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Entzauberer des Himmels: Zum 550. Geburtstag von Nikolaus Kopernikus

Feiertag, 19.02.2023

 Christian Feldmann

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Mit ihm begann die Neuzeit. Nikolaus Kopernikus stellte mit seinen Theorien das damalige Weltbild auf den Kopf. Nicht die Erde, behauptete er, ist der Mittelpunkt des Universums, sondern die Sonne.

Heute noch sehen die meisten in dem Astronomen Kopernikus den Prometheus der Wissenschaften, den tapferen Verfechter freier Forschung gegen blinde Autoritäten. Vielerorts wird immer wieder gerne die Mär erzählt, er wäre seiner Thesen wegen ein Gegenspieler der Katholischen Kirche gewesen, hätte ihre Lehre erschüttert. Wird es auch noch so gerne behauptet – es stimmt nicht. Nikolaus Kopernikus war nicht nur revolutionärer Astronom, er war auch Domherr des Fürstbistums Ermland.

Nach allen Zeugnissen, die uns vorliegen, verband dieses Multitalent die leidenschaftliche Liebe zur Wissenschaft mit einem demütigen Glauben an Gott. Er verehrte den Herrn des Kosmos nicht nur im fernen Himmel, sondern suchte ihn auch in seiner Schöpfung – und in der von Gott geschenkten menschlichen Vernunft.

Kopernikus – ein Revolutionär?

Seit Kopernikus "rollt der Mensch aus dem Zentrum heraus ins X". So formulierte es einst Friedrich Nietzsche war dieser Ansicht. Aber stimmt das denn? Kopernikus erkannte, dass die Sonne der Mittelpunkt der Welt ist und die Erde nur ein Planet unter vielen.

Schlug damit wirklich die Geburtsstunde des modernen Nihilismus? Kann sich der seiner Selbstüberschätzung beraubte Mensch jetzt nur noch als "Tier" fühlen, wie Nietzsche befürchtete? Oder wollte der Astronom und Domherr Kopernikus ganz im Gegenteil dem Menschen Würde und Selbstbewusstsein retten, indem er die menschliche Vernunft für fähig erklärte, die harmonische Struktur des Universums zu erkennen?

Dabei blieb Kopernikus so selbstkritisch, dass er zur Veröffentlichung seines Hauptwerkes genötigt werden musste. Aus lauter Angst, in seinen Berechnungen nicht genau genug gewesen zu sein, zögerte er die Publikation bis kurz vor seinem Tod hinaus. Wenn dieser Nikolaus Kopernikus tatsächlich ein Umstürzler und Revolutionär gewesen ist, dann ein höchst sympathischer, bedächtig, genau, tolerant und immer auf der Hut davor, sich selbst zu überschätzen.

Frühe Lehr- und Wanderjahre

Vor genau 550 Jahren, am 19. Februar 1473, wurde Kopernikus in der Han­delsstadt Thom an der Weichsel geboren. Preußen, Schle­sier und Polen streiten sich um die Ehre, den großen Astronomen als Lands­mann zu haben. Mikołaj Kopernik hieß er auf polnisch, später Nicolaus Copernicus auf Latein, wie es bei den Akademikern Sitte war.

Dabei wird leicht vergessen, dass Polen und Preußen da­mals etwas ganz anderes waren als in späteren Jahrhunderten. Sein Heimatort Thorn, die älteste Stadt Ostpreußens, hatte sich kurz zuvor nach kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Deutschherrenorden in den Schutz des polnischen Königs begeben und hieß jetzt Toruń.

Sicher ist nur, dass die Familie Kopernikus zur besseren Gesellschaft gehörte: Der Vater, ein wohlhabender Kaufmann aus Krakau, han­delte mit ungarischem Kupfer. Er starb, als Nikolaus zehn Jahre alt war. Der Junge wurde daraufhin zu seinem Onkel gegeben, einem einflussreichen Domherrn und Juristen.

Der Onkel schickte den hochbe­gabten Kaufmannssohn zum Studium nach Krakau. Hier lehrten die berühmtesten Astronomen, und es herrschte eine sehr liberale Atmosphäre, ohne Denkverbote.

„Ist das Weltall ewig?

– notierte sich der junge Kopernikus am Rand einer Lehrbuchseite. Der mittler­weile Fürstbischof gewordene Onkel verschaffte ihm seine einstige Domherrenstelle, doch Nikolaus reiste den langweiligen Aufgaben einfach davon – nach Italien, wo die Wissenschaften blühten.

