In unzähligen Varianten und Formen werden jedes Jahr Adventskalender angeboten: auf ganz nostalgische Art mit kleinen Bildern hinter den Türchen, mit meditativen Texten, mit allerlei Gegenständen oder als aufwändige Luxusversion aus der Parfümerie.
Und dann gibt es auch den Sound-Adventskalender. Ein Druck auf das jeweilige Türchen und jeden Tag erklingt die Melodie eines Weihnachtsliedes. Es sind vor allem die gängigen, stimmungsvollen Evergreens, die man mitsingen kann.
Dass Lieder auch heute in die vorweihnachtliche Zeit gehören, bestätigen die Weihnachtspopsongs wie "Driving home for christmas" oder das zum Ohrwurm gewordene "Last Christmas", das meist schon bei den ersten Klängen mitgeschmettert wird.
Viele Kirchen laden in diesen Tagen zu einem Adventssingen ein. Da stehen dann die alten traditionellen, eher religiösen Lieder auf dem Programm. Ihre Texte mahnen zur Wachsamkeit und die Melodien klingen sehnsuchtsvoll. Gott wird angerufen, doch endlich zu den Menschen zu kommen. "Tauet Himmel", heißt es da und "Spring auf, o Erd" – die ganze Schöpfung soll mitwirken, dass die alten Verheißungen endlich wahr werden und Gott einen Heiland schickt, der die Menschen aus ihrer Not befreien wird. Auf ihn hat das biblische Volk Israel mit großer Hoffnung gewartet.
Im Grundton eines Adventslieds neueren Datums geht es ebenfalls um eine Wartezeit. Der Schriftsteller Jochen Klepper hat es 1937 gedichtet. Die ersten Zeilen lauten: "Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern." Jochen Klepper hat sich inspirieren lassen von einer Aussage des Apostels Paulus: "Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen." (Röm 13,12). Die Zeitspanne von tiefer Nacht bis hin zum Morgengrauen, die muss jedoch ausgehalten werden.
Oft symbolisiert die Nacht Unordnung, Unbekanntes, Bedrohliches und Angst. Gerade im Leben von Jochen Klepper hat sich die Nacht ausgebreitet. Immer wieder verdunkeln Schattenseiten sein Schicksal. Von Kindheit an ist er gesundheitlich angegriffen, kann deshalb nur bedingt die Schule besuchen und muss später auch sein Studium abbrechen. Er heiratet eine verwitwete jüdische Frau mit zwei Töchtern. Deshalb kommt es zum Bruch mit seiner antisemitisch eingestellten Familie. Als dann die Nationalsozialisten an die Macht kommen, kann er als Schriftsteller nicht mehr wie bisher veröffentlichen, alles unterliegt einer strengen Zensur. Er verliert seine Anstellung beim Hörfunk und schließlich wird er als Schriftsteller mit einem Berufsverbot belegt. Seiner Frau und der einen Tochter steht die Deportation in ein Konzentrationslager bevor. Er würde dies nicht ertragen, schreibt Klepper in sein Tagebuch. Als sich die letzten Hoffnungen zerschlagen, gehen sie alle drei in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1942 – heute vor 81 Jahren – gemeinsam in den Tod. Klepper vertraut dabei ganz auf Gott. Das geht aus anderen Liedzeile hervor, wo es heißt: „Gott will im Dunkeln wohnen und hat es doch erhellt.“ Und er verlässt sich darauf, dass Gott, der die Menschen behütet, nicht schläft. (vgl. Ps 121) Gott lässt den Morgenstern aufgehen, dessen Licht über die Nacht siegt.
Die großen und rettenden Taten Gottes ereignen sich in der Nacht, so berichtet es die Bibel, der Durchzug durch das Rote Meer, die Osternacht und vor allem die Weihnacht auf den Feldern von Betlehem. Gott ist da in den düsteren Zeiten, er steht den Menschen zur Seite, auch der Familie Klepper in ihrer Todesnacht. So kann sich ereignen, was Advent übersetzt heißt: Ankunft. Diese drei Menschen sind bei Gott angekommen und er hat sie in seine Liebe aufgenommen. Er verwandelt ihr dunkles Gestern in einen hellen Tag in seiner neuen Welt.