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Nein!

Morgenandacht | 12.06.2025

Pfarrer Christian Olding, Geldern

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Wir wollen immer das Richtige tun. Wir wollen es nicht zu einem Konflikt kommen lassen und bloß niemals wollen wir jemanden verletzen. Und damit all das auch gelingt, übernehmen wir Probleme, die niemals für uns vorgesehen waren: Die Verantwortungslosigkeit unserer Chefs, die Unzulänglichkeiten unserer Partner, die nie enden wollenden Beziehungsprobleme unserer Freunde, oder auch die Einsamkeit unserer Eltern. Deswegen braucht es ein gutes Gespür dafür, wann es dran ist, einfach mal Nein zu sagen.

Ein Nein ist existenziell für unsere Beziehungen, weil es klare und notwendige Grenzen schafft. Deswegen muss auch immer wieder der Blick darauf gehen, was eigentlich mein Nein verhindert. Oft fürchte ich, eine Beziehung aufs Spiel zu setzen, wenn ich Nein sage, wenn ich das nicht gebe, was man von mir verlangt. Anstatt aber in aller Ehrlichkeit meine Bedenken zu formulieren, gebe ich nach und tue Dinge, die ich am Ende sogar bereue.

Schuldgefühle können ebenfalls oft der Grund dafür sein, ein vorschnelles Ja anstelle des nötigen Nein zu sagen. Ich nehme lieber den Schmerz und die Belastung in Kauf, die mir das Ja abverlangen, als die Themen anzugehen, die mir durch den inneren Widerstand signalisiert werden. Wenn eine Beziehung von Schuldgefühlen oder Druck geprägt ist, atmet sie keine Freiheit mehr und bietet kaum Raum, ein aufrichtiges Nein zu sprechen.

Schließlich kann die eigene Unfähigkeit, mit Schmerz und Enttäuschung umzugehen, mich dazu anhalten, ständig zuzustimmen. Weil ich selbst Enttäuschungen schwer ertragen kann, mag ich dieses Gefühl auch anderen nicht zumuten und will sie davor bewahren. Doch das hat am Ende etwas Egomanes. Weil ich meine persönliche Auseinandersetzung scheue, nehme ich auch anderen die Gelegenheit dazu.

Jedes nicht aufrichtig gesprochene Nein führt zu Beziehungsproblemen, weil es sehr wahrscheinlich ist, dass ich es auf andere Art und Weise kompensiere. Ich werde im Stillen grollen, mich heimlich zurückziehen. Ich werde Menschen Dinge nachtragen oder sie auf Distanz halten. Damit werde ich vor allem Menschen verletzen, die ich eigentlich liebe. Ich werde Situationen heraufbeschwören und provozieren, die ein aufrichtig und echt gesprochenes Nein von vornherein hätte vermeiden können.

Zum Beispiel: Ein Familienmitglied ruft fast täglich an, um Hilfe bei kleineren technischen Problemen zu bekommen – Computer, Handy, Fernseher. Warum hier ein ehrliches Nein nötig ist? Ich merke, dass es mich stresst, weil ich neben Beruf, Familie und eigenen Aufgaben keine Ruhe finde.

Oder eine andere Situation: Ein Verwandter macht bei jedem Treffen spöttische Bemerkungen über meinen Lebensstil, z. B. meine Karrierewahl, Ernährung oder Single-Dasein. Warum ein Nein nötig ist? Zum Schutz meiner Würde und Selbstachtung.

Diese Art von ehrlichem, aber respektvollem Nein klärt nicht nur meine Position. Sie macht auch klar, dass meine Bedürfnisse wertvoll sind. Und hier ermöglicht das Nein auch reifere Beziehungen.

Wenn es einfach wäre, dieses Nein zu sprechen, hätte ich es schon unzählige Male getan. Auch künftig wird mir ein Nein einiges abverlangen und abringen. Wenn jedoch Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit in meinen Beziehungen ein hohes Gut darstellen, dann sollte es mir mein Gegenüber immer wieder wert sein, ihm ein aufrichtiges Nein entgegenzubringen. Nur so ist sicherzustellen, dass der Andere weiß, woran er bei mir ist und dass unsere Beziehung eine Chance hat, zu wachsen und weiterzukommen. Ein Nein ist dann ein Beziehungsgarant und kein Beziehungsrisiko.

Über den Autor Pfarrer Christian Olding

Pfarrer Christian Olding, geboren 1983, wuchs in Niedersachsen auf. 2011 empfing er die Priesterweihe und ist derzeit in der Pfarrei St. Maria Magdalena am Niederrhein tätig. Mit seinem Projekt v_the experience arbeitet er daran, den Glauben in seiner ganzen Alltagsrelevanz zu vermitteln.

Kontakt: christian.olding@gmail.com
Internet: www.youtube.com/c/vtheexperience