In Bologna, dem Zentrum der inter­nationalen Rechtswissenschaft, stu­dierte er drei Jahre lang Jura. Und lernte den umstrittenen Astronomen Domenico Maria da Novara kennen, der die Be­wegungen der Fixsterne erforscht ha­ben wollte und bisherige Selbstverständlichkeiten in Zweifel zog.

In Rom beobachtete Kopernikus eine Mondfinsternis und hielt seine ersten Vorlesungen. In Padua eignete er sich ein profundes medizinisches Wissen an. Und in Ferrara legte er das Doktorexamen im Kirchenrecht ab.

Seine Leidenschaft blieb freilich eine nüchtern beobachtende, kritisch fragende Astronomie. Längst waren Kopernikus ernste Zweifel an den bisher eisern geltenden Grundlagen des astronomischen Weltbilds gekommen: die Erde als Mittel­punkt des Weltalls, um den sämtliche Planeten einschließlich der Sonne kreisen.

Und zwar auf ewig unveränderlichen Schleifenbahnen, konzentrisch ineinander geschachtelt. So hatten es der Mathematiker Ptolemäus und der Philosoph Aristoteles in Griechenland gelehrt. Aber zu groß waren die offensichtlichen Ungenauigkeiten in der Positionsbestimmung der Planeten.

Nach zwölf langen Lehr- und Wan­derjahren in die Heimat zurückgekehrt, übernahm Kopernikus endlich die für ihn reservierte Domherrenstelle im Fürstbistum Ermland.

Er wurde Leibarzt seines bischöflichen Onkels, nahm an Land- und Reichstagen teil, führte als Kanzler des Domkapitels einen aus­ufernden Briefwechsel, beaufsichtigte die kapiteleigene Kornmühle und das Brauhaus – und beobachtete nachts vom Eckturm der Domburg aus mit selbst konstruierten Instrumenten die Bahnen der Gestirne.

Kopernikus Geheimnis und sein Leben als Domherr

Seine zentrale Idee, erhärtet in zahl­losen Experimenten und Berechnun­gen, hielt Kopernikus lange geheim: Dabei war er überzeugt, dass die scheinbar so unerschütterlich in der Mitte des Universums feststehende Erde in ra­sender Bewegung um die Sonne läuft und sich zusätzlich noch um die eige­nen Achse dreht.

Die täglichen Umläu­fe der Himmelskörper, Sonnenaufgang und -untergang waren damit als Scheinbewegungen entlarvt, und da­rin lag das Umwälzende dieser Idee: Der Augenschein erwies sich als trü­gerisch, das sinnlich Erfahrbare als relativ.

Kein Wunder, dass der Domherr Kopernikus zögerte, mit seiner scheinbar verrückten Idee an die Öffentlichkeit zu gehen und sich lächerlich zu machen. Konnte nicht jeder vernünftige Mensch täglich beobachten, wie die Sonne über den Himmel lief und der Mond über der ruhig daliegenden Erde auf­ging? Hätten nicht schon längst die Häuser und Kathedralen einstürzen müssen, wäre die Erde wirklich in einer Drehbewegung begriffen?

Es sollte noch ein halbes Le­ben dauern, bis die breite Öffentlichkeit etwas von den Forschungen über die Bewegungen der Himmelskörper erfuhr. Vorerst quälte sich Kopernikus als Kapiteladministrator mit tausend kleinen und großen Nöten herum. Um mehr als 120 Bauerndörfer hatte er sich zu küm­mern. Von Hof zu Hof reitend, sorgte er für Saatgut und Vieh.

Er warb Siedler an, hielt Gericht, kaufte Pulver und Kanonen zur Verteidigung der Domburg – und organisierte den Kampf gegen die Söldnerbanden der Deutschordensritter, die im Ermland nach Herzenslust räuberten und brand­schatzten. Und so nebenbei betätigte er sich als erfolgreicher Arzt, naturheilkundlich orientiert, arme Patienten grundsätzlich ohne Honorar behandelnd.

Und immer wieder neue Experimen­te. Nacht für Nacht Beobachtungen am Sternenhimmel, Messungen und Be­rechnungen und tausend bei Kerzen­licht mit Zahlen und Figuren vollgekrit­zelte Zettel. Vor einer Veröffentlichung schreckte er immer noch zurück: Erst wenn die letzte Silbe und Ziffer in seinen Thesen durch ständig wiederholte Messungen hieb- und stichfest bewiesen war, hielt er das ganze System für publikations­reif.

