Zweimal erzählt die Bibel von der Erschaffung der Welt.
Die erste Erzählung ist ein kunstvoll gestaltetes Schöpfungslied; am Ende bilanziert Gott im Blick auf das Ganze, das auf sein bloßes Wort hin entstanden ist: "Siehe, alles war sehr gut!" Die zweite Erzählung ist dagegen viel archaischer: Gott schafft aus der ungeformten Erde wie ein Pflanzer; er legt einen Garten an, lässt regnen, formt den Menschen. Wohnsitz des Menschen ist der Garten. Ihn soll er bearbeiten und hüten. So weit, so gut.
Doch es ist nicht gut. Gott sieht auf das bisherige Schöpfungswerk. Aber anders als in der ersten Schöpfungserzählung ist er nicht zufrieden. Das erste Wort, das Gott in diesem Mythos sich selbst sagt, ist die Feststellung: "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist." In den Augen Gottes ist die Schöpfung so lange misslungen, wie der Mensch ein einsames Wesen ist. Er braucht ein Gegenüber, das ihm ebenbürtig ist.
Ein erster Versuch, die Einsamkeit zu beheben, sind die Tiere. Gott stellt sie dem Menschen zur Seite. Aber dieser erste Versuch greift immer noch zu kurz. Ein Tier bzw. Haustier mag etwas Wunderbares sein. Die letzte und tiefste Einsamkeit des Menschen können aber auch sie nicht lindern, so wenig wie der anmutige Paradiesgarten mit seiner Nahrungsfülle. Ein voller Bauch und ein Streichelzoo füllen kein einsames Menschenherz.
Das kann nur der andere Mensch. Und so macht Gott einen neuen Anlauf gegen das Alleinsein. Er lässt Adam einschlafen, modelliert einen zweiten Menschen, und aus dem Tiefschlaf seiner Einsamkeit erwacht Adam und schaut in die Augen eines anderen Menschen. In ihm erkennt er sich wieder. Im Hebräischen erblickt der Isch, der Mann, die Ischah, die Männin, wie man wörtlich übersetzen müsste. Sie, die Frau also, wird ihm entgegengeführt, und Adam bricht in Jubel aus: Das endlich ist Fleisch von meinem Fleisch! Artgenossen eben, einander ebenbürtig und eine gegenseitige Hilfe und Entsprechung. Erst jetzt ist die Schöpfung wirklich gelungen.
Der Journalist Ludwig Börne bringt es im frühen 19. Jahrhundert auf den Punkt: "Vieles kann der Mensch entbehren, nur den Menschen nicht." Wahrscheinlich kannte er nicht nur die Schöpfungserzählungen der Bibel, sondern auch den Mythos, den Platon in seinem Dialog über die Liebe, im Symposion, erzählt: dass der Mensch ursprünglich ein androgynes, also ein mannweibliches Wesen war; dass er deswegen einer Kugel glich, dass Zeus diese ursprüngliche Einheit mitten entzweigeschnitten hat, damit der Mensch nicht zu mächtig würde. Und seitdem suchen sich die zwei Hälften gegenseitig, vergehen vor Sehnsucht, bis sie sich gefunden haben, die Frau den Mann und umgekehrt, aber auch der Mann den anderen Mann. Und heute würde man hinzufügen: auch die Frau, die andere Frau. Und Platon kommt zu dem Ergebnis: "Seit so alter Zeit also ist der Eros, das Verlangen zueinander, den Menschen eingepflanzt. Er versucht, eins aus zweien zu machen und die Natur des Menschen zu heilen."
Ich erstehe nur zu gut, warum Christen den Eros der Vereinigung zweier Menschen segnen und als Katholiken die Ehe sogar ein Sakrament nennen. Ein Sakrament ist für mich ein Zeichen der Nähe Gottes. Wo Menschen sich verbinden, werden sie füreinander ein solches Zeichen. Sie zeigen einander durch ihre Verbundenheit und Liebe, wie gut Gott es mit uns Menschen meint. In einer Freundschaft, in einer Partnerschaft, auch in einer gleichgeschlechtlichen, und erst recht in einer Ehe heilen wir die Natur des Menschen. Denn es ist nicht gut, dass er allein ist. Es ist gut und schön, einem anderen Menschen sagen zu können: Wie gut, dass es dich gibt! Auf dieser Sehnsucht und Verbundenheit liegt Gottes Segen.