"Also die Erfahrungen sind insgesamt sehr positiv. Das neue Gotteslob wird gut angenommen. Ganz besonders von den Musikschaffenden und von den Gemeinden, wenn es das Singen betrifft. Also, die haben was Gutes gemacht damals."
"Meine Erfahrungen sind, dass es durchaus rezipiert wurde – in dem Punkt, dass es neue Lieder gab, die sehr gerne wieder gesungen werden, die wieder gut angenommen werden."
"Es spricht mich ästhetisch an. Es sind schöne alte Lieder drin. Aber auch neue Lieder. Und ich bin ganz zufrieden mit dem neuen Gotteslob."
Drei Stimmen zum neuen Gotteslob. Gemeint ist das Gotteslob 2013, kurz auch "GL 2" genannt. Der Titel "Gotteslob" verbindet es mit dem gleichnamigen Vorgänger aus dem Jahr 1975, dem ersten Einheitsgesangbuch für den katholischen Gottesdienst – für alle Diözesen und Gemeinden deutscher Sprache außerhalb der Schweiz. Offiziell wurde das neue Gotteslob, diese vollständige Neuerstellung, in diesen Tagen vor zehn Jahren eingeführt – am ersten Advent 2013 zu Beginn des neuen Kirchenjahres.
Seinerzeit war für die Menschen in den Gemeinden die vordringliche Frage: Welche Lieder beinhaltet das neue Gotteslob? Werden Liedrufe aus Taizé abgedruckt? Welche Lieder fallen weg, welche kommen neu hinzu? Georg Bergner, Propst der katholischen Pfarrei St. Anna in Schwerin:
"Von den neuen gibt es, also ich würde sagen, zwei Kategorien: Einmal die alten neuen, also dass die alten, schönen Marienlieder wieder drin sind, ja oder dass der Eingangschoral der Schubert-Messe drin ist (…). Das ist bei einigen sehr beliebt. Und das andere: Bei den neuen ist auch das eine oder andere schöne dabei, zum Beispiel haben wir dieses Adventslied 233 'O Herr, wenn du kommst'. Das wird sehr gerne und rauf und runter gesungen."
"O Herr, wenn du kommst, wird die Welt wieder neu,
denn heute schon baust du dein Reich unter uns,
und darum erheben wir froh unser Haupt.
O Herr, wir warten auf dich.
O Herr, wir warten auf dich."
"Ich kann mir vorstellen, dass diejenigen, die das neue Gotteslob zusammengestellt haben, dass da Vertreter – sagen wir mal – aller Richtungen waren. Ich erlebe es so in meiner gottesdienstlichen Praxis, dass die sogenannte 4er-Serie eigentlich die beliebteste bei den Menschen ist, also alle die 400er-Lieder. Die sind am modernsten und gleichzeitig eben auch von der gesanglichen Sprache her am verständlichsten."
Pater Ralf Winterberg, Urlaubsseelsorger an der Ostseeküste zwischen Grömitz und Dahme.
Klassiker aus Psalmen und eine Melodie aus Lettland
Bei den 400er-Liedern findet man zum einen Klassiker wie etwa "Nun danket all und bringet Ehr", zum anderen so manchen Lieder-Trüffel, den es noch intensiver zu verkosten gilt. Nur ein Beispiel, hier: die Nummer 438. Die folgenden Anfangsverse von Psalm 137 standen Pate bei der Textfassung von "Wir, an Babels fremden Ufern".
"An den Strömen von Babel,
da saßen wir und wir weinten, *
wenn wir Zions gedachten.
An die Weiden in seiner Mitte *
hängten wir unsere Leiern.
Denn dort verlangten, die uns gefangen hielten, Lieder von uns, /
unsere Peiniger forderten Jubel: *
Singt für uns eines der Lieder Zions!"
"Wir, an Babels fremden Ufern, weit entfernt vom Heimatland,
legen unsre Instrumente still und traurig aus der Hand."
Liest man im Gotteslob das Kleingedruckte unter dem Lied, erkennt man: Die Melodie stammt aus Lettland, der Liedtext vom Dominikanerpater Diethard Zils. Vier Strophen lang folgt das Psalmlied der Vorlage aus dem Alten Testament und macht dann "eine entscheidende Wendung". Denn in der Schlussstrophe lenkt das Lied den Blick auf das Kreuz Jesu und verbindet die österliche Erzählung mit der Rettungserfahrung Israels, dem Auszug aus Ägypten.
"Jesu Kreuz sei meine Hoffnung gegen jede Tyrannei,
und durch seine Auferstehung ziehn wir aus der Sklaverei."
