Eine Leidenschaft meiner Großeltern war ihr Garten. Sie verbrachten viel Zeit und Mühe damit, Blumen, Gemüse und Obst anzubauen – für sich und die ganze Familie. Und wenn dann alles so richtig wuchs, war der Stolz auf den grünen Daumen und den Flecken gepflegt-nützlicher Natur groß. Etwas, was sie nicht anbauten, aber trotzdem immer wieder kam, war das Unkraut.
Lexika bezeichnen als Unkraut "Pflanzen der spontanen 'Begleitvegetation'". Im allgemeinen Sprachgebrauch ist das Hauptkriterium, um eine Pflanze als Unkraut zu bezeichnen, dass sie unerwünscht ist. Ob etwas als Unkraut bezeichnet werden kann, hängt also vom subjektiven menschlichen Empfinden eben jener Brauchbarkeit ab.
Und so bin ich wieder bei meinen Großeltern. Hatten sie eine Pflanze in ihrem Garten als unnützes Kraut definiert, so ging es ans Jäten und schnell war die Harke zur Hand. Damit der Garten bloß nicht verwuchert aussieht und das Unkraut nicht die gewollten, brauchbaren Pflanzen beim Wachsen hindert, zogen sie die ungebetenen Gäste heraus und entfernten, was als unnütz empfunden wurde.
Ähnlich wie im Garten meiner Großeltern gehen wir auch in der Welt vor. Wir beurteilen und teilen den Rest der Welt auch gerne in Brauchbares und Unnützes ein, in Kraut und Unkraut, in Nützliches und Unbrauchbares, in Wertvolles und Wertloses, Gutes und Schlechtes. Wir tun das mit Dingen, mit Ansichten, mit Verhaltensweisen und wir tun es mit Menschen.
Aber wer sind wir eigentlich, zu glauben, dass wir urteilen dürfen – über alles und jeden; ob etwas schlecht oder gut; ob etwas unnütz oder brauchbar; ob etwas unterstützend oder störend ist? Im Neuen Testament der Bibel, im Matthäus-Evangelium (Mt 13:24-30), hören wir, dass das Unkraut im Garten Gottes stehen bleibt. Aber – so können wir uns fragen – warum eigentlich?
Dazu erzählt Jesus ein Gleichnis, bei dem der Landwirt auf seinem Acker eine gute Weizensaat aussäht, die zukunftsträchtig, hoffnungsvoll und Frucht-versprechend ist. Ein Feind aber verstreut heimlich zwischen dem Weizen Unkrautsamen. Und dabei handelt es sich nicht um irgendein Unkraut, sondern um den Taumellolch. Statt den Knechten nun den Auftrag zu geben, es beim ersten Erscheinen auszureißen, lässt der Landwirt beides wachsen – bis zur Ernte. Denn als junge Pflanze ähnelt der Taumellolch dem Weizen und erst im weiteren Wachstum kann zwischen beiden Pflanzen unterschieden werden. Dann aber sind die Wurzeln schon so miteinander verflochten, dass beim Jäten beide Pflanzen betroffen wären – der Verlust der gesamten Ernte wäre eine bittere Konsequenz.
Und welche Konsequenz hat dieses Gleichnis nun für uns?
Wenn es auch recht einfach daherkommt, die Aussage ist komplex: Zum Leben gehört das Unkraut dazu! Schlechtes und Gutes gibt es überall auf der Welt – egal wie sehr wir uns anstrengen, wir können es nicht ausrotten. Nicht einmal in uns selbst.
UND, es ist nicht unsere Aufgabe zu be- und verurteilen, zu trennen zwischen Weizen und Unkraut. Zu richten zwischen schlecht und gut, unnütz oder brauchbar; unterstützend oder störend. ‚Am Tag der Ernte‘, so wie es in diesem Gleichnis heißt, ist einzig Gott dafür zuständig. Er ist der Gärtner! Ihm dürfen wir vertrauen, dass ER nicht zulassen wird, dass das Unkraut den Weizen erstickt.
Unsere Aufgabe ist bei der göttlichen Gartenarbeit eine andere: Jeder und jede von uns soll sich um das Gute kümmern: es säen und zum Wachsen bringen. Und damit sind wir sicher voll ausgelastet!