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Internationaler Frauentag – Empfindliche Lücken schließen

Morgenandacht, 08.03.2025

Vera Krause, Köln

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In den Schriften des Neuen Testaments der Bibel gibt es eine empfindliche Lücke. Da spricht der Apostel Paulus in seinem ersten Korintherbrief [1] davon, dass Ostern "der Grund ist", auf dem die junge Kirche steht. Also jenes Ereignis, an dem Jesus Christus vom Tod auferweckt wurde. Und Paulus fügt an, wie es weiterging: dass der Auferstandene dem Petrus erschien, dann vielen Jüngern einzeln oder in Gruppen und zuletzt auch Paulus selbst. – All das stimmt mit den anderen biblischen Berichten überein und doch fehlt hier ganz Entscheidendes: es fehlen die Frauen.

Alle vier Evangelien der Bibel nämlich berichten von Maria aus Magdala als der ersten Zeugin der Auferstehung Jesu. Mal ist sie es allein, mal ist sie es gemeinsam mit anderen Frauen, von denen sehr präzise berichtet wird. Sie sind, noch vor Petrus oder weiteren Jüngern, die ersten Zeugen von Ostern überhaupt: Zeuginnen. Sie erhalten als erste den Auftrag zu verkündigen: Jesus lebt! Er ist auferstanden! Er geht uns voraus und wir werden ihn sehen! Sein Vater ist unser Vater und sein Gott ist unser Gott! [2]

Die Evangelien berichten auch, wie Petrus und andere zunächst nicht glauben, was Maria aus Magdala und die anderen Frauen zu sagen haben. Sie halten es "für Geschwätz"[3]. Nicht weiter der Erwähnung wert, wie wir bei Paulus sehen.

So nahm und so nimmt die Christentumsgeschichte ihren Lauf – als Teil der ganzen Menschheitsgeschichte, in der es da, wo Frauen wichtig waren und wichtig sind, noch immer empfindliche Lücken gibt: in der Wahrnehmung und Würdigung sowie in der Anerkennung und Darstellung dessen, was Frauen tatsächlich bewirken. Das hat weitreichende negative Folgen. Für Mädchen und Frauen weltweit. Bis heute. Und genau auf diese Zusammenhänge weist der heutige Internationale Frauentag hin.

Notwendigerweise ist dieser Tag mehr ein Solidaritäts- und Aktionstag denn ein Feiertag. Denn Frauen und Mädchen erleiden noch immer weltweit und alltäglich Diskriminierung und schwerste Menschenrechtsverletzungen. Hintergrund ist fast immer der Konflikt um ihre Rolle: Was gesteht man(n) Frauen zu?

In fast allen Lebensbereichen finden sich diese empfindlichen Lücken: schlechter Zugang zu Bildung oder Gesundheitsversorgung; kein Recht zu erben, zu besitzen, einen Beruf auszuüben oder ein Geschäft zu führen; Beschränkungen, frei auf die Straße zu gehen, die eigene Meinung zu äußern oder selbstbestimmt zu leben; im Vergleich niedrige Löhne, kleine Renten, viel unbezahlte Arbeit, zu wenig politische Teilhabe und zu selten die Ausübung höchster Ämter. All das, obwohl sich nachweislich etwa Bildung und Gesundheit für alle verbessern, die Wirtschaft wächst und die Armut zurückgeht, wo Frauen mitentscheiden und mitgestalten.

Und in der Religion? Ich bin Christin. Ich bin katholisch. Im letzten Oktober hat Kurienkardinal Kevin Farrell in einer Bußfeier im Petersdom in Rom in Anwesenheit des Papstes folgende bemerkenswerte Bitte gesprochen:

"Ich bitte um Vergebung im Namen aller in der Kirche, besonders im Namen von uns Männern, die wir uns schämen für all die Zeiten, in denen wir die Würde der Frauen nicht anerkannt und nicht verteidigt haben, in denen wir sie zu stummen Menschen gemacht haben, die nicht selten ausgebeutet wurden […] Vergib uns, Herr." [4]

Es ist also Zeit, nicht einfach weiterzumachen. Am Anfang war ja auch alles ganz anders: Da hat eine Frau, Maria aus Nazaret, unter belastenden Umständen "Ja" gesagt und den Erlöser Jesus Christus zur Welt gebracht. Und da hat eine Frau, Maria aus Magdala, als erste Zeugin der Auferstehung Jesu, der Welt die Botschaft gebracht von der Liebe und dem Leben stärker als der Tod. Daran glaube ich.


[1] Vgl. 1 Kor 15,1-11: Das Bekenntnis zu Tod und Auferweckung Christi.

[2] Vgl. Mt 28, Mk 16, Lk 24, Joh 20.

[3] Vgl. Mk 16,11 und Lk 24,11.

[4] Vgl.: https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2024-10/wortlaut-busse-ritus-vergebung-bitten-mea-culpa-synode-petersdom.html .

Über die Autorin Vera Krause

Vera Krause, Jahrgang 1970, studierte Kath. Theologie, Politikwissenschaft und Soziologie in Münster und Mumbai/Indien. Nach wissenschaftlichen Tätigkeiten an der Universität und im Verlagswesen, war sie viele Jahre in den Bereichen Weltkirche und im Religionsdialog tätig: als Referentin für Bildung und Pastoral bei MISEREOR, als theologische Grundsatzreferentin in der Geschäftsführung von ADVENIAT sowie als Leiterin der Stabsstelle für weltkirchliche Aufgaben und den Dialog mit den Religionen im Erzbistum Berlin.

Heute leitet Vera Krause die Diözesanstelle für den Pastoralen Zukunftsweg im Erzbistum Köln. Sie wurde im Jahr 2008 als erste katholische Frau mit dem Deutschen Ökumenischen Predigtpreis ausgezeichnet; zahlreiche Veröffentlichungen, Tagungen und (Exerzitien-)Kurse mit den Schwerpunkten Theologie des Gebets und des geistlichen Lebens, Bibel, Mystik und Kontemplation, Weltreligionen, kirchliches Leben.

Kontakt: vera.krause@erzbistum-koeln.de oder www.erzbistum-koeln.de