Für den Berliner Kirchenmusiker Jacobus Gladziwa hat so das Gottesloblied "Wir, an Babels fremden Ufern" eine ganz besondere Bedeutung bekommen:
"Als der Krieg in der Ukraine anfing, habe ich überlegt: Was kann man dagegensetzen? Und dann habe ich die Texte des Gotteslob ein bisschen durchforstet und bin auf dieses Lied gestoßen. Und am Ende steht die Strophe 'Jesu Kreuz sei unsere Hoffnung gegen jede Tyrannei'. Und das ist eine besondere Aussage, die in der Zeit häufig als Schlusslied kam bei uns in der Gemeinde, dass wir ganz klar gegen Tyrannei einstehen als Kirche."
Taizé-Gesang und ostkirchlicher Klang
"Confitemini Domino, quoniam bonus. Confitemini Domino, Alleluia."
Confitemini Domino, zu deutsch: Danket Gott. Dieser Taizé-Gesang wird hier vom Berliner Frauenchor CantArte vorgetragen, zweistimmig. Im Gotteslob ist ein vierstimmiger Satz notiert von Jacques Berthier, dem Schöpfer so vieler Melodien für die Gottesdienste der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé. Seit mehr als fünfzig Jahren finden Taizé-Lieder ihren Weg von Burgund aus in alle Welt. War im alten Gotteslob nicht eines abgedruckt, so stößt man im Stammteil des neuen Gotteslob nunmehr auf siebzehn meist mehrstimmige Gesänge.
Den Liedruf "Confitemini Domino" findet man in der Rubrik "Die Tagzeitenliturgie", konkret unter der Nummer 618 mit der Überschrift "Morgenlob". Hier dient der Taizé-Gesang als Antiphon, als Psalmvers vor dem direkt folgenden Psalm 63: "Gott, du mein Gott, dich suche ich".
Das Besondere, das Neue: Für den Gesang des Psalms ist hier keiner der üblichen Psalmtöne notiert, keine der Melodien, die traditionell mit den Sprachrhytmen der uralten Gebete verbunden sind. Stattdessen findet man eine ganz einfache Melodie, die mit drei Tönen auskommt. Der hat man wenige weitere Töne unterlegt, so dass in der Gemeinde beim Miteinander-Singen der Eindruck entstehen kann, man wohne einer ostkirchlichen Liturgie bei.
"Alleluja.
Gott, du mein Gott, die ich suche ich, *
meine Seele dürstet nach dir.
Nach dir schmachtet mein Leib *
wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser.
Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum, *
um deine Macht und Herrlichkeit zu sehen.
Denn deine Huld ist besser als das Leben;
darum preisen dich meine Lippen."
Bilder im Gotteslob: Drei Mal in Farbe
Etwas völlig Neues im Gotteslob aus dem Jahr 2013 ist dessen künstlerische Gestaltung durch Bilder und Zeichnungen. Wer die mehr als tausend Seiten durchblättert, stößt ziemlich schnell auf zwei, oft drei Farbtafeln. Die erste eröffnet das Gesang- und Gebetbuch; sie zeigt einen Ausschnitt aus dem Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle von Michelangelo Buonarotti – mit dem Titel "Erschaffung des Adam".
Zu sehen ist das bekannte Motiv der zwei ausgestreckten Hände. Die rechte strebt auf die linke zu. Eine programmatische Bildwahl, denn sie verdeutlicht: Gott geht auf den Menschen, hier: Auf Adam, zu – und alles Beten, oft auch Singen von Menschen, ist Antwort auf diesen immer ersten Schritt Gottes, der jedem Menschen gilt.
Die zweite farbliche Abbildung findet man in der Mitte des Buches, innerhalb der Texte und Gesänge für die Feier der heiligen Messe. Zu sehen ist das Gesicht des gekreuzigten Christus. Es handelt sich um eine Darstellung aus dem 12. Jahrhundert. Auch hier wurde das Farbbild bewusst platziert, betet die versammelte Gemeinde doch in jeder Eucharistiefeier:
"Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit."
In vielen, aber nicht allen Ausgaben des Gotteslob markiert schließlich ein drittes Farbbild den Beginn des jeweiligen Eigenteils der Bistümer. Vor dem Regensburger Anhang etwa findet man ein Foto der gesamten Westfassade des Regensburger Doms; den Eingang zum Kölner Anhang schmückt ein Farbfoto von Stefan Lochners Gemälde "Madonna mit dem Veilchen", das sich im Kölner Diözesanmuseum Kolumba befindet.
