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Sei ganz!

Morgenandacht, 09.02.2024

Maria-Anna Immerz, Dillingen

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Bei dem Thema kann ich sicher sein: Die Unterhaltung wird munter. "Fastnacht" warf neulich einer als Stichwort in die Kollegenrunde. Sofort ging’s angeregt los. Schon bei der Frage, in welcher Region die närrische Zeit welchen Namen hat. "Faasnacht" ist in meiner Unterallgäuer Heimat, nur 60 Kilometer entfernt in Augsburg sagen sie Fasching. Fasnet, Karneval heißt es weiter im Westen und natürlich im Rheinland. Dann geht’s darum, wie wo welche Fastnachtstage heißen: Unsinniger Donnerstag war gestern für manche und verbreitet feierte man "Weiberfasching". Noch bunter wird der Flickerlteppich bei Fastnachtsbräuchen – von Narrensprung über Rathaussturm bis zu herzzerreißenden Riten, mit denen die Fastnacht am späten Fastnachts-Dienstag beerdigt wird.

Das alles zeigt: Fastnacht wurzelt tief in der Seele der Menschen und hat sich mit Mentalitäten verflochten. Man ist ausgelassen. Und: Zu den Fastnachtsriten vor allem im Süden der Republik gehört auch Wildes und Dunkles. Da bedient man sich für die Verkleidung schon mal der Schätze aus Scheune, Stall und Keller. Felle, Geweihe, Werkzeuge wurden und werden da bis heute ausgepackt. Damit spielt man in Riten die Kämpfe von Urgewalten der Natur und der Menschennatur durch. Schmutziger Donnerstag und Rußiger Freitag sagt man in Süddeutschland auch: Ja, das Dunkle muss Platz haben. Am Rußigen Freitag hat man bei uns Spaß daran, andere mit Ruß anzuschwärzen. Die Botschaft ist eindeutig: Keiner und keine braucht sich was vorzumachen: Auch Du hast nicht immer eine weiße Weste. Hexen, Teufel, Gespenster, Bären, Piraten im Fastnachtstreiben – sie holen ins Licht der Öffentlichkeit, was wir sonst geschickt und mit viel Anstrengung zu verbergen suchen.

Ja, Dunkles ist in mir – ich steh dazu, ich lass es raus. Meine Maske ist auch ein Bekenntnis. Vor den anderen und zusammen mit ihnen. Weil es doch in uns allen ist: Hinterhältiges oder Misstrauisches, Neid und Missgunst oder Geltungsdrang und Eitelkeit.

Vielleicht ist das der größte Schatz der närrischen Zeit: Der ehrliche Blick bekommt eine Chance – eben auch auf die Seiten, an denen wir "Dreck am Stecken" haben. Nicht, dass Menschen so sind, ist tragisch; sondern wenn Menschen nicht damit umgehen.

Wenn in einigen Tagen auf Fastnacht die Fastenzeit folgt, dann genau deshalb: Wir sind den dunklen Seiten in uns und im Miteinander nicht ausgeliefert. Wir können damit umgehen, sie formen und formen lassen.

Da ist Fastnacht ganz nah an der Christen-Religion. Nicht die mit der weißen Weste sondern die mit Ecken und Kanten, mit Zweifeln und Fehlern hat schon Jesus in seine Nähe geholt. Feigheit und Inkonsequenz der späteren Führungsfigur Petrus werden nicht weggeschminkt, sondern benannt. Nicht anders bei der Urgestalt des Glaubens, Abraham. Er folgt Gottes Ruf zum Aufbruch – und durchläuft einen Weg der Formung in Etappen. Misstrauen gegen Gott war so eine dunkle Seite – als der verheißene Nachwuchs sich nicht gleich einstellt, hat Abraham selber nachgeholfen mit seiner Magd.

Gottes Antwort darauf heißt: "Geh einher vor meinem Angesicht und sei ganz." (Gen 17,1) Eine Wahnsinns-Zusage: Geh deinen Weg – von mir, Gott, hast Du Rückendeckung! Eingepackt in bedingungsloses Wohlwollen braucht man nicht mehr zu verstecken, sondern kann dunkle Seiten anschauen und integrieren. "Geh einher vor meinem Antlitz und sei ganz." Eine gute Zusage am Rußigen Freitag.

Da kann dann sogar ein Gebet werden, wenn ich in den alten Fastnachtsschlager einstimme: "Gell, Du hast mich gellegern. Gelle, ich Dich auch – lieber Gott!"

Über die Autorin Maria-Anna Immerz

Maria-Anna Immerz, geboren 1959, studierte Philosophie und Theologie in München und in Freiburg im Breisgau. Seit 1985 ist sie Pastoralreferentin im Bistum Augsburg und somit aktiv in verschiedenen Tätigkeitsbereichen auf gemeindlicher und diözesaner Ebene. Frau Immerz ist diözesane Beauftragte und geistliche Beraterin für den Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Augsburg sowie für den Fachbereich Schwangerenberatung. Seit 2011 ist Frau Immerz Diözesanbeauftragte für den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk und seit 01.09.2013 Theologische Referentin im Generalvikariat. Frau Immerz lebt in Augsburg.

Kontakt: maria-anna.immerz@bistum-augsburg.de