Wenn Christen von Ostern sprechen, worauf kommt es dann an? Auf die Auferstehung. Dass Jesus nicht im Tod geblieben ist, sondern weitergelebt hat. Die Geschichten und Berichte, die es dazu in der Bibel gibt, sind aber durchaus nicht gleich. Eine ist unerwartet anders. Sie findet sich am Ende des Evangeliums, das Markus verfasst hat. Bei den anderen wird berichtet, wie Jesus nach seinem Tod den Jüngern erschienen ist, dass er Frieden wünscht und wie sie anderen davon erzählen – glücklich, voller Zuversicht.
Anders bei Markus. Er endet, wie man es eher nicht erwarten würde. Die Frauen, die den Leichnam Jesu salben wollen, finden zwar auch das Grab leer und einen himmlischen Boten, der zu ihnen von der Auferstehung ihres Freundes spricht, aber ganz am Schluss seines Textes heißt es: "Da verließen die Frauen das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemand etwas davon; denn sie fürchteten sich." (Mk 16,8) Entsetzen darüber, was sie sehen und nicht sehen. Und dann weglaufen aus Angst und großer Verunsicherung, wie sie das alles deuten sollen. So endet die Ostererfahrung bei Markus.
Wenn Sie jetzt die Bibel in die Hand nehmen und das Ende des Markusevangeliums aufschlagen, werden Sie schnell bemerken, dass das gar nicht der Schluss ist, der dort steht. Sie finden danach noch einen letzten Abschnitt, der eher eine "fromme Sauce" über die so heftige Erfahrung der Frauen am leeren Grab kippt. Allerdings stammt dieser letzte Abschnitt nicht von Markus sondern wurde später von Christen ergänzt, die offenbar nicht aushalten konnten, dass die Frauen am Grab so radikal erschüttert waren.
Das ist aber noch nicht alles, was Markus widerfahren ist. Sein Evangelium gehört natürlich zum Bestand der katholischen Liturgie an Ostern. Aber wenn der Text vorgelesen wird, fehlt in den offiziellen Büchern jener letzte erschütternde Vers. Was ist da nur los? Warum will offenbar keiner aushalten, dass Ostern nicht harmlos ist, sondern einen aufrüttelt – weil die Auferstehung kein Zauber ist sondern eine existentielle Erfahrung.
Ich hatte in der letzten Zeit etliche schwierige Beerdigungen. Ein Freund, der tot am Schreibtisch gefunden wird. Ein junger Vater, der mit einem Hirntumor kämpft, und verliert. Ein Klassenkamerad mit plötzlichem Herzstillstand. Der Tod ist für mich immer der Ernstfall, um mich zu prüfen, wie es mit meinem Glauben an die Auferstehung aussieht.
Da bewahrheitet sich, wovon ich wirklich überzeugt bin, weil ich es dann ja bei der Predigt anlässlich der Beerdigung aussprechen muss. Es nützt dann nichts, wenn ich nur vom Paradies, vom Wiedersehen bei Gott und dem ewigen Leben spreche. So schnell geht das nicht. Und für mich ist das auch nicht Ostern. Die Auferstehung bleibt zwar der Hintergrund meiner Hoffnung. Aber davor steht die Erschütterung. Es macht mir Angst, dass ich mir nicht absolut sicher sein kann, dass ich keine sichtbaren Beweise in der Hand habe. Und manchmal würde ich auch lieber weglaufen, anstatt mich mit dem Tod zu konfrontieren und mit dieser offenen Situation, in der Angehörige sich befinden. Sie sehen den Toten. Sie haben hoffentlich eine Hoffnung. Aber mehr eben für den Moment nicht. Ich muss dann mit ihnen aushalten. Das Sterben, der endgültige Tod und was danach kommt – das ist alles in der Schwebe, nicht abgeschlossen.
Der Evangelist Markus erzählt nicht, was die Frauen getan haben, wie es mit ihnen weiterging, nachdem sie vom leeren Grab Jesu weggelaufen sind. Das ist ein anderer Blick auf Ostern. Aber für mich einer, der viel besser zu dem passt, wie ich inzwischen an die Auferstehung von den Toten glaube.