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Trauung mit Traktor

Morgenandacht, 12.07.2024

Pfarrer Timo Gothe, Weimar

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Nach einer Trauung standen auf dem Platz vor unserer Kirche vier große, schwere Traktoren, um das Brautpaar mit lautem Hupen zu begrüßen. Der Bräutigam war nämlich Landwirt. Am Rand des Weges blieben Menschen stehen und wunderten sich. Sie machten Fotos und fragten mich hinterher, ob das eine Bauerndemo vor der Kirche gewesen sei. Ich antwortete: "Wenn, dann eine Demonstration der Freundschaft zu einem frisch vermählten Brautpaar."

Große Landmaschinen faszinieren nicht nur kleine Jungs. Es ist schon erstaunlich, wieviel Computertechnik und Ingenieurskunst dort zum Einsatz kommt. Höchst präzise und GPS gesteuert fahren die Maschinen übers Feld, um passgenau das Saatgut auszubringen oder auch zu ernten. Alles mit dem Ziel, in der Landwirtschaft immer effizienter zu werden oder werden zu müssen. Und wahrscheinlich ist auch das eines der vielen Probleme der Landwirtschaft.

Wie hört man vor diesem Hintergrund das folgende Gleichnis aus dem Matthäusevangelium der Bibel?

In jener Zeit ging ein Sämann hinaus, um zu säen. Als er säte, fiel ein Teil auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen es. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und sie verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte. Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat. Ein anderer Teil aber fiel auf guten Boden und brachte Frucht, teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach. (vgl. Mt 13,3-8)

Der Landwirt des 21. Jahrhunderts schüttelt den Kopf über so viel Verschwendung. Das Gleichnis aber spricht vom Menschen, dessen Inneres verhärtet ist. Es spricht vom Menschen, den die Sorgen so sehr plagen, so dass kein Licht, keine Liebe durchdringt. Aber es bringt auch die Zuversicht zum Ausdruck, dass da in uns etwas ist, auf dem etwas Gutes aufgehen und wachsen kann. Ein Wort, das uns im Innersten erwärmt und aufrichtet. Ein Blick, der uns im Innersten trifft und anrührt.

Ein Bauer besitzt heute einen stattlichen Maschinenpark für Aussaat und Bodenbereitung. Aber auch uns sind Werkzeuge an die Hand gegeben, den inneren Boden zu bereiten oder Steine und Gestrüpp beseitigen zu können. Eines dieser Werkzeuge ist Barmherzigkeit. Dem anderen vergeben können, Nachsicht üben mit den eigenen Schwächen oder denen des anderen. Das brauchen Beziehungen und Gemeinschaften, um nicht zu verhärten.

Das Gleichnis ist aber noch viel mehr ein Gleichnis von der Großzügigkeit Gottes und vom Glauben Gottes an uns Menschen. Es zeugt von einem Gott der Fülle. Da ist ein Gott, der nicht knausert, der nicht abzählt, der nicht kalkuliert, sondern der einfach gibt, der einfach sät, der einfach ausstreut. "Gott ist Liebe", heißt es im 1. Johannesbrief und "wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm."

So wie der Bauer Jahr für Jahr aussät, so sät Gott in jeder Generation neu seine Liebe in die Herzen der Menschen. Und in jeder Generation wird die Liebe aufgehen und Frucht bringen. Gott glaubt an uns. Er glaubt, dass es immer Menschen geben wird, die für seine Liebe und sein Wort empfänglich sind und die dann selbst auf hundertfache Weise das Gute im Menschen verkörpern. Oder die das Schöne sehen und anderen dafür die Augen öffnen.

Das Gleichnis vom Sämann – nicht minder faszinierend wie vier Trecker vor der Kirche.

Über den Autor Pfarrer Timo Gothe

Geboren 1974, abgeschlossene Ausbildung zum Werkzeugmacher. Nach Studium in Erfurt und Tübingen 2003 zum Priester geweiht.

Nach sechs Jahren als Diözesanjugendseelsorger in Erfurt seit 2015 Pfarrer in Weimar.

Kontakt: pfarrer.gothe@herzjesu-weimar.de