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Heiliger Geist im Alltag – "Du schaffst das"

Morgenandacht, 02.06.2023

Ingelore Engbrocks, Essen

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Ich stehe unten vor dem drei Meter hohen Klettergerüst, meine vierjährige Enkelin sitzt schon oben und sagt immer wieder: "Du schaffst das, komm hoch. Ich glaub an dich."

Wie lange bin ich schon nicht mehr auf Klettergerüsten gewesen. Bestimmt schaffe ich es nicht bis oben. Das Risiko ist groß, dass ich mich der Lächerlichkeit aussetze oder – wer weiß – mich in meiner Ungeschicklichkeit auch noch verletze. Aber es triggert mich schon, dieses unbändige Vertrauen meiner Enkelin: "Du schaffst das." Ich kann in diesem Moment gar nicht anders, als diesem Menschen glauben, der mich so liebevoll und voller Vertrauen ansieht.

Wenn es so etwas doch öfters in meinem Leben gäbe? Menschen, die mich so motivieren, ermutigen, stärken. Appelle des Zutrauens und der Stärkung können ganz besondere Kräfte freisetzen. Von einer solchen Motivationshilfe wird auch in der Bibel erzählt. Dort ist es der Heilige Geist, der dem Menschen als Beistand, als Kraft Gottes verheißen ist. Für mich wird das eindrücklich in der Erzählung von der Taufe Jesu im Jordan. Es heißt, dass der Heilige Geist auf Jesus herabkam und eine Stimme aus dem Himmel sprach: "Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden."
Ich würde es so zusammenfassen: "Jesus, du schaffst das!"

Die Kraft, mit der der Heilige Geist die Menschen beschenkt, wird in der griechischen Sprache der Bibel dynamis genannt. Darin steckt noch mehr: Dynamik, Macht, Energie. Wenn ich mich im Gebet und Dialog auf den Heiligen Geist ausrichte, dann spüre ich ähnlich wie bei meiner Enkelin, wie mir spontan neue Kraft zuwächst, ähnlich wie Jesus bei seiner Taufe. Ich spüre, dass mein Humor zurückkommt, wenn ich mal wieder Dinge zu ernst nehme. Und ich spüre Leichtigkeit, wenn eine Herausforderung droht, mich runterzuziehen.

Ich bekomme neue Kraft geschenkt, wenn eine Routine mich zu ermüden droht. Freiheit und Freiraum werden für mich erfahrbar, wenn eine Situation bedrohlich oder gar beängstigend wirkt. Und wenn ich verstimmt bin und mich nur noch verkrümeln möchte, dann wächst in mir plötzlich doch noch die Kraft zum Dialog.

Es stimmt doch: Dynamis, Kraft, Stärke, Macht haben eine größere Wirkung, wenn sie mir von einem anderen zugesagt werden und ich sie mir nicht selbst zusage. Der Mensch wird erst am Du zum ich. So beschreibt es der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber.

Und um wieviel mehr gilt das wohl, wenn ich unterstelle, dass Gott durch die dynamis seines Geistes zu mir spricht, damit ich am Du Gottes immer mehr zum Ich werde: "Du bist mein geliebtes Kind, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden." Oder eben in Kurzform: "Du schaffst das!"

Ich bin mir sicher: Auf vielfältige Weise kann Gottes Geist sich uns offenbaren, um uns zu begleiten und uns Anteil zu geben an seiner dynamis. Das kann eine Erfahrung der Begegnung sein wie in einem feierlichen Gottesdienst, der mich die Einheit mit Gott und mit Menschen spüren lässt und mir neue Hoffnung schenkt. Es können aber auch ganz alltägliche Erfahrungen sein: der Zuspruch eines Menschen, der mich vorbehaltlos liebt und bei mir alle dynamis, alle Energie erkennt, die ich mir wünsche – wie bei dem Zuruf durch meine Enkelin.

Für mich zeigt sich die Dynamis Gottes auch in Zeichen wie einem Gedankenblitz, dem spontanen Gefühl innerer Sicherheit, vielleicht ein Traum, an den sie sich noch erinnern.

Dabei scheint mir eine Kategorie sehr wichtig zu sein, woran die Dynamis Gottes zu erkennen ist: Sie überfordert nicht, sie zwingt nicht, sie bewirkt Gutes, macht Mut und lässt Freude und Hoffnung wachsen. Und schenkt immer wieder neu die Kraft und Lust, das Leben zu gestalten.

In diesem Sinne: Was auch immer heute auf Ihrer Agenda steht: Sie schaffen das!

Über die Autorin Ingelore Engbrocks

Geboren 1958 in Oberhausen im Ruhrgebiet, verheiratet, 2 Kinder. Erste Berufsausbildung in der chemischen Industrie. Nach der "Familienphase" Studium der Theologie. Seit 1996 im Dienst des Bistums Essen, Ausbildung als Pastoralreferentin. Langjährige Arbeit im Bereich Exerzitienseelsorge; Fortbildung zur Geistlichen Begleiterin und zur Coach DGfC. Im Bistum Essen verantwortlich für Ausbildung und Fortbildung.

Kontakt: ingelore.engbrocks@bistum-essen.de