Abstrakte Zeichnungen, minimalistisch und modern
Neben diesen klassischen Motiven findet man im neuen Gotteslob immer wieder auch abstrakt anmutende, minimalistisch gehaltene Zeichnungen. Wie ist die Resonanz nach zehn Jahren? Einige Stimmen aus der Praxis:
"Ja, die Zeichnungen im neuen Gotteslob sind gewöhnungsbedürftig."
"Es ist natürlich klar, die sind auch dafür da, um leeren Raum zu vermeiden, der sich durch den Drucksatz auch dann mal ergibt."
"Es gibt so kleinere Zeichnungen, wo ich sage: 'Ja, könnte mein Geschmack sein, könnte man darüber nachdenken.'"
"Ich finde diese Zeichnungen sehr gelungen, ich mag diesen puristischen, minimalistischen Stil vieler Zeichnungen, hab damit aber tatsächlich auch in den gemeindlichen Kontexten fast noch nie gearbeitet. Das ist aber wirklich ein Versuch, das Gotteslob nochmal mehr in den Blick zu rücken und in den nächsten zehn Jahren des Gotteslobes diese Zeichnungen wirklich mal zu nutzen."
Bei der Gestaltung des neuen Gotteslob war von Beginn an klar: Mit Bildmotiven sollte ein optischer Schwerpunkt gesetzt, aber keine Ansammlung bekannter Bildwerke abgedruckt werden. Friedhelm Hofmann war vor zehn Jahren noch Bischof von Würzburg und damals Vorsitzender der Unterkommission "Gemeinsames Gebet- und Gesangbuch" in der Deutschen Bischofskonferenz. Als promovierter Kunsthistoriker war er die treibende Kraft für die Anreicherung des Gotteslob mit Bildmotiven. Er schreibt im Rückblick:
"Angeregt wurde ich vor Jahren durch den Austausch mit kulturellen Vertretern der Kirche in Frankreich. Dort waren Ende der achtziger Jahre liturgische Bücher herausgebracht worden, die durch ihre ungewöhnliche grafische Gestaltung auffielen. Zu sehen waren zum Beispiel kleine Kohlestift- und Pinselzeichnungen. Mal war es nur ein senkrechter Strich – mal vibrierende breite Linien, die wie Zypressen einen Wegesrand säumen oder die Assoziation an menschliche Gestalten aufrufen."
Das Kreuz des Gotteslobs: Dreifaltigkeit
Mit Blick auf das neue Gotteslob fiel die Wahl auf die 1950 geborene Künstlerin Monika Bartholomé, die sich dem Medium Zeichnung verschrieben hat. Es war eine mutige Wahl, denn bis dahin lagen noch keine Werke zur Auswahl für das Gotteslob vor. Sie schreibt:
"Die Zeichnungen möchten Räume schaffen, Denk- und Empfindungsräume, und sie möchten kommunizieren. Kommunizieren heißt auf der dritten Ebene, der wortlosen Ebene der Bilder sprechen. Diese Sprache entzieht sich der Eindeutigkeit, die Zeichnungen zeigen nicht auf den Text und sagen, so möchte ich gelesen werden."
Monika Bartholomés Zeichnungen im neuen Gotteslob eröffnen Zwischenräume für Fantasie und Spiritualität. Zur Überprüfung nehme man ein Exemplar des Gebet- und Gesangbuchs zur Hand. Bereits auf dessen grauem oder farbigem Deckel findet man den Abdruck einer Zeichnung der Kölner Künstlerin.
Aus drei gebogenen Linien formiert sich da eine Gestalt mit ausgebreiteten Armen. Drei Schwingen fügen sich zu einer Kreuzform zusammen. Über dieses Kreuzmotiv hinaus wird durch die Anordnung der drei Linien fast unmerklich auf die göttliche Dreifaltigkeit verwiesen, auf Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Zugegeben: Die Zeichnungen im neuen Gotteslob sprechen keineswegs jede und jeden an, sind und bleiben für viele gewöhnungsbedürftig. Wie auch immer: Die Bildmotive eröffnen Neuland. Denn bislang beschränkten sich Gesangbücher – ob katholisch oder evangelisch – auf Noten und Texte.
Kurze Texte und Erklärungen: Theologie zusammengefasst
Bleibt zu ergänzen: Bei den Texten im Gotteslob wird man nicht nur auf Liedtexte und Gebete stoßen sondern zum Beispiel auch auf Kurzerklärungen zu den Festkreisen im Kirchenjahr. Claudia Schäble, Personalchefin im Bistum Eichstätt, gesteht:
"Ganz ehrlich, ich nutze es auch, wenn die Predigten zu langweilig sind, und blättere ein bisschen drin rum. Es gibt sehr, sehr schöne Zitate, die zwischen den Liedern immer so eingeflochten sind, und die sind für ich mehr als nur Lückenfüller."
