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Internationaler Frauentag

Morgenandacht, 08.03.2024

Kaplan Bernhard Holl, Berlin

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Der heutige Internationale Frauentag ist kein kirchlicher Feiertag.

Das überrascht jetzt bestimmt niemanden. Schließlich ist die katholische Kirche nicht gerade als Frauenrechts-Organisation bekannt. Aber tatsächlich ist das Anliegen des Welt-Frauen-Tages eben auch in der Kirche heute viel präsenter als zu anderen Zeiten. Und das zeigt sich nicht nur in Diskussionsrunden und Reformpapieren.

Wenn man auf einen Blick wissen will, was aktuell in der katholischen Kirche los ist, dann schaut man sich am besten die Verehrung der Heiligen an: Wer wird in besonders hohen Ehren gehalten? Und was genau findet man an denjenigen bewundernswert? Welche Gedenktage werden besonders feierlich begangen, und welche eher übersehen? Über wen gibt es neue Bücher und Biographien? Und nach wem werden neu gegründete Pfarreien und Einrichtungen benannt? Das sagt schon eine Menge darüber aus, was dem Kirchenvolk gerade wichtig ist, und welche Sorgen, Wünsche und Ideale vorherrschen.

So ist es kein Zufall, dass die heilige Junia gerade erst wiederentdeckt wurde. Dort, wo Paulus sie im Römerbrief erwähnt, hatte man lange Zeit den männlichen Namen Junias gelesen – die grammatische Form im Griechischen lässt theoretisch beide Interpretationen zu. Nur konnte man sich eine Frau, die zu den Aposteln gezählt wird, bis vor kurzem nur schwer vorstellen. Heute sieht das nicht nur die kritische Forschung anders. Auch die offizielle katholische Einheits-Übersetzung spricht in der neuesten Auflage ganz selbstverständlich von der weiblichen Junia.

Spannend finde ich auch, wie sich im Laufe der Zeit das Bild mancher Heiliger komplett verändert hat. Frauen wie Katharina von Siena, Theresa von Avila, Hildegard von Bingen oder Elisabeth von Thüringen waren schon immer populäre Heilige. Aber noch im 20. Jahrhundert hoben fromme Biographien vor allem Tugenden wie Demut hervor, Keuschheit, Dienstbereitschaft, Gehorsam, Selbstaufopferung und Bedürfnislosigkeit. Heute sehen wir in denselben Heiligen viel mehr starke Frauen, brillante Denkerinnen und oft charismatische Organisatorinnen und Anführerinnen. Klar, es ist ja nicht ausgeschlossen, dass gerade eine Heilige gleichzeitig bescheiden und selbstsicher sein kann, pflichtbewusst und unbeugsam. Aber der Unterschied in der Betonung ist schon sehr deutlich.

Sicher gibt es auch in alle Richtungen fromme Übertreibungen, Auslassungen und Wunschdenken. Aber das ist nicht das Problem. Das Leben der historischen Heiligen war schon immer auch eine Projektionsfläche für die Ideale der Gegenwart. Und das ist in Ordnung so. Schwierig wird es nur, wenn die vielen verschiedenen Biographien alle einem einzigen Typus angeglichen werden. Denn das Schöne an der christlichen Heiligenverehrung ist doch gerade, dass sie so vielfältig ist – eben auch, was Frauen angeht. Da gibt es Heilige aus allen Völkern und Weltteilen, Königinnen und Sklavinnen, Ordensfrauen und Mütter, Wissenschaftlerinnen und Arbeiterinnen, kontemplative Beterinnen und zupackende Heilige der Nächstenliebe, jugendliche Märtyrinnen und hochbetagte Glaubens-Zeuginnen.

Gerade für mich als Mann wäre es jetzt vermessen, zu behaupten, die Vielfalt wäre auf jeden Fall schon groß genug und an Vorbildern für die kommenden Generationen wäre schon alles dabei. Manche Facetten davon, wie ein gottgefälliges Leben als Frau aussehen kann, fehlen wirklich noch im großen Heiligen-Kalender der Kirche. Aber warum sollten sie in Zukunft nicht noch dazu kommen? Die heiligen Frauen, deren Auftrag und Bedeutung für die Gemeinschaft der Gläubigen denen von Päpsten und Bischöfen gleichkommt; und die vielleicht eines Tages diese Ämter auch ganz offiziell bekleiden werden.

Über den Autor Kaplan Bernhard Holl

Bernhard Holl ist seit 2014 Priester im Erzbistum Berlin. Er studierte Geschichte in Leipzig und Berlin sowie Theologie in Erfurt und Buenos Aires. Neben seiner Tätigkeit als Seelsorger forscht und publiziert er zu kirchenhistorischen Themen. 2022 Promotion in Religionswissenschaft an der Universität Potsdam.

Kontakt: bernhard.holl@erzbistumberlin.de