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Perspektivwechsel Apokalypse

Morgenandacht, 06.05.2023

Johannes Rogge, Berlin

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"Zeitenwende" – Kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sagte Bundeskanzler Olaf Scholz, der Überfall markiere eine "Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinentes". Seitdem ist nichts mehr so – wie es einmal war. Der Krieg ist zurück in Europa und Zeitenwende wurde zum "Wort des Jahres" gewählt.

Es sind krisenhafte Zeiten in denen wir leben – und die Ukraine kam noch "on top". Verschiedene Krisen und Herausforderungen überlagern sich: Klimawandel und Artensterben, demographischer Wandel, Digitalisierung und die Transformation der Arbeitswelt. Den Überblick zu behalten und einen kühlen Kopf – das fällt manchmal schwer und dann immer die Frage: Was soll und kann ich denn eigentlich tun?

Manchmal nehme ich Resignation in meinem Umfeld wahr. Gelegentlich geht es auch mir so. Ich fühle mich ohnmächtig, bin wie erstarrt und möchte den Vogel Strauß machen: Kopf in den Sand!

Die Bilder in den Fernsehnachrichten – sie könnten im Moment auch einem Science-Fiction-Movie entnommen sein. Endzeitstimmung. Apokalypse Now! Und manche Zeitgenossen, die sich z.B. während der Corona-Pandemie radikalisiert haben, fabulieren bis heute vom Untergang der Zivilisation und begründen dies zum Teil religiös. Denn auch die Bibel beschreibt ein Untergangsszenario.

Das letzte Buch im Neuen Testament, es ist die Apokalypse nach Johannes. Häufig wird das Buch als eine Vision vom Ende der Welt und des Jüngsten Gerichts verstanden. Das Wort Apokalypse bezieht sich daher bis heute oft auf eine Zeit der Katastrophe, des Chaos oder der großen Veränderungen. Hier liegen die Parallelen auf der Hand.

Es gibt allerdings auch eine andere Deutung der biblischen Apokalypse, mit der ich deutlich mehr anfangen kann. Denn das griechische Wort "Apokalypse" muss nicht unbedingt so negativ konnotiert sein, wie wir es gebrauchen, heißt es übersetzt nämlich erstmal nur "Offenbarung". Und wenn man sich jetzt den historischen Kontext anschaut, in dem die Offenbarung aufgeschrieben wurde, könnte aus der angstmachenden Weltuntergangsdramatik womöglich eine Hoffnungsbotschaft werden.

In Kleinasien, der heutigen Türkei, waren bereits einige frühchristliche Gemeinden entstanden. Menschen, die an Jesu Tod und Auferstehung glaubten und ihm nachfolgten. Ihre Lehre und ihre Mission waren mit der Überzeugung von Kaiser Domitian, dem damaligen Herrscher des Römischen Reiches, unvereinbar – denn er hatte sich selbst zu Gott erklärt und verlangte seine Anbetung.

Christen wurden also verfolgt und unterdrückt. Johannes – der Autor des biblischen Textes – war bereits verbannt, auf die Insel Patmos und schreibt nun an seine Mitstreiter in den Gemeinden seine Vision. Und diese Offenbarung ist tatsächlich geprägt von Umsturz und Untergang – aber nicht der Welt, sondern des aktuell unterdrückenden Systems. Für die Adressaten dieses Briefs, war seine Offenbarung daher vielleicht wirklich eine Botschaft voll Hoffnung, die sie aktivierte. Denn, noch etwas finde ich interessant: Wenn am Ende der Offenbarung über das Kommen des "Himmlischen Jerusalems" gesprochen wird, so ist das ein Bild für die Erlösung, die vom Himmel auf die Erde kommt.

Die unterdrückten Christen werden nicht einfach in den Himmel geholt – so wie man es manchmal aus Filmen kennt. Es ist andersherum – die irdische Wirklichkeit wird verändert. Es ist die Richtung, die auch im Vater Unser – dem Gebet Jesu – artikuliert wird: "Wie im Himmel, so auf Erden."

So verstanden, kann eine Apokalypse eine aktivierende Hoffnungsbotschaft sein. Dass nicht alles verloren und bereits vorherbestimmt ist. Da läge Resignation nahe. Sondern, dass wir aufgefordert sind, an der Verbesserung unserer Situation und der Überwindung der Krisen mitzuwirken. Uns einzubringen, damit etwas eines Tages Wirklichkeit werden kann: Der Himmel auf Erden. Es ist die Hoffnung auf eine himmlische Zeitenwende.

Über den Autor Johannes Rogge

Johannes Rogge, geboren 1991 in Mainz, studierte Kommunikationswissenschaften in Leipzig. Seit 2018 ist er als Redakteur im Erzbistum Berlin tätig.

Kontakt: Johannes.Rogge@erzbistumberlin.de