Lediglich ein kleiner, verschworener Kreis von Freunden erhielt eine handschriftliche Kurzfassung seiner Theorien mit dem niedlichen Titel "Commentariolus", auf Deutsch Kommentarchen. Der Inhalt war deutlich genug:

„Die Erde ist nicht der Mittelpunkt der Welt, sondern nur der der Schwere und des Mondbahnkreises.
„Alle Bahnkreise umge­ben die Sonne, als stünde sie in der Mit­te (...). Alles, was an Bewegungen am Fixsternhimmel sichtbar wird, ist nicht von sich aus so, sondern von der Erde aus gesehen.

Eine weltverändernde Wahrheit

Heute spricht man vom "heliozentrischen Weltbild", im Unterschied zum "geozentrischen". Also: Zentrum des Kosmos ist nicht die Erde, sondern die Sonne. Was mittlerweile auch längst überholt ist. Wir wissen inzwischen, dass das ganze Sonnensystem nur ein winziges Teilchen in einem unvorstellbar großen Kosmos bildet, der keine erkennbare Mitte hat.

Damals zur Zeit des Kopernikus aber klang das alles ausgesprochen revolutionär: Die Himmelskörper bewegen sich um die Sonne. Auch die Erde bewegt sich im Lauf des Jahres auf einer kreisförmigen Bahn um die Sonne. Gleichzeitig dreht sie sich einmal am Tag um ihre eigene Achse. Die Rotation der Erdachse während eines Jahres ist dafür verantwortlich, wie wir die Bewegungen der Planeten wahrnehmen, nämlich im scheinbaren Wechsel von vorwärts und rückwärts. Verglichen mit dem Abstand der Erde von den Sternen, ist die Entfernung der Erde von der Sonne extrem gering.

Das unter der Hand weitergegebene Manuskript mit Kopernikus‘ Thesen konnte natürlich nicht geheim bleiben. In der Domburg fragte man sich schon lange, was der verschrobene Domherr und Gelehrte Kopernikus eigentlich trieb, wenn er sich tage- und nächtelang in seiner Sternwarte einschloss.

Hier wird schon deutlich, dass das verbreitete Klischee von der prinzipiell wissenschaftsfeindlichen mittelalterlichen Kirche nicht stimmt: Sie hatte zunächst einmal nichts gegen Astronomie und sogar Astrologie, stand doch im Schöpfungsbericht der Genesis zu lesen:

„Gott sprach: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen als Zeichen für Festzeiten, für Tage und Jahre dienen.

Kritik, Missgunst und Verdammungswünsche

Man brauchte die Astronomen für die Anfertigung genauer Kalender und für die Berechnung des jährlichen Osterdatums. Dem Domherrn Kopernikus hatten missgün­stige Kollegen im Domkapitel allerdings ketzerische Neigungen vorgeworfen, als er einmal mehrere Tage hinter­einander nicht zum Gottesdienst er­schien, weil eine seltene Konstellation am Sternenhimmel seine Aufmerksam­keit fesselte. Gott wünsche zwar das Gebet von seinen Dienern, hatte er da­mals geantwortet, aber er habe dafür keine bestimmten Stunden vorge­schrieben.

Doch nun wurde man auch anderswo auf den Querdenker von der Weichsel aufmerksam. Martin Luther, der cholerische Reformator, verdammte seinen Denkan­satz in Grund und Boden:

„Der Narr will die ganze Kunst Astronomie umkehren.
„Aber wie die Heilige Schrift anzeiget, so hieß Josua die Son­ne stillstehen, und nicht das Erdreich.

Ähnlich der Traditionalist Johannes Calvin drüben in Genf:

„Wer wird es wagen, die Autorität von Kopernikus über die des Heiligen Geistes zu stellen?

So Calvin in einem Kommentar zur biblischen Schöpfungsgeschichte. Der eher moderate unter den Protestanten, der differenziert urteilende Philipp Melanchthon fand die neuen Ideen offenbar nicht uninteressant, hielt es aber nicht für opportun, sie publik zu machen:

„Die Augen sind Zeugen, dass sich der Himmel in vierundzwanzig Stunden umdreht. Doch gewisse Leute haben entweder aus Neuerungssucht, oder um ihre Klugheit zu zeigen, geschlossen, dass sich die Erde bewegt. Sie behaupten, dass sich weder die achte Sphäre noch die Sonne dreht (…). Doch es zeigt einen Mangel an Ehre und Geschmack, solche Vorstellungen öffentlich zu äußern, das Beispiel ist gefährlich. Es ist Pflicht eines guten Christen, die Wahrheit, wie sie von Gott offenbart wurde, zu akzeptieren und auf sie zu vertrauen.

