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Allerheiligen – Anstehen nach Himmel

Morgenandacht, 01.11.2024

Pfarrer Christoph Seidl, Regensburg

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"Die Welt braucht gute Nachrichten … sorgen Sie für eine!" Diesen Slogan habe ich von Ulrich Wickert im Ohr, er engagiert sich damit für das Kinderhilfswerk Plan, das 1937 in Spanien gegründet wurde. Plan setzt sich dafür ein, dass Kinder keine Armut leiden müssen, dass sie sich gesund entwickeln und frei entfalten können. Das Hilfswerk will eine Gesellschaft, die die Rechte der Kinder schützt und sie mit Würde und Respekt behandelt. Ja, wenn wir mehr positive Nachrichten haben wollen, dann müssen wir beginnen, mehr gute Dinge auf den Weg zu bringen.

Mir gefällt diese Haltung, mit der die Menschen von Plan wie unzählige andere für eine bessere Welt eintreten. Natürlich könnte man sagen: die haben die Welt alle noch nicht viel besser gemacht. Ich würde dagegenhalten: Doch, denn was wäre, wenn es diese vielen Hilfen nicht gäbe??

Ich bekomme als Abonnent einer großen Wochenzeitschrift jeden Samstag eine Mail mit dem Titel: Nur gute Nachrichten zum Wochenende. Die sind meistens nicht so spektakulär, aber sie machen Hoffnung. Es gibt die einzelnen kleinen Menschen, die ihre Visionen leben. Und genau diese guten Nachrichten machen das Leben lebenswert.

Am heutigen Tag feiern katholische Christen das Allerheiligenfest. Man könnte sagen: das ist ein Tag guter Nachrichten. Christen feiern an Allerheiligen ihre Vision von einer besseren Welt, die schon sichtbar geworden ist in einzelnen hoffnungsvollen Menschen, in den Vielen, die von der Kirche als Heilige verehrt werden. Dazu wird am Allerheiligentag jedes Jahr ein visionärer Text im Gottesdienst vorgelesen: die Seligpreisungen aus der Bergpredigt Jesu. Eine davon heißt: "Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben." (Mt 5,5)

Vielleicht sagen Sie jetzt: klingt gut, funktioniert aber nicht – denn das Land erben in dieser Welt nicht die Sanftmütigen, sondern die mit den furchterregendsten Waffen und dem meisten Geld. Auf den ersten Blick in die Nachrichten scheint es so zu sein. Und dennoch haben in der Geschichte nicht Kriege die Welt weitergebracht, sondern Menschen mit Visionen:

Ich denke an Franz von Assisi, der auf das Erbe seiner Eltern, die wohlhabende Tuchhändler waren, verzichtete, um ein Ordensleben in Armut zu führen. Bewegt hat er durch seine intensive Lebensweise und seine Naturverbundenheit bis zum heutigen Tag viel. Ich denke an Mutter Theresa von Kalkutta, die in Indien durch ihre Arbeit mit Armen, Obdachlosen, Kranken und Sterbenden weltweit bekannt wurde und 1979 dafür den Friedensnobelpreis erhielt.

Ich denke auch an Menschen wie Sophie Scholl oder Nelson Mandela, die durch ihren Widerstand gegen Unterdrückung und Unfreiheit zwar Gefängnis und sogar den Tod in Kauf nahmen, aber der Welt ein mutiges und humanes Erbe hinterlassen haben. Es sind allesamt Menschen mit einer Vision, mit einer anderen Idee von dieser Welt.

Ein Gedicht des Schriftstellers Reiner Kunze (*1933) kommt mir in den Sinn. Er hat es einmal am Flughafen von Atlanta im Angesicht der Flugzeuge geschrieben, die an der Startbahn Schlange stehen. Ein paar wenige Worte finde ich für die Vision des heutigen Tages treffend:

Sie stehen an
nach himmel.
Das halbe leben haben wir angestanden nach der erde.

Anstehen nach Himmel! Das gefällt mir! Ich stehe viel an nach Erde: beim Einkaufen, an der Ampel, am Wertstoffhof. Ich lebe in den Banalitäten und Absurditäten dieser Erde, von guten Nachrichten kaum eine Spur. Gerade deswegen bin ich eingeladen, nach "Himmel" anzustehen: meine Visionen von einer besseren Welt zu leben, mitten in der Bedrängnis für gute Nachrichten zu sorgen.

Über den Autor Christoph Seidl

Pfarrer Christoph Seidl wurde 1967 geboren. Er stammt aus Regensburg und ist seit 1992 Priester im Bistum Regensburg. Nach der Kaplanszeit in Straubing arbeitete er in der Priesterausbildung mit und war Studentenpfarrer in Regensburg. Pfarrer Seidl ist als Seelsorger für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen im Bistum Regensburg tätig und als Gemeindeseelsorger in Regensburg – Harting.

Kontakt: seidl@seelsorge-pflege.de