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Hauptsache gesund?

Morgenandacht, 11.06.2025

Pfarrer Christian Olding, Geldern

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"Hauptsache gesund!" Das ist ein Satz, der oft bei Geburtstagsbesuchen zu hören ist und vielfach mit wohlwollendem Kopfnicken und zustimmenden Äußerungen am Tisch aufgenommen wird. Ich frage mich dann, was heißt das eigentlich "Hauptsache gesund"? Ist es wirklich so, dass die Hauptsache meines Lebens, der ich mit allem Streben versuche nachzukommen, die Gesundheit ist?

Bin ich jetzt gerade gesund? Schaut man in die Definition der WHO, dann bedeutet Gesundheit, der Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheiten und Gebrechen. Gut, dass die WHO darauf hinweist, dass Gesundheit mehr bedeutet, als die Abwesenheit von Krankheit. Aber wenn Gesundheit heißt, es geht um den Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens, dann muss ich sagen, scheint Gesundheit wohl eine Utopie zu sein.

Darüber hinaus werden in unserer Gesellschaft immer noch Menschen aufgrund von Krankheiten stigmatisiert und ausgegrenzt. Dies reicht von Hauterkrankungen wie Neurodermitis bis hin zu Infektionen wie HIV. Betroffene Personen werden gesellschaftlich isoliert, so dass sie auf wesentliche Aspekte des Lebens verzichten müssen, insbesondere auf menschliche Nähe und Zuwendung. Auch heute noch erleben chronisch kranke Menschen nicht nur die Belastungen ihrer Krankheit, sondern auch die sozialen Folgen, die ihre Erkrankung mit sich bringt.

Schaue ich auf die Bibel, dann sehe ich, dass Jesus Menschen, die in ihrer ganzen Not zu ihm kamen, geheilt hat. Aber Tatsache ist auch, er hat sie nicht alle geheilt. Jesu Auftrag war offensichtlich nicht, alle Krankheiten in diesem Leben und in dieser Welt zu beseitigen. Und selbst die Menschen, die Jesus geheilt hat, sind irgendwann gestorben. "Hauptsache gesund" ist also kein Motto für die Ewigkeit. Am Ende wird sich die Gesundheit dem Tod geschlagen geben müssen.

Gesundheit ist ein hohes Gut, aber leider auch ein zerbrechliches, denn es gibt es kein Recht auf Gesundheit. Gesundheit ist ein Geschenk und zur Grundbedingung dieses Lebens werden immer Krankheiten und Leiden dazu gehören. Vielleicht war Jesu Absicht deswegen nie allein die Heilung; sondern Jesus ging es immer zutiefst um das Heil der Menschen. Dazu gehört, dass sie wieder "Ja" sagen können zu diesem Leben und zu ihrer Existenz. Das geschieht, wenn spürbar wird, dass da jemand ist, dem ich vertrauen kann, obwohl ich solch schlimmen Schmerz erleide. Wo ich mich geschützt fühle trotz der großen Verletzlichkeit. Wo ich aufrichtige Zuwendung erleben kann.

Dieses "Ja" zum Leben bedeutet aber nicht, dass sich alles Widerständige in Wohlgefallen und Luft auflöst. Dieses "Ja" zum Leben sollte auch dann gesprochen werden können, wenn die Umstände belastend sind, wenn wir gezeichnet bleiben – von einer Erkrankung beispielweise.

Zum christlichen Menschenbild gehört ganz wesentlich dazu, Menschen beizustehen und ihnen ein würdiges Leben auch dann zu ermöglichen, wenn eine Krankheit keine Heilung findet. Auch dann, wenn die Last des Lebens drückend ist und noch lange Zeit drückend bleiben wird. Denn, was das Leiden so unerträglich macht, ist die Einsamkeit im Leiden, das Nicht-Gesehen-Sein, dass Allein-Gelassen-Sein. Das macht die Last des Lebens erst so richtig drückend.

Wenn sich der Satz "Hauptsache gesund" als Utopie erweist, dann ist es das, was wir Menschen zu jedem Zeitpunkt schuldig bleiben: Sie nicht allein, sie nicht einsam in ihrem Elend zu lassen.

Über den Autor Pfarrer Christian Olding

Pfarrer Christian Olding, geboren 1983, wuchs in Niedersachsen auf. 2011 empfing er die Priesterweihe und ist derzeit in der Pfarrei St. Maria Magdalena am Niederrhein tätig. Mit seinem Projekt v_the experience arbeitet er daran, den Glauben in seiner ganzen Alltagsrelevanz zu vermitteln.

Kontakt: christian.olding@gmail.com
Internet: www.youtube.com/c/vtheexperience