"Ich finde tatsächlich, dass jenseits der Bilder, die da drin immer wieder zu finden sind, diese kleinen Zitate, die an unterschiedlichen Stellen angebracht sind, immer wieder dazu einladen, sich Gedanken selber zu machen, weil sie überraschend kommen und nicht erwartbar sind."
Julia Kühling ist Gemeindereferentin in der Pfarreiengemeinschaft Ostercappeln. Auch sie schätzt die kurzen, hier und da eingestreuten theologischen Kurzgedanken im neuen Gotteslob. Die stammen unter anderem aus der Bibel oder von Kirchenlehrerinnen. Folgendes Zitat stammt von Karl Rahner, dem großen Theologen, der 1984 verstarb:
"Glauben heißt, die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang aushalten."
"Dieser Tag ist Christus eigen,
und das erste Morgenlicht
will von seinem Leben zeugen,
dass die Todesnacht durchbricht.
Wenn wir sein Gedächtnis feiern... "
Noch immer gibt es viel Neues zu entdecken
Am Sonntag greifen viele Gläubige zum Gotteslob. Denn dann sind noch je nach Region bis zu zehn Prozent der Katholikinnen und Katholiken in Gottesdiensten versammelt. Eigens für diesen Tag, für das wöchentlich gefeierte Osterfest, hat Peter Gerloff, Priester im Bistum Hildesheim, eine kleine Theologie des Sonntags in poetische Worte gefasst. Die findet man unter der Nummer 103. Der gesamte Liedtext beginnt ursprünglich wie folgt:
"Unterbrich den Lärm der Tage,
Gott, mit deiner Melodie.
Stelle unsre Zeit infrage,
fülle und verwandle sie!
Öffne uns den Blick ins Weite,
der von Zwang und Hast befreit.
Zeig uns die verborgene Seite
deiner einen Wirklichkeit."
"Segne, Herr, den Tag der Tage,
dass die Welt dein Kommen spürt.
Löse Mühsal, Streit und Plage,
dass für alle Sonntag wird!"
Das war die dritte und letzte Strophe vom exklusiven Sonntagslied, noch ein Trüffel, eine weitere Perle aus der Schatztruhe Gotteslob. Man darf festhalten: Den vielen Verantwortlichen ist mit dem neuen Gotteslob aus dem Jahr 2013 ein großer Wurf gelungen. Das katholische Gebet- und Gesangbuch beinhaltet vielfältige Schätze, und nicht wenigen Gemeinden steht – mit Blick auf Lieder, aber auch im Hinblick auf Gebete und Zeichnungen – noch so manche Entdeckung, die eine und andere Trüffelverkostung bevor.
"Gotteslob" – ein Gott liebendes Leben
Dennoch sollte man gerade in unserer schnelllebigen Zeit auf eine Neuauflage, auf ein Gotteslob 3.0 [dreipunktnull], nicht wieder mehr als 35 Jahre warten müssen. Wie auch immer man dann die Liedauswahl treffen, Gebete ergänzen, das gesamte Buch strukturieren und mit Bildmotiven anreichern mag: Der Name "Gotteslob" hat sich bewährt, steht für die nächste Ausgabe bereits fest.
Das unterstreicht im aktuellen Gotteslob ein neues Lied mit dem programmatischen Titel "Gott loben in der Stille", Nummer 399. Die Melodie stammt aus Finnland, der deutsche Text vom baptistischen Pastor Günter Balders. Mit vier Strophen umkreist der Kirchenhistoriker und Hymnologe die Hingabe des Menschen an den liebenden Gott – und kulminiert am Ende in der Aussage: Ein Gott liebendes Leben ist Gotteslob. Der Theologe und Kirchenmusiker Michael Pfeifer schreibt zu den ersten Worten des Liedtextes:
"Gott offenbart sich schon Elija nicht im Spektakulären, nicht in Sturm, Erdbeben oder Feuer, sondern in der Stille. Wer sich Gott nähern will, muss zuerst selbst still werden."
"Gott loben in der Stille:
mit Schweigen beten zu jeder Zeit,
bis er die Stimme zum Lob befreit.
Gott loben in der Stille."
Während die erste [Strophe] den scheinbaren Widerspruch von Lobgesang und Stille, von Gebetsworten und Schweigen eröffnet, bündelt die vierte Strophe die Antworten, die die beiden mittleren Strophen anbieten: Ein Gott liebendes Leben ist [Gotteslob, ist] der wahre Lobgesang.
"Gott loben in der Stille.
Gott lieben, liebt er doch immer fort.
Gott leben, handeln nach seinem Wort.
Gott loben in der Stille."
Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat Martin Korden.