"Da gucken wir jetzt mal, wie man das aussoricht: 'De tudo um mundo para este lugar ...' "
Ein bisschen Übung braucht es noch, bis die Weltjugendtagshymne richtig sitzt. Aber auf Portugiesisch ist das ja auch nicht ganz so einfach, und: Noch ist ein bisschen Zeit zum Üben.
"Wollen wir mal aufstehen, sonst schlafen wir ein! ..."
Es ist Mai 2023: In Altenberg im Bergischen Land treffen sich rund 200 Jugendliche aus dem Erzbistum Köln. Sie alle werden Ende Juli gemeinsam nach Lissabon zum Weltjugendtag reisen, dem größten Treffen junger Katholiken weltweit.
Alle zwei bis drei Jahre findet dieses Treffen statt – jedes Mal in einem anderen Land. 2023 ist Portugal der Gastgeber. Für die Studentin Meike Peters steht schon lange fest: Da fährt sie wieder mit. Die 23-Jährige war schon 2016 beim Weltjugendtag in Krakau dabei:
"Ich fand das so cool, mit so vielen Jugendlichen zusammen zu sein, immer die Möglichkeit zu haben, mit anderen in Austausch zu kommen und zu singen. Einfach in der Straßenbahn ein Lied anzustimmen und alle singen mit, das war megacool."
Und für Philipp Mazur wird es der erste WJT, wie der Weltjugendtag abgekürzt wird:
"Ich wollte unbedingt die letzte Gelegenheit nutzen, so lange ich noch unter 30 bin, diese Erfahrung zu sammeln. Ich glaube, diese Masse an Leuten, dieses Gemeinsame im Glauben, kann durchaus neue Impulse für das eigene Leben geben."
Wie immer steht der Weltjugendtag unter einem Motto. Bei diesem lautet es: "Maria stand auf und machte sich eilig auf den Weg", ein Zitat aus dem Lukasevangelium der Bibel:
"Papst Franziskus hat jetzt immer marianische Mottos für den Weltjugendtag ausgesucht und hier geht es darum: Maria hat gerade die Verkündigung bekommen, dass sie die Mutter Jesu werden soll",
sagt Tobias Schwaderlapp, er ist Diözesanjugendseelsorger im Erzbistum Köln.
"Und in dieser Verkündigungsszene mit dem Engel auch gehört, dass ihre Cousine, Verwandte Elisabeth auch schwanger ist. Maria hört das, steht auf und macht sich eilig auf den Weg zu ihr, wahrscheinlich einerseits weil sie weiß, dass sie Hilfe braucht. Vielleicht aber auch, um mit ihr ihre Freude zu teilen, weil sie mit ihr nicht alleine bleiben wollte."
Der 40-jährige Schwaderlapp wird die Pilgertour der rund 400 Jugendlichen aus dem Erzbistum Köln leiten. Für den katholischen Priester sind solche Weltjugendtage auch immer eine gute Gelegenheit, sich mit dem eigenen Glauben auseinanderzusetzen und Menschen zu begegnen, die das teilen:
"Und damit hat Berufung für mich immer etwas zu tun mit meiner persönlichen Suche nach einem erfüllten Leben. Und ich glaube, da ist es total wichtig, dass wir merken, dass wir nicht alleine auf diesem Weg sind und dass wir uns gegenseitig begleiten."
