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Quatorzième

Morgenandacht, 04.05.2024

Pfarrer Manuel Klashörster, Salzkotten

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"Quatorzième" bezeichnet einen seltenen Beruf, den es vielleicht auch nie wirklich gegeben hat. Um das Jahr 1900 soll es in den großen Städten Europas, vor allem in Paris, Menschen gegeben haben, die als "Quatorzième", also als "Vierzehnte" ihren Lebensunterhalt verdient haben. So ein "Vierzehnter" soll bereitgestanden haben, wenn an einer Tafel, zu der jemand eingeladen hat, plötzlich nur 13 Personen eingetroffen waren. Wenn die Gastgeber abergläubisch waren und diese Zahl als Unglückszeichen gedeutet haben, konnte schnell ein "Vierzehnter" einspringen, um die Unglückszahl an der Tafel zu vermeiden. Ihre einzige Aufgabe bestand also darin, tatsächlich der "Vierzehnte" zu sein.

Als ich zum ersten Mal davon gehört habe, war ich erstaunt über diesen Beruf. Dann habe ich mir aber auch vorgestellt, wie sich ein Mensch in diesem Beruf gefühlt haben mag: In feiner Kleidung unter lauter fremden Menschen wegen keiner anderen Eigenschaft gebraucht und bezahlt zu werden als der "Vierzehnte" zu sein. Und da fiel mir auf, dass – so selten oder unwirklich dieser Beruf auch sein mag – dieses Gefühl doch vermutlich ziemlich verbreitet ist: "Ich bin hier doch eigentlich überflüssig. Es geht hier gar nicht um mich und um das, was mich eigentlich ausmacht. Und wer weiß, ob ich in Zukunft überhaupt noch gebraucht werde?"

Ja, viele Menschen sind es gewohnt, ihren Selbstwert darüber zu bestimmen, was sie leisten. Fällt diese Leistungsfähigkeit weg – vielleicht durch eine Krankheit oder das altersbedingte Ende einer Berufslaufbahn – dann kann sich die Frage noch mehr aufdrängen: "Wozu bin ich eigentlich da?"

Mir kommt dabei auch ein Vers aus der Bibel in den Sinn: "So spricht der Herr, der dich erschaffen hat, […]: Fürchte dich nicht, […] ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir!" (Jesaja 43,1). Diesen Satz darf ich selbst häufig sprechen, wenn ich als Priester eine Beerdigung leite. Meistens war vorher vom Leben der verstorbenen Person die Rede. Eine Lebensgeschichte, bei der vielleicht ansatzweise etwas von dem erkennbar wurde, was diese Person ausgemacht hat, was sie bewegt hat und was sie in Bewegung gesetzt hat. Aus meiner Sicht, wird dabei auch etwas von dem ausgesprochen, was der Vers aus der Heiligen Schrift meint: Dass Gott jeden Menschen persönlich kennt, mit allem, was ihn ausmacht, was er erlebt hat, was ihm am Herzen liegt. Ja mehr noch, dass Gott das Leben dieses Menschen will. Fürchte dich nicht, du gehörst mir – das ist keine Vereinnahmung, das ist die Zusage: Du liegst mir am Herzen, so wie du bist. Dazu gehören deine Stärken genauso wie deine Schwächen, es macht dich aus und in meinen Augen kostbar. Genauso habe ich dich gemacht.

Diese Wertschätzung Gottes gilt aus meiner Sicht als Christ immer – unbedingt.

Damit ist verbunden: Gott lässt mich nicht allein. Das lässt mich gerade in den Situationen Mut fassen, in denen ich vor Entscheidungen stehe. Oft bete ich dann und bitte um eine gute Entscheidung. Und dabei geht es nicht nur um mich. In meinem Verhalten kann sich zeigen: Niemand ist überflüssig. Jede einzelne Person ist unverzichtbar.

Natürlich hat das viel mit dem zu tun, was Menschen in ihrem Leben leisten. Aber die Vorstellung davon, dass Gott den Namen eines Menschen kennt und nicht nur eine bestimmte Funktion, zeigt mir: Aufgaben und Berufe, die Menschen haben, dienen letztlich dazu, das zu erleben. Anders gesagt: Niemand sollte sich überflüssig vorkommen müssen, wie sich vielleicht ein "Quatorzième" vorkam.