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Tag der Hebamme

Morgenandacht, 05.05.2023

Johannes Rogge, Berlin

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"Oh, ihr habt noch keine Hebamme? Da seid ihr aber spät dran! Ich drück euch die Daumen. Ist ja total wichtig, eine gute Hebamme zu haben!"

Nachdem eine gute Bekannte uns das gesagt hatte, schaute meine Frau mich durchdringend an: "Wir müssen uns unbedingt um eine Hebamme kümmern!" Wir waren in der 12. Woche schwanger und freuten uns auf unser erstes Kind! Die ersten Tage kann man es gar nicht fassen – dieses Wunder im Bauch – und der bald mütterliche Bauch muss daher viel gekuschelt, geküsst und gestreichelt werden. An organisatorische Aufgaben dachten wir noch gar nicht. So gingen die Wochen ins Land und der Anruf unserer Freundin holte uns auf den Boden der Tatsachen zurück.

Ich hatte mir vorher keine ernstzunehmenden Gedanken über das Hebammen-Dasein in Deutschland gemacht. Naiv wie ich war, nahm ich an, dort wo geboren wird, sind Hebammen zugegen. Klar, im weitesten Sinne ist das schon der Fall, aber wie prekär und tatsächlich teilweise skandalös die Situation in Deutschland ist, wusste ich nicht. Mittlerweile weiß ich: Der Hebammenberuf stirbt langsam aus, wenn nicht massiv gegengesteuert wird. Hohe Versicherungsprämien, schlechte Bezahlung, wenig Zeit und eine hohe Arbeitsbelastung führt zu massiver Frustration und Personalflucht aus den Kreißsälen.

Und so kann es schon mal vorkommen, dass eine Frau ihr Kind fast im Foyer des Kreißsaals bekommen muss, schlicht weil aufgrund des Personalmangels keine Hebamme früher zur Verfügung steht. Es ist schon grotesk, dass wir als Gesellschaft die Geburt eines Babys als "Wunder" bezeichnen, aber solche Zustände in unseren Kreiß- und Geburtssälen dulden. Hinzu kommt: Der Hebammen-Job beginnt eigentlich nicht erst bei der Geburt.

Gerade beim ersten Kind ist die Begleitung und Betreuung der werdenden Mutter und des Paars unfassbar wichtig. Zeit und Raum zu geben für alle Fragen und Unsicherheiten, die da sind. Ruhepol sein, wenn die werdenden Eltern fast durchdrehen. Rollen klären. Vertrauen geben. Bestärken. Ich habe erfahren: Eine gute Hebamme begleitet den Prozess des Mutter- und Vater-Werdens. Es ist nicht nur die technische Vorbereitung auf die Geburt und schon gar nicht nur die Begleitung des Geburtsvorgangs. Aber, im Moment muss man es sich leider leisten können…

Ich bin dankbar, dass wir während der Schwangerschaft, bei der Geburt und auch im Wochenbett eine einfühlsame und bestärkende Hebammenarbeit erfahren durften. Und noch dankbarer bin ich natürlich für meine Sohn – dieses Wunder, das unseren Alltag durcheinanderwirbelt, so viel wertvollen Schlaf kostet und doch von mir so geliebt wird, wie ich es vorher noch nie gespürt habe.

Es klingt zwar abgedroschen und doch empfinde ich es so: Die Geburt des eigenen Kindes lässt mich viel selbstverständlicher an einen Schöpfer glauben. Auf faszinierende Art entsteht neues Leben, das wir zwar beschützen und pflegen wollen – es aber nicht alleine in der Hand haben. Das Leben ist aus uns gekommen und doch geschenkt. Anvertraut, ein Leben lang, aber nicht zum Festhalten geeignet. Für mich ein "Geschenk Gottes".

Heute, am 5. Mai, ist der Tag der Hebamme. "Du schaffst das" – "Hab Vertrauen in dich und deine Stärke" – "Du bist groß, stark und wunderbar, so wie du bist!"

Das sind Sätze, die meine Frau von unseren Hebammen im Laufe der Monate gehört hat. Empowerment pur! Und ich finde, aus diesen Sätzen klingt eine Haltung, die auch Gott jedem seiner Kinder – also jeder und jedem von uns – entgegenbringt: Ich denke groß von dir, ich setze Vertrauen in Dich, Du bist mir wichtig und: Ich liebe dich!

Diese Haltung kann verändern. Sie gibt Kraft und Zuversicht; ist unglaublich wertvoll und schenkt am Ende Leben.

Über den Autor Johannes Rogge

Johannes Rogge, geboren 1991 in Mainz, studierte Kommunikationswissenschaften in Leipzig. Seit 2018 ist er als Redakteur im Erzbistum Berlin tätig.

Kontakt: Johannes.Rogge@erzbistumberlin.de