Und am Ende dieses Vortreffens klappt es auch mit der Weltjugendtagshymne. Die lautet – in Anlehnung an das Motto – "Há Pressa no Ar", zu Deutsch: "Es liegt Eile in der Luft":
"Carissimi Giovani. Al termino dell’Anno Santo"
Der erste Weltjugendtag fand 1984 statt: Damals lud Papst Johannes Paul II. zum "Internationalen Jubiläum der Jugend" nach Rom ein. Eigentlich eine einmalige Veranstaltung – die aber für so große Begeisterung sorgte, dass sie zur festen Einrichtung wurde:
Der deutsche Kardinal Paul Josef Cordes war damals Vizepräsident des Päpstlichen Rates für die Laien und maßgeblich für die Organisation zuständig:
"Es hat mich so gefreut, dass Johannes Paul es verstanden hat, heute das Evangelium attraktiv zu machen. Mir scheint, dass in den Jugendtagen zum Ausdruck kommt: Das Evangelium ist nach wie vor eine Kraft. Zum Beispiel beim WJT in Manila später: vier Millionen Leute. Es hat noch nie vorher so ein großes Treffen gegeben von Menschen, die freiwillig zusammengekommen sind! Natürlich ist das die Faszination des Papstes gewesen, aber darüber hinaus auch die Kraft, die im Evangelium steckt, wenn sie von guten Menschen wirklich vermittelt wird."
Seit den 80er-Jahren finden alle zwei bis drei Jahre die Weltjugendtage statt. Auf allen Kontinenten waren sie bereits: In den USA, auf den Philippinen, in Australien, in Brasilien – und im Jahr 2005 stand Köln Kopf. Damals kam der frisch gewählte Papst Benedikt zu Besuch:
"Euch, liebe junge Menschen, kommt die Aufgabe zu, den universalen Atem der Kirche zu leben! Lasst euch vom Feuer des Geistes entflammen, damit ein neues Pfingsten bei uns einkehren und die Kirche erneuern kann. Der Herr segne diese Tage!"
Der heutige Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, war damals Generalsekretär des Weltjugendtages in Köln. Er erinnert sich bis heute an 2005 zurück. Und er wurde auch noch Jahre später bei Auslandsreisen darauf angesprochen:
"Und alle erzählten mir von einer großen Begeisterung, wie viel ihnen der Glaube bedeutet habe, wie sehr es ihnen ans Herz gegangen sei, wie gastfreundlich die Deutschen gewesen seien und wie lebendig sie die Kirche in Deutschland erlebt hatten. Ich glaube, diese Erfahrung in den Herzen von 1,2 Millionen jungen Menschen, die in Köln dabei waren, bleibt, auch wenn diese Menschen älter werden."
Wenige Wochen vor dem Beginn des Weltjugendtages 2023 ist im WJT-Büro auf dem ehemaligen Militärgelände im Nordosten Lissabons ordentlich was los: Überall sitzen junge Leute und arbeiten an ihren Laptops oder Handys. Einige haben ihre Schreibtische kurzerhand in den Innenhof getragen und konferieren dort unter ein Dach im Schatten, weil schon jetzt die Hitze so groß ist.
Hunderte Freiwillige aus Portugal und der ganzen Welt arbeiten dort. Sie organisieren Unterkünfte, übersetzen Texte, melden Pilger an und beantworten Fragen. Eine von ihnen ist Chiara Kollmeder aus München:
"Ich bin für die europäischen Bischofskonferenzen zuständig, meine Aufgabe ist es, mit ihnen in Kontakt zu stehen, die Fragen zu beantworten und immer mal wieder nach einem Update zu fragen, ob bei ihnen alles passt."
Seit vergangenem Herbst arbeitet Chiara als Langzeitfreiwillige. Kurz vorher hat sie ihr Abitur gemacht und da kam ihr dieser Auslandsaufenthalt ganz gelegen. Die Weltjugendtage hat sie schon in Sydney, Madrid und Krakau miterlebt:
"Die Faszination, dass so viele Menschen sich auf den Weg machen, hierherkommen und den gleichen Gott anbeten. Das kommt ja nicht von irgendwo her. Also, wenn sich hundert Leute irgendwo treffen, kann man sagen, das sind irgendwelche komischen Leute, die treffen sich halt. Aber wenn zwei Millionen junge Menschen hierherkommen, dann ist das etwas ganz anderes, dann muss da einfach irgendwas dahinterstecken."
