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Notre Dame

Morgenandacht, 09.12.2024

Martin Korden, Bonn

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"Wir werden die Kathedrale noch schöner wieder aufbauen und ich möchte, dass es in fünf Jahren fertig ist." Das hat Emanuel Macron gesagt – kurz nach dem verheerenden Brand der Notre Dame in Paris im April 2019. Und er wurde dafür auch kritisiert, gerade von Fachleuten, die diesen Zeitplan für unmöglich hielten. Seit dem Wochenende wissen wir, der französische Präsident hat Recht behalten.

Die Notre Dame ist wiedereröffnet, gestern wurde der neue Altar geweiht und die allermeisten sagen sogar: Ja, sie ist tatsächlich schöner geworden, noch schöner als sie vor dem Brand war, die "Notre Dame", "Unsere Liebe Frau", wie die Franzosen sie nennen und wie sie ja auch heißt; denn die Kathedrale von Paris ist der Gottesmutter Maria geweiht, die in der Katholischen Kirche auch den Titel "Unsere Liebe Frau" trägt. Ganz bewusst wurde darum auch der 8. Dezember als Datum der Wiedereröffnung gewählt, der ein hoher Marienfeiertag ist.

Dass es möglich war in nur fünfeinhalb Jahren die so stark beschädigte Kirche wieder aufzubauen verwundert, und verwundert auch nicht. Denn es ist so viel Emotion und Herzblut dabei, wenn es um die Notre Dame geht, dass Wille und Ehrgeiz für den Wiederaufbau enorm waren. Das hat sich schon gezeigt daran, wie ergriffen die Menschen damals den Brand mitverfolgten, weit über Frankreich hinaus. Fernsehsender in ganz Europa übertrugen live und über Stunden bangten die Menschen mit, ob – nachdem Dach und Spitzturm bereits zerstört waren – auch die beiden Haupttürme fallen und damit die Kirche völlig zerstört würde. Die Zeitungen titelten am Tag darauf: Das Herz Frankreichs, ja mehr noch, das Herz Europas brennt und in der niederbrennenden Kirche sahen nicht wenige auch eine traurige Symbolwirkung. Hier fällt etwas zusammen, das unsere Kultur geprägt hat, ein fester Ankerpunkt über Jahrhunderte.

Die Liebe, die die Franzosen für die Notre Dame empfinden, mag verwundern. Frankreich, das ist doch das Land, das sich rühmt für seine strikte Trennung von Kirche und Staat. Das stimmt. Und doch zeigt sich gerade im Umgang mit der Notre Dame, dass diese Kirche eben auch für die Wurzeln und für das christliche Erbe der Franzosen steht. Das bleibt bestehen und das möchte man dann doch nicht aufgeben.

Und nicht zuletzt – und das ist vielleicht das berührendste – die Notre Dame ist für die Franzosen der Ort der Kraft und Zuflucht. Das hat sich in der Geschichte Frankreichs immer wieder gezeigt. De Gaulle ging 1944 nach der Befreiung der französischen Hauptstadt im Festzug direkt zur Notre Dame, um dort einen katholischen Dank-Gottesdienst feiern zu lassen. Nach den schrecklichen Terroranschlägen im November 2015 trafen sich die Einwohner der Stadt tagelang in und vor der Kirche, um gemeinsam zu singen, Kerzen anzuzünden und zu beten – als suchten sie gerade hier bei der Notre Dame Halt und Zuflucht. Sicher auch im Wissen darum, dass die Kirche genau dafür steht.

In der gotischen Architektur strebt alles nach oben, der Blick wird zum Himmel gelenkt. Der Mensch genügt sich nicht selbst, er braucht den staunenden aber auch suchenden Blick über sich hinaus: "Wo bist du Gott? Komm zur Hilfe. Wenn wir kein Zufallsprodukt sind, sondern von dir gewollt, wenn du unser Schöpfer bist, dann zeige jetzt deine Nähe. Wir brauchen dich."

Die Notre Dame, diese uralte Kirche, hat die Geschichte Frankreichs immer begleitet. Als sie im Zuge der Französischen Revolution zunächst bewusst umgedeutet wurde und dabei zu verwahrlosen drohte, machte die Bevölkerung klar, dass ihr diese gewollte Trennung zu weit ging. Eine Zerstörung der Notre Dame und ihrer Bedeutung – das lassen wir nicht zu. Das haben die Franzosen auch jetzt wieder eindrucksvoll bewiesen. Und letztlich klar gemacht: Die Kraft des Glaubens an unzerstörbare Werte ist stärker als ein Feuer.

Über den Autor Martin Korden

Martin Korden, geboren 1980 in Adenau, ist Beauftragter der Bischofskonferenz für Deutschlandradio. Eine erste Hörfunkausbildung erhielt er im Rahmen seines Wehrdienstes beim Truppenbetreuungssender "Radio Andernach". Anschließend studierte er in Trier und Brixen Katholische Theologie. Es folgte das journalistische Volontariat bei der Katholischen Fernseharbeit und eine langjährige Tätigkeit für DOMRADIO.DE in Köln.

Kontakt: m.korden@dbkradio.de