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Biergarten

Morgenandacht, 01.07.2023

Susanne Bauer, München

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Der Biergarten ist für mich das Bild schlechthin für den Sommer und vielleicht auch für das Leben überhaupt. In ungezwungener Atmosphäre, gemeinsam am Tisch sitzen, Zeit für Gespräche haben, Mitgebrachtes teilen und Genießen und dabei spüren, dass eine mitgebrachte Brotzeit manchmal mehr wert ist als jedes Sternemenü, wenn die Umgebung stimmt – frische Luft, schattige Bäume, ein blauer Himmel, freundliche Menschen. Und: das kleine Wunder wertschätzen, das aus Hopfen, Malz und Wasser entsteht.

Neben diesen Gefühlen von Lebensfreude, hat der Biergarten für mich aber auch noch eine andere Seite, die im wahrsten Sinne ‚tiefgründiger‘ ist. Ich denke da an meinen Lieblingsbiergarten im Englischen Garten direkt an einem kleinen See, unter schattigen Kastanien, stehen die Tische und Bänke dort in einem Kiesbett. Wenn ich mich nun gedanklich dort auf eine Bierbank setze und die Füße unter den Tisch strecke, dann spüre ich förmlich den Kies und ich bin vielleicht nicht die Einzige, die dann die Lust packt aus den Schuhen zu schlüpfen und mit den Zehen zwischen den kleinen Steinen zu wühlen. Zu erforschen, wie weit es bis zum Grund ist. Spüren, wie sich die Temperatur der Steine verändert und sich der Staub weich auf meine Zehen legt. Mit den Füßen ein kleines Spiel beginnen, während ich im Gespräch mit meinem Gegenüber vertieft bin.

Auch das ist für mich ein Biergartenbild für unser Leben. So vieles findet im Verborgenen statt und ist tiefgründiger als das, was offensichtlich auf dem Tisch unseres Lebens liegt und in Worte gefasst werden kann. Mancher Gedanke muss zuerst mit den Zehen durchwühlt und mit kleinsten Bewegungen durchwandert werden. Manchmal müssen wir etwas graben, um dem Grund unserer Gefühle nahe zu kommen. Spielend entdecken wir oft das Geheimnisvolle unseres Alltags. Und weil unser Körper einfach ein Gesamtkunstwerk ist, bleibt das Scharren mit den Füßen, ebenso wie manches Spielen mit den Fingern, nicht ohne Folgen für unser Gehirn, unsere Gedanken und Gefühle.

Der Kies lädt mich ein, in Bewegung zu bleiben. Denn selbst wenn ich ruhig auf der Bank sitze, können meine Füße dabei im Kies gar nicht so leicht stillhalten. Barfuß bin ich besonders empfänglich und ich denke, das ist ein Spüren, das wichtig und hilfreich sein kann. Tasten nach unserem Stand und den Untergrund testen, auf dem wir gerade leben. Vielleicht sollte da Neues aufbrechen, Althergebrachtes überdacht oder gar verworfen werden? Wer mit den Füßen scharrt ist in Erwartung, ist bereit den Weg unter die Füße zu nehmen, sich dem Staub und so manchem Pikser auszusetzen.

Das kann anstrengend sein und herausfordernd und ist doch gleichzeitig eine wunderbare Chance offen zu bleiben füreinander und für das, was uns entgegenkommt.

So wird das Bild des Biergartens für mich auch zu einem Rastplatz für die Seele, wo wir unter dem Tisch ganz sinnenfällig spüren können, was in einem uralten Psalmengebet der Bibel besungen wird, da heißt es: "Du, Gott, stellst meine Füße auf weiten Raum."

Dieser Satz ist ein Kraftspender. Worte, in denen das Vertrauen steckt, dass sich immer wieder neue Perspektiven auftun. Ein Satz wie eine gute Brotzeit, die mich nährt, wie blauer Himmel über mir, wie inspirierende Gespräche, und überraschende Entdeckungen.

Vielleicht führt der Weg zum weiten Raum des Himmlischen, ja doch an einem Biergarten vorbei.

Über die Autorin Susanne Bauer

Susanne Bauer, Jahrgang 1966, studierte in München Theologie und arbeitet seit 1993 als Pastoralreferentin in München mit derzeitigem Dienstsitz in der Pfarr- und Universitätskirche St. Ludwig.

Kontakt: SuBauer@eomuc.de