Insgesamt 30.000 Freiwillige werden für die Weltjugendtagswoche im August gebraucht. Diese Zahl war einen Monat vorher noch lange nicht erreicht. Und auch, dass die meisten das ehrenamtlich neben ihrem Hauptjob machen, erschwert die Sache, sagt Teresa Bento, Social-Media-Verantwortliche beim WJT:
"Das ist wirklich eine Herausforderung, denn wir hängen davon ab, wie viel Zeit die Leute hier arbeiten können. Das wird wahrscheinlich das größte Event in der Geschichte Portugals. Darum brauchen wir ganz dringend mehr Freiwillige."
Deutsche Organisationsteams verzweifeln bisweilen an dem Hang der Portugiesen zu Spontaneität und Improvisation. Auch wenn wenige Wochen vor dem WJT noch nicht feststand, in welche Gastfamilien die jungen Pilger kommen und sich bis heute viele fragen, wie Lissabon eigentlich den Einfall von gut 1,5 Millionen Pilgern verkraften wird: Die Portugiesen kriegen das hin. Davon ist der Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinden in Portugal, Clemens Henkel, überzeugt:
"Die Stadt hat 8-900.000 Einwohner, da muss man gucken, was geht. Aber ich bin überzeugt, die werden das – wenn auch auf den letzten Drücker – schaffen."
Es hatte erhebliche Kritik im Vorfeld gegeben: Portugal leidet nach wie vor unter den Folgen der Wirtschafts- und Energiekrise. Hinzu kamen extreme Überschwemmungen und Waldbrände in den vergangenen Monaten. Viele finden da die Kosten von rund 160 Millionen Euro für den Weltjugendtag zu hoch. Allein die Altarbühne für die Abschlussmesse mit Papst Franziskus sollte zunächst 5 Millionen Euro kosten. Das kritisierten viele angesichts der Probleme, die Portugal hat:
"Das belastet die Bevölkerung sehr und da ist dann auch die Frage: Müssen das solche Millionenbeträge sein? Was ich schade finde, dass man nicht mehr hinterfragt hat, warum man das macht. Denn man wird diese Altarinsel brauchen, um das medial in das Land zu transportieren, weil nicht alle Weltjugendtagsteilnehmer dabei sein können."
Mittlerweile hat Portugals Regierung den Zuschuss für den Weltjugendtag gekürzt. Und die Papstbühne fällt deutlich kleiner und billiger aus. Doch grundsätzlich kostet so ein Großevent natürlich etwas, sagt der Weihbischof von Lissabon Américo Manuel Alves Aguiar. Er ist Präsident der Weltjugendtags-Stiftung Lissabon 2023:
"Der Weltjugendtag ist etwas Besonderes: Junge Menschen auf der ganzen Welt haben unter der Corona-Pandemie gelitten, zwei Jahre lang waren sie quasi eingesperrt. Jetzt wollen wir ihnen die Möglichkeit geben zu reisen und andere Jugendliche zu treffen. Aber das gibt es nicht umsonst. Darum spreche ich auch lieber von 'Investition' als von 'Ausgaben': Denn die Besucher werden hier auch Geld ausgeben für Unterkunft, Verpflegung oder Transport: Wir investieren in unser Land und in die Zukunft der Jugendlichen. Ich bin überzeugt, dass die Bilanz am Ende positiv sein wird."
Doch auch die Anmeldezahlen blieben bislang hinter den Erwartungen zurück. Aus Deutschland haben sich rund 8000 Jugendliche angemeldet. In Krakau 2016 waren es noch gut doppelt so viele. Der Osnabrücker Weihbischof Johannes Wübbe ist Jugendbischof der Deutschen Bischofskonferenz und erklärt das so:
"Ich denke schon, dass es noch etwas mit Corona zu tun hat: Die Jugendarbeit läuft erst wieder an. Dann liegt der letzte Weltjugendtag schon einige Jahre zurück, d.h. es gibt vielleicht auch nicht mehr so viele junge Menschen vor Ort, die sagen: 'Ey, ich habe das erlebt, da musst du auch mit.' Und auch die kritische Situation der Kirche in Deutschland mag den einen oder die andere davon abhalten, sich dafür anzumelden."
