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"Weltgebetstag gegen Menschenhandel"

Morgenandacht, 08.02.2023

Andreas Britz, Bellheim

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„Du sollst nicht stehlen.“ So heißt es in den Zehn Geboten, die Gott dem Mose auf dem Berg Sinai übergab. Dabei – so scheint es – geht es um den Schutz des Eigentums. Könnte man denken. Tatsächlich aber steht die Freiheit des Menschen im Mittelpunkt. Denn das Gebot „Du sollst nicht stehlen“ untersagte im alten Israel den Menschenraub. Niemand hat das Recht, einen anderen Menschen zu entführen und ihn in die Sklaverei zu verkaufen.

Leider ist diese schlimmste Form der Freiheitsberaubung auch im 21. Jahrhundert noch aktuell. Noch immer werden Menschen verschleppt, ausgebeutet, ja sogar versklavt. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind gegenwärtig rund 40 Millionen Männer, Frauen und Kinder Opfer skrupelloser Menschenhändler. International tätige Banden organisieren ganze Netzwerke der Zwangsprostitution. Hinzu kommt die Ausbeutung durch Zwangsarbeit oder häusliche Leibeigenschaft. Die Einnahmen im Menschenhandel werden auf jährlich rund 100 Milliarden Euro geschätzt.

Den heutigen 8. Februar begeht die Katholische Kirche seit 2015 als „Weltgebetstag gegen den Menschenhandel“. Papst Franziskus hat ihn eingeführt. Franziskus stellt klar: „Der Handel mit Menschen, eine andere Form der Sklaverei (…), verletzt die gottgegebene Würde von sehr vielen Brüdern und Schwestern und stellt ein echtes Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.“

Das Datum für diesen Weltgebetstag hat der Papst nicht zufällig gewählt. Heute gedenkt die Kirche der Heiligen Josephine Bakhita, der Schutzpatronin gegen den Menschenhandel. Bakhita selbst lebte jahrelang in der Sklaverei. 1869 im Sudan geboren, entführen arabische Händler das schwarze siebenjährige Mädchen und verkaufen es auf dem Sklavenmarkt. Wie zum Hohn geben sie ihrem Opfer den Namen „Bakhita“, was übersetzt so viel heißt wie „Du hast Glück gehabt“. Bakhita wechselt fünfmal ihren Besitzer, ehe sie von ihrem Herrn an einen italienischen Kaufmann verschenkt wird. Der nimmt sie als Kindermädchen mit in seine Heimat.

Mit 21 lässt sich Bakhita christlich taufen. Drei Jahre später tritt sie in Venedig einer Ordensgemeinschaft bei. Über 50 Jahre lebt sie bescheiden im Kloster. Sie arbeitet in der Küche, sitzt an der Pforte und kümmert sich um rund 100 Waisenkinder. „Santa madre moretta“ - „Heilige braune Mutter“ wird sie von den Einheimischen genannt. Bakhita stirbt am 8. Februar 1947. Im Jahr 2000 spricht Papst Johannes Paul II. die ehemalige Sklavin heilig.

Nur selten ist der moderne Menschenhandel ein Thema in den Medien. Erst durch die umstrittene Fußball-WM in Katar sind viele darauf aufmerksam geworden. So etwa auf das traurige Schicksal zehntausender ausgebeuteter Bauarbeiter oder auf die vielen Frauen aus Indonesien, Sri Lanka oder den Philippinen, die als rechtlose Hausangestellte der Willkür ihrer Herrschaften in Katar ausgesetzt sind.

Aber auch bei uns verdienen Kriminelle Unsummen im Menschenhandel. Man schätzt, dass etwa 15000 illegal eingeschleuste Menschen für einen Hungerlohn schuften. Die meisten kommen aus Osteuropa, Afrika und Asien. Tätig sind sie in der Gastronomie, in der Reinigungsbranche, in der Lebensmittelindustrie, im Baugewerbe. Vor allem aber in der Prostitution. Deshalb sind hierzulande fast drei Viertel der Opfer Frauen.

Der heutige „Weltgebetstag gegen den Menschenhandel“ erinnert daran, dass die Sklaverei kein abgeschlossenes Kapitel in den Geschichtsbüchern ist. Sie gehört zu den größten Skandalen unserer Zeit.

Über den Autor Andreas Britz

Andreas Britz, Jahrgang 1959, studierte Katholische Theologie und Geschichte in Trier. Seit 1989 unterrichtet er am Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasium im südpfälzischen Germersheim und ist Regionaler Fachberater für Katholische Religion. Zudem ist Britz Autor zahlreicher Unterrichtsreihen und Rundfunksendungen in den Hörfunkprogrammen des SWR.

Kontakt: andreasbritz@web.de