns aber nicht gelingen, weil wir Sicherheit wollen. Um zu vertrauen, müssen wir die Sicherheit aufgeben, an der wir so hängen." [1]

Bevor Menschen einander wirklich vertrauen können, schauen sie meist ganz genau, auf wen sie sich einlassen. Oft gelingt es, jemandem zu vertrauen, wenn man erkennt: da gab es eine Situation, in der mir diese Person sehr zugetan war – das hatte ich gar nicht erwartet. Sie hat mir bereits gezeigt: Ihr kann man vertrauen.

Wie kann ich Gott vertrauen?

Diese Erfahrung legt meines Erachtens eine Spur zur Frage dieser Sendung: Kann man auch Gott vertrauen? Ist da jemand, der schon von Anfang an einen wohlwollenden Blick auf mein Leben hat? Wenn Gott der Urheber allen Lebens ist, heißt das dann nicht auch, dass er mein Leben will? Dass er eine Beziehung mit mir aufnehmen möchte oder schon längst aufgenommen hat? Ja, lohnt es sich nicht dann sogar, ihn zu suchen und ihm zu vertrauen, weil er es gut mit mir meint?

Wer diesen Fragen ernsthaft nachgehen will, der sollte nach Gottes Spuren in seinem Leben Ausschau halten. Um Gott im Leben zu vertrauen, sich ihm gar anzuvertrauen, braucht es von mir eine gesunde Auseinandersetzung mit ihm – doch wie kann das geschehen? Für mich persönlich ist die Bibel dabei eine große Hilfe, weil ich in ihr Erfahrungsberichte von Menschen finde, die einen Weg mit Gott als Gegenüber gegangen sind und ein Vertrauensverhältnis entwickelt haben. Es waren Menschen, wie du und ich, die für sich erkannt haben: Da war Gott in meinem Leben erfahrbar. Der evangelische Theologe Jörg Zink hat einmal gesagt:

"Es gibt Menschen, die die Bibel nicht brauchen. Ich gehöre nicht zu ihnen. Ich habe die Bibel nötig. Ich brauche sie, um zu verstehen, woher ich komme. Ich brauche sie, um in dieser Welt einen festen Boden unter den Füßen und einen Halt zu haben. Ich brauche sie, um zu wissen, dass einer über mir ist und mir etwas zu sagen hat. Ich brauche sie, weil ich gemerkt habe, dass wir Menschen in den entscheidenden Augenblicken füreinander keinen Trost haben und dass auch mein eigenes Herz nur dort Trost findet. Ich brauche sie, um zu wissen, wohin die Reise mit mir gehen soll." [2]

Ein Weg, Gottvertrauen aufzubauen kann also sein, sich mit Gott und seinem Wort in der Bibel auseinanderzusetzen und so sein Wirken am Menschen kennenzulernen. Gottvertrauen ist dabei keineswegs etwas Naives, kein blinder Optimismus im Sinne von: "Es wird schon alles gut gehen! Gott ist ja auf meiner Seite."

Ganz im Gegenteil. Echtes Gottvertrauen fordert den gläubigen Menschen heraus, seine Ängste zu überwinden, vermeintliche Sicherheiten zu verlassen, Eigeninitiative zu ergreifen und vor allem: Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen.

Petrus verliert sein Vertrauen

Die Bibel ist voll von Geschichten, in denen es um diese Art von Vertrauen zwischen Gott und Mensch geht. Eine davon hat uns der Evangelist Matthäus überliefert:

"Es wurde Nacht. Weit draußen auf dem See gerieten Jesu Jünger in Not. Ein schwerer Sturm war losgebrochen, und sie hatten große Mühe, das Boot vor dem Kentern zu bewahren. Gegen vier Uhr morgens kam Jesus auf dem Wasser zu ihnen. Als die Jünger ihn sahen, schrien sie vor Entsetzen, weil sie dachten, es sei ein Gespenst. Aber Jesus sprach sie sofort an: 'Erschreckt nicht! Ich bin es doch, ihr braucht euch nicht zu fürchten!' Da rief Petrus: 'Herr, wenn du es wirklich bist, lass mich auf dem Wasser zu dir kommen!' 'Komm her!', antwortete Jesus. Petrus stieg aus dem Boot und ging Jesus auf dem Wasser entgegen. Als er aber die hohen Wellen sah, bekam er Angst und im selben Augenblick begann er zu sinken. 'Herr, hilf mir!', schrie er. Jesus streckte ihm die Hand entgegen, ergriff ihn und sagte: 'Warum hast du ge­zweifelt? Ist dein Glaube wirklich so schwach, Petrus? Hab doch Vertrauen zu mir!'" (Mt 14,23b-31)

