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Aufrecht

Morgenandacht, 05.04.2025

Egbert Ballhorn, Dortmund

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Bei den "Peanuts" gibt es eine Karikatur: Charly Brown steht mit gesenktem Kopf da. "So stehe ich, wenn ich deprimiert bin", sagt er. Und fügt hinzu: "Das Verkehrteste, was du tun kannst, ist aufrecht und mit erhobenem Kopf dazustehen, weil du dich dann sofort besser fühlst."

Das ist natürlich ironisch gemeint, drückt aber die alte Wahrheit aus, dass Körperhaltung und Stimmung miteinander in Wechselwirkung stehen. Wer traurig ist, lässt den Kopf hängen. Es gibt Erfahrungen, die Menschen niederdrücken. Und: Andere Menschen beugen heißt, sie kleinzumachen, sie zu unterdrücken. Schon das zu beobachten, ist eine schlimme Erfahrung.

Auch die Psalmen, das Gebetbuch der Bibel, kennen diese Körpersprache. In Psalm 94 heißt es: "Herr, sie zertreten dein Volk, sie beugen dein Eigentum. Sie bringen die Witwen und Fremde um und morden die Waisen. Sie sagen: Der Herr sieht es nicht" (Ps 94,5f.). Dass schwache Menschen an den Rand gedrängt, klein gemacht, zertreten werden, ist eine uralte Menschheitserfahrung – und sie hört nicht auf, bedrängt uns und kommt uns mit fast jeder Nachrichtensendung nahe.

Der biblische Psalm, aus dem ich gerade zitierte, kennt mehrere Strategien, mit den Unterdrückungsmächten umzugehen. Zunächst wird das Erlebte in Worte gebracht; die Not macht nicht stumm. Und die Klage findet ein Gegenüber: Gott soll sich anhören, was in der Welt nicht in Ordnung ist. Klage ist Protest gegen Unrecht. Gott kommt hier vor als Hoffnung auf Gerechtigkeit, als Anspruch, dass die Welt anders sein soll, als sie jetzt ist – und dafür gibt es Maßstäbe: Recht und Gerechtigkeit.

Und dann gibt es eine weitere Hoffnung, eine Erwartung: "Wer wird für mich aufstehen gegen die Übeltäter?", so fragt der Psalmen-Beter hier. Es braucht Solidarität. Menschen müssen füreinander den Mund aufmachen und füreinander aufstehen. Das Aufstehen ist auch die körperliche Gegenbewegung gegen das Unterdrücken. Wenn Menschen zu Boden gedrückt und kleingemacht werden und sich nicht wehren können – vielleicht gibt es andere, die für sie aufstehen. Solidarität. Darin liegt Hoffnung. – Wer wird für mich aufstehen?, enthält auch die Frage: Für wen werde ich aufstehen? Die Psalmen halten Hoffnungs- und Handlungsworte bereit in schwierigen Zeiten. Von Menschen, aber auch von Gott wird Handeln verlangt.

In einem Psalm heißt es von Gott: "Den Geringen richtet er auf aus dem Staub, aus dem Schmutz erhebt er den Armen" (Ps 113,7). Hier werden Maßstäbe gesetzt. Nur erbärmliche Herrscher müssen andere klein machen, um sich selbst groß zu fühlen. Gott steht für das umgekehrte Konzept: Er richtet auf, er möchte jeden Menschen groß sehen. Und er hat vor allem die Gebeugten und die Schwachen im Blick. Vor seinem Angesicht können wir aufrecht stehen und werden wir selbst handlungsfähig. Die Psalmentexte stärken mir den Rücken – im Sinne des Wortes. Und sie geben mir eine Perspektive, worauf ich zu achten habe.

"Nun kehrt das Recht wieder zur Gerechtigkeit zurück, und alle aufrichtigen Menschen folgen ihr" (Ps 94,15). An diesem Psalmen-Hoffnungswort halte ich fest. Es ist für mich auch ein Leitbild, mit dem ich in diesen Tagen der Fastenzeit auf Ostern zugehen möchte

Das lerne ich aus den Psalmen: Mich aufrichten lassen. Aufrecht meinen Weg gehen. Für andere aufstehen.

Über den Autor Egbert Ballhorn

Dr. Egbert Ballhorn ist seit 2012 Professor für Exegese und Theologie des Alten Testaments an der TU Dortmund. Er studierte Katholische Theologie und Chemie in Bonn, Jerusalem und Wien, war Mitarbeiter im Bonner Sonderforschungsbereich "Judentum – Christentum" und zehn Jahre Leiter der Bibelschule Hildesheim und Dozent für Biblische Theologie am Priesterseminar des Bistums Hildesheim. Er ist Vorsitzender des Katholischen Bibelwerks e.V.