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Wie viel Martina steckt in dir?

Morgenandacht, 09.01.2024

Thomas Macherauch, Bruchsal

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Würden Sie Ihren Rasenmäher ohne Hintergedanken einem Nachbarn ausleihen? Oder Ihr Musikinstrument ganz selbstverständlich einer Suchtkranken geben? Es gibt ein Kartenset, das genau solche Fragen stellt. Es heißt: "Wie viel Martina, wie viel Martin steckt in dir?" Das Set spielt auf Martin von Tours an, jenen Heiligen, der seinen Mantel ohne zu zögern mit einem Bettler geteilt hat. Und es will zum Nachdenken anregen: Kann auch ich zu einer Martina oder einem Martin werden, indem ich so handle wie der Heilige? Was würde ich mit anderen teilen? Und wo ist die Grenze?

Ich habe das Kartenset ausprobiert. Man zieht jeweils eine Karte aus drei Bereichen: Dinge, die ich teilen kann, ein Gegenüber, mit dem ich teile, und eine Haltung, wie ich das tue. So ergeben sich immer neue Kombinationen. Mit manchen Sätzen war ich sofort einverstanden: Ich teile meine Freizeit liebend gerne mit meiner Partnerin. Schwieriger wird es da schon, wenn Kollegen, Freunde oder Fremde meine freie Zeit beanspruchen. Ich helfe gerne weiter, höre zu, packe an oder teile mein Wissen. Wenn ich selber dadurch aber zu kurz komme oder mir die Zeit für die Familie fehlt, überlege ich mir das schon genauer.

So ganz "liebend gerne" teile ich übrigens auch mit Bettlern nicht. Da wäre vielleicht die Haltung aus dem Kartenset "mit mulmigem Gefühl" passender. Ich bin vorsichtig: Man hört viel von Betrügern, Bettler gibt es viele und ein paar Euro im Hut verpuffen schnell. Echte Hilfe braucht mehr. Ich lasse deshalb lieber dem Tafel-Laden immer wieder mal etwas zukommen. Da passt die Haltung "wohl überlegt" dazu, die es im Kartenset auch gibt. Die Tafel regelt, wie die Sachen verteilt werden. Allerdings wird so vieles gebraucht! Gerade mit einer Familie im Hintergrund kann ich aber nicht unbegrenzt Dinge hergeben oder Geld spenden. Ich muss doch auch schauen, dass wir alle gut über die Runden kommen.

Das Kartenset hat bei mir sein Ziel voll erreicht. Ich bin ins Grübeln gekommen. Und ich war frustriert. Jesus hat einmal zu einem reichen Mann gesagt: Verkaufe alles und gib es den Armen. Dann hast du einen Schatz im Himmel. Wenn dem so ist, dann gehe ich wohl leer aus. Das Kartenset hat mir gezeigt, dass ich ganz schnell an Grenzen komme und nur bis zu einem gewissen Punkt zu teilen bereit bin.

Ich habe diese Bibelstelle mehrmals gelesen und auch andere danebengelegt. Die von der Speisung der vielen Menschen zum Beispiel, wo keiner alles gibt, aber doch so viel zusammenkommt, dass am Ende alle satt werden. Mittlerweile glaube ich, Jesus hat seine Worte nicht ganz so streng gemeint. Ich denke, Jesus zeichnet ein Ideal. Man soll dem zwar nacheifern, abgeben und teilen so gut es geht. Aber Ideale können nur die wenigsten erreichen; alles hergeben kann kaum einer. Ich trage doch auch Verantwortung für mich und meine Lieben. Ich habe Verpflichtungen und muss auf vieles Rücksicht nehmen.

Diesen Gedanken habe ich in der Geschichte vom heiligen Martin wiedergefunden: Er teilt seinen Mantel. Aber er gibt ihn dem Bettler nicht ganz! Er behält eine Hälfte, um nicht selbst frieren zu müssen. Martin tut also, was er in dem Moment tun kann, und sorgt dabei so für sich, dass er auch künftig helfen kann. Das ist in den Augen Gottes offenbar genug.

Auf den Kirchenlehrer Bernhard von Clairvaux geht das Bild von der "Schale der Liebe" zurück. Er sagt: "Sei nicht wie ein Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt. Sei wie eine Schale, die empfängt. Erst wenn sie voll ist, gibt sie aus ihrer Fülle ab; ohne leer zu werden und ohne Schaden zu nehmen." Das ist ein Bild, das mir echt gut gefällt.

Wie viel Martin steckt in mir? Es ist wichtig, Dinge und Wissen, Zeit und Liebe zu teilen. Aber ich muss dabei abwägen, wie viel ich geben kann. Denn nur, wenn ich und meine Schalen gefüllt bleiben, kann ich immer wieder überfließen – und auch morgen noch wie Martin für andere da sein.

Über den Autor Thomas Macherauch

Als gebürtiger Karlsruher, geboren 1977, ist Thomas Macherauch nach seinem Studium der Katholischen Theologie in Freiburg Pastoralreferent in der Erzdiözese Freiburg geworden. Nach seiner journalistischen Medienausbildung am ifp München betreute er die Öffentlichkeitsarbeit seines Dekanats und war Pastoralreferent in der katholischen Seelsorgeeinheit Mühlhausen. Seit Februar 2015 ist Thomas Macherauch Dekanatsreferent im Katholischen Dekanat Bruchsal.

Kontakt: referent@kath-dekanat-bruchsal.de

Information: www.kath-dekanat-bruchsal.de