Diese Geschichte aus dem Neuen Testament hat für mich wesentlich mit dem Einüben von Gottvertrauen zu tun. Gerade Petrus, dem Jesus im Laufe der Jahre so viel an Vertrauen entgegengebracht hat, zeigt sich hier von seiner schwachen Seite. Zwar wagt er einen ersten, vertrauensvollen Schritt, indem er mitten auf stürmischer See das Boot verlässt und auf Jesus zugeht. Aber ich kann mir genauso vorstellen, dass ihm sein Herz bis zum Hals schlägt, als Petrus diese Worte spricht: "Herr, wenn du es wirklich bist, lass mich auf dem Wasser zu dir kommen!"

Dieser Satz klingt für mich einerseits so sicher und vertrauend und andererseits doch so ängstlich, wenn nicht sogar zweifelnd. Kein Wunder also, dass dem Petrus nach den ersten Schritten offensichtlich der Mut und sein Gottvertrauen verlassen, als er sich vom beängstigenden Wellengang und der stürmischen See hat einschüchtern lassen. Laura, eine junge Frau unserer Tage, fühlt sich von dieser Bibelstelle angesprochen. Sie kennt vielleicht ähnliche Erfahrungen im eigenen Leben. Auf alle Fälle inspirierte sie die Geschichte zu einem Text, der ein Beitrag bei einem christlichen Poetry Slam sein könnte. Hier ein kleiner Auszug davon:

"Bist du schon mal übers Wasser gegangen?

Hast du schon mal damit angefangen

einen Fuß vor den anderen zu setzen,

ohne zu wissen, dass es gut geht,

aber darauf vertrauend, dass das Wasser dich trägt,

der Sturm sich unter deinen Füßen legt,

weil der Herr dir gegenübersteht

und zu dir sagt: 'Komm!'

Traust du dich, einen Schritt aus deinem Boot zu wagen,

darauf zu vertrauen, dass die Wellen dich tragen,

diese Wellen, die dir Angst einjagen?

Vertrauen heißt, die Wellen sich in deinem Kopf nicht auftürmen zu lassen,

sondern mit Blick auf ihn neu Mut zu fassen

und an seiner Hand wird das Grau des Sturms verblassen."

In der Hoffnung vertrauen

Gottvertrauen fordert ein Mindestmaß an Offenheit Gott gegenüber. So zeigt es mir sowohl die biblische Geschichte von Petrus und seinem Gang über das Wasser als auch der Text von Laura. Es braucht einen vertrauensvollen Glauben daran, dass dieser Jesus es grundsätzlich gut mit mir meint; dass er in meinem Leben erfahrbar ist und all sein Wirken an mir letztlich darauf abzielt, das eigene Selbstvertrauen in meinem Leben wachsen und reifen zu lassen.

Dazu aber brauche ich eine Haltung, die mit Gott in meinem Leben rechnet, die bewusst Schritte geht, in der Hoffnung: Er wird mich begleiten. Eine Haltung, die Sicherheiten aufgibt und mutig Neuland betritt. Auf diese Weise wird das Vertrauensverhältnis belastet – und ich kann überprüfen, ob es letztlich trägt. Das erkenne ich allerdings oft erst in der Rückschau.

