Es gibt Tage, die vielversprechend beginnen und Gutes verheißen. Und es gibt diese Tage, vor denen wir Angst haben. Von denen wir nicht wissen, wie wir dadurch kommen sollen.
Der 7. April 1945 war für einige Häftlinge in den Gefängnissen der Nationalsozialisten ein Tag, der unerwartet hoffnungsvoll begann. Alle Bedrohung schien sich auf einmal in Luft aufzulösen. Festgenommen wegen ihres Engagements im Widerstand, waren sie zuerst in Berlin in einem SS-Gefängnis eingesperrt. Nach schweren Luftangriffen auf Berlin wurden die Gefangenen dann in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Aber auch von hier mussten sie wegen der heranrückenden Front wieder verlegt werden. Jetzt war es nur eine kleine Mädchenschule in einem winzigen bayerischen Dorf, die ihnen als Gefängnis diente. Aus der Ferne hörten sie den Kanonendonner der Alliierten. Alle ahnten: Die Zeit des Terrors geht zu Ende.
Im Klassenzimmer gab es einen Stromanschluss. Ein Engländer holt seinen elektrischen Rasierer hervor und gibt ihn an die anderen Gefangenen weiter. Frisch rasiert ist morgens ein gutes Gefühl. Durch das Fenster dringt bereits Frühlingsluft in den Klassenraum. Ein herrlicher Tag. Und der nächste Tag, der 8. April 1945, beginnt ebenfalls verheißungsvoll. Es ist der Weiße Sonntag, der Sonntag nach Ostern"[1]. Einer der Gefangenen ist evangelischer Pastor. Sein Name Dietrich Bonhoeffer. Die Mitgefangenen bitten ihn, eine Andacht zu halten. Er liest aus der Bibel vor, aus dem neuen Testament: "Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns in seiner großen Barmherzigkeit wieder geboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi." (1. Petrus 1,3)
Hoffnung, das war jetzt kurz vor der Befreiung durch die Alliierten das neue Lebensgefühl der Gefangenen. Auch der 39-jährige Bonhoeffer hat Hoffnung. Er ist verlobt und will nun heiraten.
Doch es kommt anders. Noch am Abend wird Bonhoeffer abgeholt und in das KZ Flossenbürg gebracht. Nach einem Scheingerichtsverfahren wird er am nächsten Morgen zusammen mit anderen Widerstandskämpfern gehängt. Sein Leichnam wird verbrannt, die Asche hingeschüttet auf einen Acker. Von der Hoffnung, die eben noch ganz groß war, blieb nichts mehr übrig. Sie war zerstört.
Wirklich ganz zerstört? – Ein Mitgefangener, der Engländer mit dem Rasierapparat, berichtet vom Abschied Bonhoeffers, als er aus dem Klassenzimmer geführt wird: "Wir sagten ihm 'Auf Wiedersehen'", berichtet er, "da nahm mich Bonhoeffer beiseite. 'Dies ist das Ende', sagte er, und fügte hinzu 'für mich der Beginn des Lebens." [2]
Bonhoeffer lebte aus der Hoffnung. Seine Hoffnung war nicht an seine Befreiung geknüpft, auch nicht daran, bald zu heiraten, oder daran, dass es am 7. April so herrlich nach Frühling duftete. Seine Hoffnung war sein Glaube. Er glaubte der Geschichte des Jesus von Nazareth. Des Mannes voller Hoffnung, der das Leben predigte, der dafür aber sterben musste, der am Kreuz wirklich tot war, der drei Tage im Grab gelegen hatte, den aber der Tod nicht halten konnte. Und so wie Jesus starb, wusste auch Bonhoeffer, dass er sterben muss, aber so wie Jesus nicht im Tod blieb, so glaubte Bonhoeffer auch daran, nicht im Tod zu bleiben, sondern zu leben.
Die Hoffnung stirbt zuletzt – sagt ein Sprichwort. Aber auch wer zuletzt stirbt, ist irgendwann tot. Die Hoffnung, an die Bonhoeffer geglaubt hat, ist auch z u l e t z t nicht gestorben. Diese Hoffnung kann auch in schwersten Zeiten gute Tage schenken und auch den heutigen Tag in Hoffnung verwandeln, auch wenn gerade nichts dafürspricht. Es gibt diese Tage großer Hoffnungslosigkeit. Wenn wir Bonhoeffer glauben, kann auch ein solcher Tag "für mich der Beginn des Lebens" sein. Wer glaubt, der muss auch mit dem Schönsten rechnen.
[1] Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe, Christ, Zeitgenosse. München, Kaiser 1986, S. 1030ff.
[2] Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe, Christ, Zeitgenosse. München, Kaiser 1986, S. 1037.