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"Immer muss man etwas haben, worauf man sich freut."

Morgenandacht, 12.12.2023

Claudia Zinggl, Triefenstein

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Der Dichter Eduard Mörike hat eine bedenkenswerte Erkenntnis formuliert; er sagt: "Immer muss man etwas haben, worauf man sich freut."

Jetzt in der Adventszeit ist das ja eigentlich klar: Die Menschen freuen sich auf Weihnachten. Aber so selbstverständlich, wie sich das sagen lässt, ist das keineswegs. Betrachte ich momentan die Gesichter vieler Menschen, sprechen diese eine andere Sprache. Nervosität und Erschöpfung zeichnen sich ab. Ja, die Vorbereitung auf Weihnachten kann Stress verursachen. Auch in diesem Jahr hat man viel zu lange gewartet mit dem Geschenkekauf.

Im Terminkalender sind zu viele Weihnachtsfeiern eingetragen, außerdem das Konzert in der Schule und auf dem Balkon steht noch immer kein Christbaum für den Heiligen Abend. Dazu kommt die Enttäuschung: Im vergangenen Jahr hat man sich fest vorgenommen, es dieses Jahr anders, besser zu machen und nun hat man das wieder nicht geschafft.

Von Vorfreude auf das Fest ist oft nur wenig zu spüren. Das ist bedauerlich, denn die Menschen verpassen damit allerhand: Vorfreude ist doch die schönste Freude. Das sagt der Volksmund. Und seit einiger Zeit ist das auch wissenschaftlich bestätigt.

Ein Forscherteam aus Kalifornien hat empirisch belegt, dass durch Vorfreude in unserem Gehirn Glückshormone entstehen. Wer sich auf ein bevorstehendes Ereignis freut, der empfindet die Zeit bis zum Eintreffen des Highlights als prickelnd, belebend und voller Erwartung. Das Ereignis selbst wird dann gar nicht mehr so außergewöhnlich erlebt.

Und noch weitere interessante Erkenntnisse haben sogenannte "Vorfreude"-Studien zusammengetragen: Vorfreude lenkt ab von unangenehmen Aufgaben. Diese gehen dann viel leichter von der Hand. –  Vorfreude verschafft einen Motivationsschub und regt die Fantasie an. Vorfreude hebt die Laune und weckt Hoffnung. All das bewirkt, dass Stresshormone abgebaut werden; zumindest kann Stress besser verarbeitet werden.

Das sind alles gute Gründe, die Vorfreude wieder zu aktivieren. Der Advent ist ja quasi die perfekte Zeit zum Üben.

In mehreren einfachen Schritten kann man dabei vorwärts kommen: Als erstes sollte man sein Vorstellungsvermögen erweitern und Ideen sammeln, wie Weihnachten ganz konkret zu einer fröhlichen Zeit werden kann. Da hat jeder und jede ganz eigene Vorlieben. Bei mir ist das die Weihnachtspost. Schon früh im Advent überlege ich, wem ich schreiben will und ich suche nach Karten, die zu den jeweiligen Empfängern passen könnten.

Denn als nächstes ist es wichtig, sich ganz darauf einzustellen und entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Und schließlich ist Konzentration aufzubringen: In den schönsten Farben und Formen kann man sich ausmalen, was da geschehen wird – und dabei gewinnt dieses Bild, das zunächst nur in Gedanken existiert, schon Gestalt. Mir kommen dann die hübschen Kästchen vor Augen, in denen meine Bekannten Weihnachtsgrüße eine Zeitlang aufbewahren.

Wer sich so auf seine Sehnsucht einlassen kann, erlebt dabei eventuell kleine Überraschungen. Und vielleicht gelingt es auch, Gott mit in das "Vorfreude-Training" einzubeziehen. Die Strophe eines Lieds aus den 1970er Jahren gibt dazu gute Hinweise:

"Die Freude wirft ihr Licht voraus, sie öffnet manche Tür

und keine Bosheit hält sie auf, denn Gott wirkt selbst in ihr.

Wo uns das Leid gefangen hält, macht Gottes Arm uns frei

und macht, was längst zerbrochen ist, in seiner Liebe neu."


Literaturangabe:

Text: Johannes Jourdan; in: Heizmann, Klaus (Hrsg.) (1970): Die Freude wirft ihr Licht voraus; Neuhausen_Stuttgart; 2. Aufl.; 10.

Über die Autorin Claudia Zinggl

Claudia Zinggl Theologin (JMU Würzburg), Geragogin (PH Karlsruhe). Bis zum Eintritt in die nachberufliche Phase Pastoralreferentin im Bistum Würzburg mit Aufgaben in  der Pfarreiseelsorge, in der Bildungsarbeit und in der kirchlichen Seniorenarbeit. Verfasserin von Beiträgen "Auf-ein-Wort" und "Katholische Morgenfeier" (BR).