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Olympische Spiele

Morgenandacht, 08.08.2024

Kaplan Andreas Hahne, Viersen

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Nur noch ein paar Tage laufen die Olympischen Spiele in Paris. Mich fasziniert es zu sehen, wie tausende von Sportlerinnen und Sportler aus aller Welt sich in den jeweiligen Disziplinen miteinander messen. Es ist der Höhepunkt für jeden Sportler, und welche Wege werden dafür beschritten: Über Monate müssen sie ein hohes Niveau halten, um die begehrten Plätze zu ergattern. Dafür braucht es neben Talent auch jede Menge Ehrgeiz und Disziplin. Manche arbeiten während ihrer ganzen Karriere darauf hin, einmal an diesem Event teilnehmen zu können. Das olympische Motto ist für alle Zeiten wahr und richtig: Dabei sein ist alles.

Klar, es geht hier auch um Geld und Sponsoren. Dennoch spüre ich hier eine Atmosphäre, die es bei anderen Sportereignissen so nicht gibt. Ein Symbol dafür ist für mich das Olympische Dorf. Hier wohnen die Sportlerinnen und Sportler aus vielen Nationen zusammen. Dadurch entsteht ein buntes Bild. Alle verbindet dort die Leidenschaft für ihren Sport.

Mich erinnert das an einen Text aus dem Alten Testament der Bibel, der dem Propheten Jesaja zugeschrieben wird. Darin berichtet Jesaja von der Vision einer unvorstellbar großen Wallfahrt. Viele Völker, so heißt es in dem Text, werden sich auf den Weg zum Berg Gottes machen (vgl. Jes 2,3). Diese Völkerwallfahrt ist eine Vision eines umfassenden Friedens, der einmal am Ende der Zeit eintreten und die ganze Welt erfassen soll. "Dann", so heißt es da, werden die Menschen "ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und die Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg." (Jes 2,4)

Doch es ist nicht nur der Friede, der da so verlockend geschildert wird: jeder will dabei sein, denn bei dieser Wallfahrt werden sie Gott begegnen. Der Glaube an einen umfassenden Frieden ist heute in weite Ferne gerückt – bei all den Konflikten und Kriegen in der Welt – aber trotzdem oder gerade deswegen gefällt mir die Vision so gut. Menschen aus aller Welt kommen zusammen, streiten sich nicht und führen auch keine Kriege mehr. Alle verbindet dasselbe Ziel: Gott anzubeten, sicher auf eine jeweils ganz persönliche Art. Und so geben sie ein friedliches Bild ab.

Ein bisschen steckt diese Vision bei allen Unterschieden für mich auch in den Olympischen Spielen. Jedenfalls dann, wenn der Blick nicht zu schnell auf den Medaillenspiegel fällt, der zeigt, welche Nation die beste ist. Zwar schweigen in dieser Zeit die Waffen nicht, wie es in der Antike gewesen sein soll, wenn die Olympischen Spiele stattfanden. Aber hier zeigt sich, wie es ist, wenn alle zu einem gemeinsamen Ziel unterwegs sind. Sie geben ihr Bestes und holen alles aus sich heraus, gerade im Wettkampf mit anderen.

Doch bei allem Konkurrenzdenken merken sie: Die Person, die neben mir rennt, ist nicht bloß meine Gegnerin, sondern auch eine Gleichgesinnte, denn wir lieben beide unseren Sport und haben dasselbe Ziel vor Augen. Wir wissen genau, wie der andere jetzt fühlt, im Sieg wie in der Niederlage. Vielleicht ist das der Grund, warum gerade bei den Olympischen Spielen hinter der Ziellinie so oft die Freude und Verbundenheit aller Athleten zu erkennen ist, beim Sieger wie bei den Nächstplatzierten.

Bei der biblischen Vision des Jesaja gibt es keine Zweit- oder Drittplatzierten, aber auch sie erkennen ihre Gemeinsamkeit: Gott, der sie alle erschaffen hat und der am Ende der Zeiten auf sie wartet. Wenn er hinter der Ziellinie des Lebens wartet, kann es nur heißen: Dabei sein ist alles.

Über den Autor Andreas Hahne

Andreas Hahne, geb. 1984, ist Kaplan in der kath. Kirchengemeinde St. Remigius, Viersen. Er hat von 2017 bis 2021 Theologie in Frankfurt/Sankt Georgen und Brixen (Südtirol, Italien) studiert. 2023 ist er in Aachen zum Priester geweiht worden. Vor seinem Theologiestudium hat er als IT-Berater und Projektleiter in Köln gearbeitet. Seine Hobbys sind Volleyball, Wandern und Musik.

Kontakt: andreas.hahne@bistum-aachen.de