Nicht nur in Deutschland: Ausgerechnet im Gastgeberland Portugal war erst im Frühjahr eine Studie zu Missbrauch in der katholischen Kirche veröffentlich worden – doch eine finanzielle Entschädigung lehnt die portugiesische Bischofskonferenz ab. Das sorgt für Befremden, auch bei den Jugendlichen, sagt Wübbe:
"Sie sagen natürlich: 'Ihr verändert euch zu langsam.' Dann sagen sie: 'Das ganze Feld - Rolle der Frau, der Umgang mit Sexualität und natürlich auch diese hohe Zahl an Missbrauchsfällen und damit von Opfern – ', das macht sie schon sehr betroffen, dass sie sagen: 'Wie kann das passieren?' Und: 'Wir wollen noch glaubhafter sehen, dass Ihr da was tut. Dass sich das verändert.' Und andere sagen: 'Weil sich da nichts mehr ändert, kann ich da nicht mehr mitmachen.'"
Es geht nicht darum, die Krise der Kirche auszublenden, sondern – bei allen Missständen – zu zeigen, was Kirche auch ist und wieviel Positives von ihr ausgehen kann. Das findet zumindest Emilie Padula. Sie ist 16 und kommt aus Dresden. In einer Region, wo nur drei Prozent der Bevölkerung katholisch sind, muss sie oft erklären, was sie noch in der Kirche hält.
"Dadurch, dass man natürlich auch in Freundeskreisen ist, die gar nichts mit Gott zu tun haben. Die meisten interessieren sich erst einmal überhaupt nicht dafür und die anderen, die fragen: 'Warum?' Darauf antworte ich immer: 'Glaube ist so viel mehr als nur die Kirche.'"
Darum freut sie sich besonders darauf, in Lissabon endlich mal nicht in der Minderheit zu sein:
"Diese gleichen religiösen Interessen zu haben und von den anderen Glauben zu lernen. Und das in Lissabon, in der ganzen Stadt und mit so vielen Menschen, da hab ich eine Super-Vorfreude darauf. "
Und: Sie freut sich – wie die meisten Jugendlichen – auf den Papst. Höhepunkt ist für viele ist die Vigil – das Abendgebet am Samstag – bevor der Papst dann am Sonntag den großen Abschlussgottesdienst feiert.
2005 erleuchtete ein hunderttausendfaches Kerzenmeer das Marienfeld bei Köln. Auch der Kölner Jugendseelsorger Tobias Schwaderlapp war damals dabei. Er ist überzeugt: In Zeiten, in denen die Katholische Kirche in der Krise steckt, kann von einem Weltjugendtag ein positives Zeichen ausgehen:
"Was mir immer wieder auf meinem persönlichen Glaubens- und Berufungsweg weiterhilft ist das Bewusstsein, mit einer unendlich großen Anzahl von Leuten hier unterwegs zu sein. Und zwar: Aus der ganzen Welt. Nicht so jetzt ein Nischen-Dasein zu führen – hier in Deutschland und ansonsten dahinter existiert keine Welt – sondern zu erleben: Wir sind eine Weltkirche und jeder in seiner Art. Mit dem Facettenreichtum, den die Kulturen der Welt bereithalten. Da unterwegs zu sein, auf dem dann doch wieder jeweils persönlichen Lebensweg mit dem lieben Gott, ich glaube, das ist eine große Bestärkung, die habe ich auch immer so erlebt. "
Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat Martin Korden.
Musik:
Atmosphäre Singen Weltjugendtagshymne 2023: „Há Pressa no Ar“
Atmosphäre Vigil 2005: Jesus le Christ