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Alle gegen Einen – den Heiligen Geist

Morgenandacht, 01.10.2024

Pfarrer Jürgen Wolff, Zeitz

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Kommen Sie mit mir in einen Ethik- oder Religionsunterricht. Begleiten Sie mich in eine Auseinandersetzung zwischen einem Schüler und einer Lehrerin oder einem Lehrer, die so oder so ähnlich stattfinden könnte und zu unserem täglichen Erfahrungshorizont gehört.

"Den Klimawandel gibt es nicht", so begrüßt der Schüler den Lehrer mit triumphierendem Unterton und beteuert: "Das steht im Internet!" Und der Lehrer – ganz Pädagoge – fragt nach; fragt, ob der Schüler verschiedene Seiten zum gleichen Thema gelesen habe; ob er die Autoren und ihre Hintergründe gegoogelt, ob er die angeführten Beweise kritisch überprüft habe. Der Schüler reagiert auf diese Fragen wütend und gibt zurück: "Wozu? Ich habe meine Meinung und mit der bin ich nicht allein: Klimawandel gibt es nicht! Und das steht auch im Internet und damit basta!"

Die Situation ist natürlich fiktiv und doch bekannt oder zumindest ähnlich nachvollziehbar! Vor allem ist sie nicht neu; sie ist sogar biblisch. Im Neuen Testament der Bibel, im Markusevangelium, hören wir Jesus mit folgendem Satz: "Alle Vergehen und Lästerungen werden den Menschen vergeben werden; wer aber den heiligen Geist lästert, der findet in Ewigkeit keine Vergebung." (Mk 3:28 f.).

Tja! Die sogenannte "Sünde wider den Heiligen Geist" klingt von ihrer Formulierung her wie aus der Zeit gefallen und wenig passend zum Disput im Klassenraum. Dabei erweist sich ihre innere Logik als hochaktuell. Und sie reicht bis hinein in heutige Klassenräume, in Freundes- oder Kollegenkreise, an Stammtische, in Familien. Ihre innere Logik besteht nämlich darin, sich dem Heilsamen und Wahren lieber zu verschließen, es abzuwerten, lächerlich zu machen, statt sich in der eigenen begrenzten Weltsicht stören zu lassen.

Und so wird auch Jesus in der Erzählung mit Abwertungen konfrontiert, die der engen Weltsicht seines jeweiligen Gegenübers entstammen. Dieses Gegenüber misst Jesus nämlich an den je eigenen Vorstellungen und Erwartungen, und weil Jesus sie nicht erfüllt, kann das, was von ihm ausgeht, nicht gut sein. Dabei könnte dieser Mensch es besser wissen, wenn er nur wahrnähme und wahr sein ließe, wieviel Heil durch Jesus bereits erfahrbar wurde.

Und so wird recht eingängig klar, was das – auch heute – sein kann: Sünde gegen den Heiligen Geist! Sie ist das Nein zur wandelnden, verwandelnden Kraft, mit der Gott in unseren Herzen wirken möchte. Und hoffnungslos wird es dann, wenn das Menschliche und Heilsame, das Gute und Wahre solange gedreht und verdreht werden, bis die eigene Welt oder Weltsicht nicht mehr infrage gestellt wird.

Wo das geschieht, ist tatsächlich keine Rettung mehr, denn dann ist selbst Gott ohnmächtig gemacht – und das macht die Todsünde biblisch aus! Der Theologe Johann Baptist Metz prägte den Satz: "Die kürzeste Definition von Religion ist Unterbrechung." Religion im biblischen Sinne unterbricht das ängstliche oder trotzige Verharren in der eigenen Blase des Wahrhabenwollens – frei nach Wilhelm Busch: "Und daraus schloss er messerscharf, dass nichts sein kann, was nicht sein darf!"

Religion, diese heilsam-heilende Unterbrechung, fußt auf der Bereitschaft, sich von Gott stören und die eigenen Denkmuster, Wertmaßstäbe, Gewohnheiten um einer größeren Liebe und Weite willen infrage stellen zu lassen. Angenehm ist das nicht, aber Annehmlichkeit ist ohnehin kein Kriterium Gottes. Ihm geht es um das Heil seiner Schöpfung. Und das darf man nicht leugnen, weder im Kleinen, noch im Großen, weder in der Kirche noch in der Welt, denn sonst wären wir heillos verloren!

Über den Autor Pfarrer Jürgen Wolff

Dr. Jürgen A. Wolff wurde 1971 in Birkesdorf/Düren geboren. Nach seiner Ausbildung in Deutschland und dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in England hat er über zwanzig Jahre im In- und Ausland in der Finanzbranche gearbeitet; davon die meiste Zeit in China. Im Rahmen seiner Promotion in England entschied er sich Theologie zu studieren und seiner Berufung zu folgen, Priester zu werden. Nach dem Abschluss des Theologiestudiums in Erfurt begann er 2018 seine pastorale Ausbildung im Bistum Magdeburg, arbeitet nun als Diakon in Bitterfeld und bereitet sich dort auf die Priesterweihe vor. Permanent Horizonte zu erweitern, ist sein Bestreben; Energie und neue Anstöße findet Dr. Wolff durch die Literatur und in der klassischen Musik – besonders in den Werken Händels! Seit 2023 ist er Pfarrer in Zeitz.