Unterstützung vom Papst, Ärger von den Universitäten

In­teressanterweise schienen Luthers römi­sche Kontrahenten der neuen Lehre nicht so abgeneigt. Papst Clemens VII. ließ sich Kopernikus' Gedankengänge von einem deutschen Gelehrten genau erklären, während er mit ihm in den Vatikanischen Gärten spazieren ging.

Ein Kurienkardinal namens Nikolaus von Schönberg bot dem ostpreußischen Astronomen sogar die Übernahme der Druckkosten für sein geheimnisvolles Werk an. Als Kopernikus die „sechs Bücher über die Kreisbewegungen der Himmelskörper, "De revolutionibus orbium caelestium", 1543 endlich publizierte, waren sie einem Papst gewidmet, Paul III.

Doch bitter enttäuscht musste der Autor erfahren, dass sein Buch mit sinnentstellenden Änderun­gen versehen worden war. Es handle sich nur um Hypothesen, stand in einem Vorwort, das scheinbar von Kopernikus selbst stammte, in Wirklichkeit aber von dem Wittenberger Theologen Andreas Osiander verfasst worden war, einem Freund von Luther und Melanchthon.

Zum Glück bekam Kopernikus erst auf dem Sterbebett, als er bereits Ge­dächtnis und Fassungskraft verloren hatte, ein Exemplar seines Buches in die Hand.

Er berührte das Buch kurz, in ei­nem Anflug von glückli­chem Staunen. Tags darauf, am 24. Mai 1543, ging er hinüber in die Welt Gottes, über deren Wunder er ein Leben lang nachge­dacht hatte.

„Heiliger Vater! Es werden gewisse Leute, sobald sie vernehmen, dass ich der Erdkugel ge­wisse Bewegungen zuschreibe, sofort ausrufen, eine solche Lehre sei durch­aus verwerflich.

So hatte Kopernikus prophetisch gewarnt, in seiner Wid­mung an den Papst. Doch siehe da, der erwartete wütende Widerstand gegen die neuen Ideen kam zunächst nicht von der römischen Kirchenzentrale, sondern von den konservativen Lehr­stuhlinhabern an den Universitäten.

Die Hochschulen in Zürich und Rostock verdammten das Buch, auch die Pari­ser Sorbonne und die Universität Tü­bingen – während Papst Paul III. und zwölf seiner Nachfolger kein Wort zu Kopernikus sagten.

Erst der dreizehnte ließ sein Werk 1616 auf den Index setzen. Als Arbeitshypothese durfte das kopernika­nische System jedoch weiterverwendet werden, was zum Beispiel im römischen Jesuitenkolleg noch geschah, als Gali­lei schon lange verurteilt war.

Ein gottesfürchtiger "Erzketzer"

Die Einzelheiten über Mondphasen und Planetenbahnen interessierten die Kirche dabei wenig. Ihr kam es auf die Stellung des Menschen im Kosmos an. Als Bewohner einer in sich ruhenden Erde, einzigartig und gleich weit ent­fernt von kosmischen Harmonien wie von der göttlichen Sphäre, konnte sich der Mensch – so dachte man – als erlösungsbedürftig und dann auch als glücklich erlöst erfahren. Doch wie sah es damit aus, wenn diese Erde bloß ein Planet unter an­deren, möglicherweise ebenfalls be­wohnten Himmelskörpern war?

Hätte man sich nicht auf dieses einzige Denk­modell versteift, hätte man außerdem die unterschiedlichen Bedeutungsebe­nen – Wissenschaft und Glauben, Naturforschung und Bibel – sauber ge­trennt, dann wäre man um den tragischen Bruch vielleicht herumgekommen.

Doch vor al­lem seit der Weiterentwicklung seiner Lehre durch Kepler, Giordano Bruno, Galilei und Newton galt jener kindlich fromme Domherr Kopernikus als Erzketzer, der seine Freude an der Astronomie immer als Kompliment an den Schöpfergott verstanden hatte.

„Was gibt es wohl Schöneres als den Himmel, der ja alles Schöne umfasst?

– schwärmte Kopernikus in der Vorrede zu seinen „Revolutiones“.

„Den Himmel haben sehr viele Philosophen wegen seiner hehren Erhabenheit den sichtbaren Gott genannt (...). Denn wer sollte nicht, indem er sich anhaltend mit dem Weltall beschäftigt, das so offen­kundig in schönster Ordnung aufge­stellt ist und durch göttliche Weisheit geleitet wird (...), zu allem Guten angetrieben und zur Bewunderung des Bau­meisters geführt werden, der alles ge­schaffen hat, in dem die höchste Glück­seligkeit ist, in dem alles Gute gipfelt?

