Tod, Krankheit, das Scheitern von Beziehungen, beruflicher Verluste oder nur kleine Missgeschicke: In Momenten wie diesen tut Trost gut. Mal mag eine Umarmung oder ein Gespräch helfen, mal ist schweigendes Dasein und mal ein Gebet wohltuend.

Wir sind trostbedürftig – in allen Lebensaltern. Aber es gibt keine Technik des guten Tröstens. Wenn es gelingt, ist es ein Glück, ein Geschenk. Wie leicht es passieren kann, dass Trost missglückt, das verrät schon die Sprache: Niemand will gerne ein Trost-pflaster, und wer nur einen Trost-Preis bekommt, gehört eigentlich zu den Verlierern. Auf keinen Fall lassen wir uns gerne ver-trösten. Dann bleiben wir doch lieber un-tröstlich.
Eine schmerzliche Erinnerung aus meiner Kindheit hat für mich mit fehlendem Trost zu tun. Ein dummes Missgeschick war mir passiert: Der Inhalt einer Kaffeetasse schwappte über mein neues Sonntagskleid. Ich war sehr traurig, fühlte mich jedoch keineswegs schuldig. Es war eben passiert, wie das mit einem Missgeschick so ist. Für meine Mutter war es ein Grund, mich zu bestrafen.
Schlimmer als die Strafe war, dass ich mit dem Missgeschick allein blieb. Dadurch wurde es gewichtiger als es eigentlich war. Es hätte jemanden an meiner Seite gebraucht, der mit mir über das verhältnismäßig kleine Malheur hinausgeschaut und es in Relation zu etwas Größerem gesetzt hätte. Das hätte mich getröstet, auch wenn das Kleid dadurch seine Flecken nicht verloren hätte.
Der Schweizer Schriftsteller Peter Noll beschreibt treffend, dass wir gar nicht fassen können, was beim Trösten geschieht:
"Was heißt eigentlich trösten? Schon als Kind ist mir das nie ganz klargeworden. Ich hatte eine Beule, die Mutter tröstete mich, aber die Beule blieb!" [1]
Die Beule vergeht zum Glück irgendwann. Aber mancher Schmerz bleibt. Im schlimmsten Fall geht es um Tod und Trauer und darum, dass die Welt völlig aus den Fugen geraten ist. Wir brauchen Trost, weil das Leben so ist wie es ist und weil das Helfen allein nicht immer hilft und das Können manchmal am Ende ist. Beim Trost geht es um die Frage: Wie kann man angesichts von Leid, von Verlust und Schmerz weiterleben ohne zu verzweifeln? Eine hohe Kunst!
Der Heilige Geist ist ein Tröster
Vielleicht ist es mit dem Trost einfacher, wenn Menschen daran glauben können, dass es noch etwas anderes als das irdische Leben gibt. Nach dem Tod naher Angehöriger sagen viele:
"Wenn ich wenigstens glauben könnte, dass wir uns wiedersehen!"
Könnten wir über den Tod hinaus verbunden bleiben, wäre das tröstlich. Schon vor dem Tod miteinander darüber zu sprechen, wie man in Verbindung bleiben möchte, wäre hilfreich.
Jesus tut das mit seinen Jüngern in den Abschiedsreden, aufgeschrieben im Johannesevangelium. Darin sagt er ihnen seine Nähe, göttlichen Trost, den Beistand des Heiligen Geistes zu. Griechisch "Parakletos" heißt Beistand, Mutbringer. Es heißt auch Tröster – wie Martin Luther es übersetzt. Der Heilige Geist, wird die Jünger an alles erinnern, was Jesus gesagt hat (Joh 14,26). Indem sie so mit ihm verbunden sind, tröstet er sie.
Der Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti formuliert in einem Gedicht seine Suche nach dem göttlichen Tröster, weil er erfahren hat, dass Menschen von falschen Tröstern genarrt, jeder Tröstung misstrauen. Er bittet den Tröster, er möge doch aus dem Dunkel heraustreten.