"Wenn ich auf mein ganz persönliches Leben zurückschaue, kann auch ich Momente ausmachen, wo Gott mir gerade dann zur Seite stand und mir nahe war, als mir – ähnlich wie Petrus – im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser bis zum Halse stand. Ich denke da an eine schwere Operation, die mir vor vielen Jahren bevorstand und mein Leben dramatisch verändern sollte. Damals haderte ich mit meinem Schicksal und stellte Gott jene Frage, auf die es letztlich keine Antwort gab: "Warum?" und: "Warum gerade ich?" [3]

Gut, dass es damals Freunde in meinem Leben gab, die zwar auf diese Fragen auch keine Antwort wussten, die aber einfach da waren und mich in meiner seelischen Not nicht allein ließen. So gesehen haben sie mich nicht untergehen lassen in den stürmischen Zeiten der Krankheit. Sie waren für mich wie die ausgestreckte Hand des Herrn bei Petrus auf dem Wasser.

Gott vertrauen heißt sich selbst vertrauen

In seinem persönlich gehaltenen Buch "Gott ist nicht nett" erinnert Heiner Wilmer, Bischof von Hildesheim, noch an einen weiteren Aspekt, wie Gottvertrauen gelingen kann:

"Wenn ich Gott im Leid und im Jetzt nicht spüren kann, dann muss ich mich auf das verlassen, was ich schon einmal wusste, was ich einst glauben konnte. Wenn ich daran denke, dass Gott mir schon mal nahe war, dass ich ihm einst danken konnte für die Schöpfung, für mein Leben und mein Glück, dann muss ich daran festhalten, ich muss es wachrufen und meinen Blick darauf richten. Vielleicht ist das einer der schwierigsten Akte der Treue zu Gott. Ich sehe dich jetzt nicht, ich höre dich jetzt nicht - ich wusste einmal von dir du bist mein Gott, du bleibst mein Gott."

Wer in seinem Leben einübt, Gott immer mehr zu vertrauen, der wird irgendwann auch den Punkt erreichen, an dem er sich selbst besser vertrauen kann. Gesundes Selbstvertrauen: auch damit haben viele Menschen unserer Tage Schwierigkeiten. Wenn sie aber hören können, dass sie Gott vertrauen dürfen, dann können sie auch besser annehmen, wenn man ihnen zuspricht: "Vertrau dir auch selbst!"

Das wiederum kann ihnen einen gewaltigen Schub in ihrer menschlichen Reife geben und gesundes Selbstvertrauen kann wachsen. So kann gelebter Glaube Menschen positiv verändern. Dann gleichen sie jenem Petrus im Evangelium, der den Mut gefunden hat, seine Ängste zu überwinden und letztlich fähig wurde, übers Wasser zu gehen. Auch das hat Laura aus dem Evangelium für sich und für ihr eigenes Leben herausgefunden, wenn sie am Ende ihres selbstverfassten Textes herausfordernd fragt:

"Bist du schon mal übers Wasser gegangen?

Lauf los, jetzt ist die Zeit damit anzufangen,

ihm zu vertrauen,

nach vorne statt nach unten zu schauen,

auf seine Herrlichkeit zu bauen.

„Komm!“ ist sein Ruf auch an dich

und dein Ja ist jeder Schritt auf ihn zu.

Also lauf los – worauf wartest du?"


Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat Martin Korden.

Musik:

Jan Garbarek – Peace

Bernward Koch – The Enchanted Path

Bernward Koch – Touched by Love


[1] Ulrich Schaffer, "Grundrechte – Ein Manifest", Kreuz Verlag, Stuttgart; S. 44, 16 Zeilen

[2] Diözese Linz, pdf abgerufen am 12.7.23

[3] Heiner Wilmer, "Gott ist nicht nett", Herder Verlag, Freiburg; S.71, 17 Zeilen

Über den Autor Norbert Cuypers

Norbert Cuypers, 1964 in Köln geboren, ist Mitglied der interkulturell aufgestellten Ordensgemeinschaft der Steyler Missionare (SVD). Sein Weg führte ihn im Laufe der Jahre unter anderem nach Papua Neuguinea und nach Österreich. Seit 2011 lebt und wirkt er wieder in Deutschland. Das Thema "Spiritualität" begleitet ihn seit Jahren: sei es als Exerzitienmeister, als Spiritual im Priesterseminar, oder auch als Leiter des deutschsprachigen Noviziats seines Ordens in Berlin. Derzeit lebt er als "Hüter der Stille" in einer Einsiedelei im Sauerland.

Kontakt: cuypi@gmx.de