Die Hoffnung stirbt zuletzt! Mit einem Schmunzeln im Gesicht wird das oft gesagt. Wer aber wirklich am Ende seiner Hoffnungen angekommen ist, dem ist nicht mehr nach Lachen zumute. Wenn ein Arzt die schonungslose Wahrheit ausspricht: "Es besteht nur noch wenig Hoffnung." Wenn Träume zerplatzen, eine Beziehung endgültig zerbricht. Wenn Pessimismus und Angst dominant werden, gerade auch im Hinblick auf die großen Zukunftsfragen unserer Welt. Die globalen Verwerfungen, Krisen und Kriege verunsichern zusätzlich. Demagogen aller Couleur nutzen dies für ihre eigene politische Agenda. Nicht wenige schauen deshalb auf die kommende Bundestagswahl mit Sorge. Ist unsere liberale Demokratie wirklich wetterfest, resistent gegen fundamentale Infragestellungen, die geschürt werden von Falschbehauptungen und Angstszenarien?
Die Hoffnung stirbt zuletzt! Gibt es Grund zur Hoffnung?
Der Schriftsteller Franz Kafka hat uns in seinen nachgelassenen Schriften eine äußerst knappe Gleichniserzählung hinterlassen. Die Person der Handlung trägt einen merkwürdigen Namen. Sie heißt: Hoffnungslos. Kafka erzählt:
"Hoffnungslos fuhr in einem kleinen Boot um das Kap der Guten Hoffnung. Es war früh am Morgen, ein kräftiger Wind blies. Hoffnungslos steckte ein kleines Segel auf und lehnte sich friedlich zurück. Was sollte er fürchten im kleinen Boot, das mit seinem winzigen Tiefgang über alle Riffe dieser gefährlichen Gewässer mit der Gewandtheit eines lebendigen Wesens glitt."
Die Erzählung ist voller Paradoxien. Der Mann heißt Hoffnungslos, und das am Kap der Guten Hoffnung. Zweimal bin ich selbst dort gewesen, habe das brodelnde Meer gesehen, unzählige Schiffe sind dort schon gesunken. Das Kap der Guten Hoffnung ist zugleich das Kap der Stürme. Doch Hoffnungslos wagt sich hinaus, riskiert die Umrundung des Kaps, in einem kleinen Boot mit einem kleinen Segel, das an den tückischen Riffen nicht zerschellen wird, weil es nur wenig Tiefgang hat. Hoffnungslos im Wind einer nicht zu fassenden Hoffnung … Es wird schon gutgehen. Hoffen gegen alle Hoffnung …
Wer Hoffnung hat, gibt sich keinen Illusionen oder falschen Träumen hin, diese lähmen und verleiten zur Tatenlosigkeit. Wer hofft, packt an, aber mit einem gesunden Vertrauen in die Zukunft, dass nicht alles den Bach runtergeht. Als Westfale mag ich trotzdem das bekannte Kölner Grundgesetz: "Et hätt noch emmer joot jejange!" Was gestern gut ging, wird es auch morgen noch, hoffentlich. Und gern singe ich mit dem Liedermacher Stefan Sulke: "Du lieber Gott, komm doch mal runter und schau dir die Bescherung selber an!" Glauben zu können, dass Gott sich nicht raushält aus seiner Welt und an unserer Seite bleibt, ist nicht nur tröstlich, sondern Grund einer Hoffnung, die sich hinauswagt in stürmische Gewässer.
In Heraklion auf Kreta habe ich die Grabinschrift eines der größten griechischen Schriftsteller gelesen, Nikos Kazantzakis. Er war der Schöpfer des berühmten Romans "Alexis Sorbas". Auf seinem Grabstein steht: "Ich hoffe nichts, ich fürchte nichts. Ich bin frei." Ich gönne ihm sehr seine Furchtlosigkeit und innere Freiheit. Aber hoffnungs-los? Nichts mehr zu hoffen? Als ich das gelesen habe, habe ich ihm leise zugemurmelt: "Nee, Nikos, das sehe und glaube ich anders! Die Hoffnung, sie stirbt nicht zuletzt. Die nehme ich mit, auch in stürmischen Zeiten, sogar im Tod."