Ausgerechnet dieser bedächtige, fel­senfest an einen liebevollen Schöpfer­gott glaubende Gelehrte hätte die Menschheit um ihren Himmel bringen wollen, wie es dreihundert Jahre später Ludwig Feuerbach formulierte? Blieb dem Menschen jetzt tatsächlich nichts anderes übrig, als sich radikal verlassen zu fühlen, aus dem Mittelpunkt der Welt irgendwohin an den Rand eines fremden Universums verbannt?

Denken und forschen wie Kopernikus

Vielleicht kann man es auch ganz an­ders sehen. Wird die Liebe des Schöpfers denn dadurch entwertet, dass sie dem ganzen Weltall und möglicherweise auch anderen Kosmosbewohnern gehört, nicht bloß den Erdlingen? Bringt die Integration der einst einsam in sich ru­henden Erde in das kosmische Gefüge den Menschen und seine Welt nicht sogar Gott näher? Kann der Mensch nicht stolz darauf sein, zu so einem wunderbaren, unendli­chen Universum zu gehören?

Die Rückbesinnung auf das, was Kopernikus wirklich wollte, führt unweigerlich zu jenen Fragen, die von der zeitgenössischen Naturwissen­schaft gern ausgeblendet werden: Welches Verhältnis hat der Mensch zum Kosmos? Was bedeutet es für uns, wenn auch andere Gestirne be­wohnt sein sollten? Ist der Kosmos unendlich? Wenn ja, welche Funktion hat darin Gott? Hat die Welt einen Sinn?

Mit physikalischen Formeln allein ist das ganze Wesen der Wirklichkeit gewiss nicht in den Griff zu bekommen. Und jemand, der über die Spielregeln des Kosmos Bescheid weiß, kennt dar­um noch lange nicht den Sinn des Ganzen. Nach Hiroshima und Tschernobyl und ange­sichts der Angst vor dem geklonten Menschen ist der ausschließlich naturwissenschaftlich-technische Zugang zur Welt enorm fragwürdig geworden.

Wenn die Christen hier mit ihren alter­nativen Denkmodellen gehört werden wollen, müssen sie sich freilich darum bemühen, die Kluft zwischen moderner Naturwissenschaft und Kirche zu über­brücken. Dazu gehört ein ganz neues Nachdenken über das Eingebundensein des Menschen in die Natur, biologisch, sozial, kulturell. Nicht nur in der Kirche haben viele davor Angst.

Vor wenigen Jahren wurden in Deutschland Wissenschaftler, Wirtschaftsexperten und gesellschaftliche Organisationen gefragt, welche Forschungsthemen zentral für eine saubere und bezahlbare Energiewende seien. Seither arbeiten Dutzende von Forscherteams an der Umwandlung von erneuerbar erzeugtem Strom in Gase, Kraftstoffe, Chemikalien, an der Veränderung bisheriger energieintensiver Industrieprozesse, an den notwendigen politischen Maßnahmen. Allen diesen Prozessen hat man einen gemeinsamen Namen gegeben: "Kopernikus-Projekte".


Die redaktionelle Verantwortung für diese Sendung hat Martin Korden.

Musik:

John Rutter – A Choral "Amen"

Dvorak – Piano Concerto in G-Minor

Paul Haslinger – Suspended Memories

Gabriel Prokofiev – Spheres

George Fenton – The Journey of The Sun

Capella Gregoriana – Ecce Lignum

W.A. Mozart – Requiem. Lacrimosa

George Fenton – The Choice is Ours

George Fenton – Mother And Calf

Über den Autor Christian Feldmann

Christian Feldmann, Theologe, Buch- und Rundfunkautor, wurde 1950 in Regensburg geboren, wo er Theologie (u. a. bei Joseph Ratzinger) und Soziologie studierte. Zunächst arbeitete er als freier Journalist und Korrespondent,  u. a. für die Süddeutsche Zeitung. Er produzierte zahlreiche Features für Rundfunkanstalten in Deutschland und der Schweiz und arbeitete am „Credo“-Projekt des Bayerischen Fernsehens mit. In letzter Zeit befasste er sich mit religionswissenschaftlichen und zeitgeschichtlichen Themen in der Sparte „radioWissen“ beim Bayerischen Rundfunk. Zudem hat er über 50 Bücher publiziert. Dabei portraitiert er besonders gern klassische Heilige und fromme Querköpfe aus Christentum und Judentum. Feldmann lebt und arbeitet in Regensburg.