"träte doch
aus seinem dunkel
der tröster
hinaus ins licht!
nicht bräuchte
sein kommen
sein antlitz
sichtbar zu werden
ein hauch
der berührte
ein wahrhaftiger
tonfall genügte
uns: die – von falschen
tröstern genarrt –
aller tröstung
misstrauen
uns: die – trostlos
lebend und sterbend –
einander nicht
zu trösten vermögen."[2]
Den von Jesus den Jüngern zugesagten Beistand und Tröster zu erfahren, ist auch für gläubige Menschen nicht selbstverständlich. Wie Kurt Marti können wir um diesen zarten und doch lebendigen Hauch des Trostes nur bitten. Aber viele Menschen haben zum Trost des Glaubens keinen Zugang mehr. Sie suchen lieber Hilfe bei Therapeuten und Ratgebern. Man will sich heute nicht von der Bibel und schon gar nicht von der Kirche trösten lassen.
Aber es gibt so wenig Alternativen und unsere Welt kann die Sehnsucht nach Trost weder beantworten noch beseitigen. Denn nicht immer lässt sich das Schlimme ändern oder therapieren. Wenn einer stirbt, der uns nahe ist – vor allem wenn es plötzlich geschieht oder der Betreffende noch sehr jung war, vielleicht sogar ein Kind – dann ist es schlimm und es bleibt schlimm, vielleicht für lange Zeit.
Trost finden in der Bibel
Für viele ist es ein Trost, in Kirchen, Synagogen, Moscheen und anderen heiligen Räumen dem Schmerz und der Trauer einen Ort zu geben – in Stille oder im Entzünden einer Kerze. Tröstlich ist der Beistand von geistlich erfahrenen Menschen, die Erzählräume schaffen, um über die Hoffnungslosigkeit sprechen zu können.
Tröstlich sind bewährte Rituale und Texte, in denen schon Generationen Trost gefunden haben. So beschreibt es der kanadische Philosoph Michael Ignatieff, der ein eindrückliches Buch "Über den Trost in dunklen Zeiten" geschrieben hat. Er machte an sich selbst die erstaunliche Erfahrung, dass ihn religiöse Texte tief ansprechen, obwohl er sich selbst als nicht-gläubig versteht. Alte Trost-Texte helfen ihm, Worte für das Unaussprechliche zu finden. Er nennt sie eine "zeitübergreifende Solidarität" – das für ihn Tröstlichste, was es an denkbaren Tröstungen geben kann.
Insbesondere die Psalmgebete der Bibel rühren Michael Ignatieff an. Sie wissen von existenziellen Ängsten und Einsamkeit und dem Bemühen, sich nicht unterkriegen zu lassen – wie es in einem meiner Lieblingspsalmen, dem Psalm 30, heißt:
"Ich will dich rühmen, Herr, denn du hast mich aus der Tiefe gezogen… Zu dir habe ich geschrien und du hast mich geheilt… Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt, mir das Trauergewand ausgezogen und mich mit Freude umgürtet…" (Psalm 30)
Die Bibel ist voller Texte, die um Trost flehen und die Enttäuschung über ausbleibenden Trost nicht verschweigen, wie es im Psalm 69 heißt:
"Umsonst habe ich auf Mitleid gewartet, auf einen Tröster, doch ich habe keinen gefunden."
Der biblische Glaube an einen gerechten und barmherzigen Gott ist erstaunlich offen für Zweifel, Angst, ja sogar für Wut über Gottes Unergründlichkeit. Wahrscheinlich sind die Psalmen gerade deshalb so tröstlich, weil sie enttäuschte Sehnsucht nach Trost benennen und auch das Klagen zulassen.
Die Bibel kennt die Enttäuschung über ausbleibenden Trost und anrührende Zusagen wie z.B. durch den Propheten Jesaja – tröstlich vertont in Georg Friedrich Händels Oratorium Messias:
"Tröste dich mein Volk…" (Jes 40,1-10)
Die Tröstung von Ijob
Ein Lehrstück über den Trost ist die biblische Ijobsgeschichte. Ijob hat alles verloren, was ihm wichtig war, Reichtum, Kinder. Einfach alles! Als frommer Mensch versucht er es zunächst mit spiritueller Selbsttröstung:
"Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der Name des Herrn." (Ijob 1,21)
Aber dieser Selbsttrost trägt nicht, denn es werden ihm immer neue Verluste zugemutet. Doch dann geschieht etwas Wunderbares: Drei Freunde kommen, die von Ijobs Verlusten gehört haben.
