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Hoffnung in der Apokalypse

Morgenandacht, 02.12.2023

Andreas Britz, Bellheim

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Morgen, am 1. Advent, beginnt für Christen das neue Kirchenjahr.

Der Text des Sonntagsevangeliums vermittelt nicht gerade freudige Aufbruchstimmung! Im Gegenteil! Da wird in den katholischen Gottesdiensten morgen vom Ende der Welt erzählt. In dramatischen Bildern schildert Jesus seinen Jüngern, wie das Szenario aussehen wird: "In jenen Tagen, nach der großen Not, wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden." (Mk 13,24-25)

Nichts mit adventlicher Besinnung und Geborgenheit. Stattdessen kosmische Katastrophen. An deren Ende steht das Jüngste Gericht, das der "Menschensohn" halten wird, wie es da weiter heißt, wenn er "mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels" (Mk 13, 26) kommt.

Das ist die Apokalypse! Aber haben wir die nicht schon jetzt? Ist die Gegenwart nicht entsetzlich genug mit all dem Schrecklichen, das uns die Nachrichten jeden Tag ins Haus bringen? Klimakrise und Naturkatastrophen, Hungersnöte und Pandemien, Krieg und Terror in der Ukraine, im Nahen Osten und anderswo? Braucht es da noch den Horror eines Weltuntergangs?

Als Jesus vom Ende der Welt erzählt, da sind die Zeiten nicht besser als heute. Armut und Krankheit, Unrecht und Unterdrückung, Krieg und Gewalt – das ist auch die bittere Realität für die Menschen damals. Deshalb sehnen sich die Gläubigen nach dem großen Schalom, dem allumfassenden Frieden, der nur von Gott kommen kann. Er wird für Gerechtigkeit sorgen und ein "Leben in Fülle" bringen. Genau das verkündet Jesus in gewaltigen Bildern. So wird die Apokalypse nicht zum Schrecken, sondern zum Grund der Hoffnung!

Diese Hoffnung ist bei Jesus weder billige Vertröstung noch naiver Optimismus. Der Mann aus Nazaret ist berührt von der Not der "Mühseligen und Beladenen". Er heilt die Kranken und holt die Ausgegrenzten zurück in die Mitte der Gesellschaft. Die Männer und Frauen, die ihm folgen, sollen es ihm gleichtun. Die Hoffnung, dass sich am Ende die Gottesherrschaft durchsetzen wird, motiviert zum Kampf gegen das Leid.

Der Jesuitenpater Manfred Hösl nennt die Christen deshalb eine "GmbH", eine "Gesellschaft mit begründeter Hoffnung"! Es wäre großartig, wenn die Menschen die Kirche heutzutage immer auch so wahrnehmen könnten.

Die Bilder der Apokalypse gehören zum Advent. Es soll ja nicht in erster Linie darum gehen, das Weihnachtsfest als den Geburtstag Jesu vor 2000 Jahren vorzubereiten. Die apokalyptischen Motive des Neuen Testaments wollen vielmehr die Hoffnung auf die Vollendung der Gottesherrschaft wachhalten, wenn Jesus, der "Menschensohn", am Ende der Zeit wiederkommen wird. Dann, so heißt es dort, wird Gott "alle Tränen abwischen. Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal." (Offb 21,4)

Diese Zeitenwende macht keine Angst. Sie ist vielmehr eine Verheißung, die ermutigen und Energien freisetzen kann.

Ich finde, niemand hat die christliche Hoffnung so treffend charakterisiert wie Vaclav Havel, der erste Präsident des freien Tschechien. Als mutiger Autor und Bürgerrechtler saß er jahrelang in kommunistischer Haft. Dort kam er zu folgender Erkenntnis: "Je ungünstiger die Situation ist, in der wir unsere Hoffnung bewähren, desto tiefer ist diese Hoffnung. Sie ist eben nicht Optimismus. Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht."

Über den Autor Andreas Britz

Andreas Britz, Jahrgang 1959, studierte Katholische Theologie und Geschichte in Trier. Seit 1989 unterrichtet er am Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasium im südpfälzischen Germersheim und ist Regionaler Fachberater für Katholische Religion. Zudem ist Britz Autor zahlreicher Unterrichtsreihen und Rundfunksendungen in den Hörfunkprogrammen des SWR.

Kontakt: andreasbritz@web.de