"Danke, Mama!", ruft mein Sohn voller Überzeugung und mit einem großen Strahlen im Blick. Für einen kurzen Moment weiß ich gar nicht, was ihn jetzt so glücklich macht. Er scheint meinen fragenden Blick zu bemerken und fügt hinzu: "Na, für die Spaghetti." Ach was, das sind doch nur Nudeln, denke ich, aber er isst mit großem Appetit und mir kommt es so vor, als hält die Freude über sein Mittagessen noch den ganzen restlichen Tag an.
Meine Kinder sind mir die besten Lehrmeister zum Thema Dankbarkeit. Von ihnen lerne ich jeden Tag aufs Neue, wie sehr Dankbarkeit die Haltung gegenüber dem Leben beeinflusst. Sie nährt sich aus Akzeptanz, Wertschätzung und tiefer Freude über das, was ist oder war. Dankbar richten sie ihre Aufmerksamkeit auf das, was im Leben gelingt, was ihnen Kraft gibt und sie trägt. Das fängt beim Lieblingsgericht an und zieht sich wie ein roter Faden durch den Alltag. Ihre Dankbarkeit macht sie zu glücklichen und äußerst zufriedenen Menschen.
In meinem Alltag fällt es mir manchmal schwer, für die kleinen und oft selbstverständlichen Dinge dankbar zu sein. Hektik, Herausforderungen oder Schwierigkeiten liegen oft oben auf. Dabei fallen die positiven Momente, für die ich allen Grund habe, dankbar zu sein, nicht sofort ins Gewicht.
Aber ich lerne von meinen Kindern, den kleinen schönen Augenblicken viel mehr Aufmerksamkeit zu schenken: ein herzliches Lachen, eine helfende Hand, ein Lächeln aus der Ferne, Vogelgezwitscher am Morgen, ja auch ein gutes Essen oder Sonnenschein.
Dankbar sein bringt mich zum Nachdenken und zum Staunen. Und diese Spur wiederum führt mich zu Gott, dem Ursprung und Schöpfer des Lebens. Dankbarkeit hat für mich daher auch eine spirituelle Dimension. Leben zu dürfen ist ein Geschenk, das ich aus Gottes Händen annehme.
Wenn ich mir immer wieder bewusst mache, wieviel ich anderen verdanke, werde ich auch dazu bereit sein, meinen Teil beizutragen. Und so entsteht ein Gefühl von Verbundenheit, weil Menschen geben und nehmen. Ich bin überzeugt: Dankbarkeit macht unser Leben reicher. Es ist eine innere Lebenshaltung: Nicht alles für selbstverständlich anzusehen und damit dem heutigen Anspruchsdenken wie ein Medikament entgegenzuwirken. Doch wie gelingt es mir, dankbarer zu werden? Ich glaube, es ist eine Frage der Perspektive. Dankbarkeit sieht nicht andere Dinge sondern sieht Dinge anders. Ich kann das einüben.
In der jesuitischen Tradition gibt es das "Gebet der liebenden Aufmerksamkeit". Es ist ein Tagesrückblick, der dabei hilft, auf den vergangenen Tag zu schauen und Gottes Spuren darin zu entdecken. Ignatius empfiehlt, die zurückliegenden Stunden vor Gott zu bringen und vor ihm einfach zu sein, ohne das Geschehene zu bewerten, ohne sich zu verurteilen oder etwas zu beschönigen. Ich darf versuchen, auf mein Leben zu schauen, wie Gott es tut – mit Liebe und Erbarmen. Solch ein Tagesrückblick bringt mich mit mir selbst in Kontakt und kann helfen, immer mehr in die Grundhaltung der Achtsamkeit, Dankbarkeit, der Versöhnung und des Vertrauens hineinzuwachsen.
Dieses Einüben gibt meinem Leben eine andere Grundstimmung, Grundfarbe und auch Grundmelodie: Es wird positiv, zuversichtlich, hell und fröhlich. Dankbarkeit ist der Generalschlüssel zur Lebensfreude. Ich habe ihn in meiner Hand und kann damit verschlossene Türen öffnen.
Auch ein Teller Spaghetti kann Türen öffnen, das weiß ich jetzt. Ich bin dankbar für die Dankbarkeit meiner Kinder, aber auch für ihren Mittagessenswunsch … denn schließlich sind Spaghetti auch mein Leibgericht.