"Sie vereinbarten hinzugehen, um ihm ihre Teilnahme zu bezeigen und um ihn zu trösten. … Sie saßen bei ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und keiner sprach ein Wort zu ihm. Denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war." (Ijob 2,11 f)
Die Freunde tun zunächst etwas sehr Richtiges: Sie schweigen. Und setzen sich mit ihm auf den Boden, sie begeben sich mit ihm auf eine Ebene. Ihr Trost geschieht im Dasein. Eigentlich eine ideale Trostbegegnung. Doch dann wird aus der schweigenden Anteilnahme der Freunde der Versuch eines Trostgesprächs, in dem sie Ijobs Schicksal zu erklären versuchen. Nach siebentägigem Schweigen klagt Ijob Gott an. Es wäre ihm lieber, gar nicht erst geboren worden zu sein, als so leben zu müssen.
Weil Ijob an Gott zu zweifeln beginnt, suchen die frommen Freunde bei ihm nach einer Schuld für sein Elend. Es muss doch einen Grund geben, warum er so viel Schlimmes erlebt! An Gott kann es ihrer Meinung nach nicht liegen.
Tröstlich sind Freunde, die zuhören und Leid aushalten können, wie es Ijobs Freunde zunächst getan haben. Ohne kluge Sprüche. Der Theologe Fulbert Steffensky hat nach dem Tod seiner Frau Dorothee Sölle den Trost seiner Freunde so erfahren:
"Sie haben keine tröstenden Worte gefunden, sie waren da und sie haben sich von meinem Unglück nicht vertreiben lassen. Die Trauer wurde nicht gemildert, aber geteilt. Der Trost der Freunde war ihre Anwesenheit, keine klugen Worte und kein Versuch, mich aus meinem Abgrund zu retten."
Und auch das hat Steffensky erfahren: Es gab Zeiten, in denen er nicht getröstet werden wollte. Es gibt, so sagt er, ein Recht, zu bestimmten Zeiten untröstlich zu sein. Dieses Recht nimmt auch Ijob sich heraus. Und als er seine Not Gott entgegen schleudert, geschieht das Erstaunliche: Er macht eine tiefe Gotteserfahrung.
Er beginnt in der Begegnung mit Gott zu begreifen, dass sein kleines Schicksal aufgehoben ist in der Unfassbarkeit der Schöpfung Gottes und findet Trost. Ijob werden die Augen geöffnet für die Wunder der Welt. Am Ende des Gesprächs hat er Gott neu erfahren:
"Vom Hörensagen nur hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich geschaut",
heißt es da. (Ijob 42,5) Diesen großen Trost in der Schöpfung hat auch Fulbert Steffensky gefunden:
"Man könnte es einen objektiven Trost nennen, dass am Morgen die Sonne aufgeht und am Abend unter, dass die Vögel singen und der See sein Lächeln nicht verloren hat. Es sagt keiner den dummen Spruch: 'Das Leben geht weiter.' Aber man spürt es im Strahl der Sonne, im Spiel des Schattens und in der Farbe der Rose: Die Welt ist untergegangen, und sie ist nicht untergegangen. Das Leben macht keine dummen Sprüche. Es zeigt, dass es weitergeht."
Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat Martin Korden.
Musik:
Lachrimae – John Dowland
Eclipse – The Bottomline
Fritz Wunderlich – Händel, Messias: Tröste dich mein Volk
Eclipse – The Bottomline
Yanni – In the morning light
[1] Peter Noll: Diktate über Sterben & Tod. Mit der Totenrede von Max Frisch ’1984, S. 23.
[2] aus: kurt marti, gott gerneklein. gedichte. im radius-verlag, stuttgart 1995.