Heute ist Halbzeit. Halbzeit der Adventszeit, vor 12 Tagen begann sie, in 12 Tagen ist Weihnachten. Bei dem einen löst diese Nachricht jetzt wohl Unruhe aus, bei dem anderen wächst die Vorfreude. Vorfreude auf die schönste Zeit im Jahr, mit ihrer besonderen Atmosphäre, den geschmückten Häusern, der Heimeligkeit und dem Duft von Kerzen und Plätzchen.
Aber da gibt es auch die Unruhe: Ich brauche noch Geschenke, da ist der Stress im Job, vor dem Fest noch alles erledigt zu bekommen. Und dann ist es endlich soweit, die Familie kommt zusammen und manchmal wird es am Ende nichts mit der geplanten Ruhe und Harmonie, so dass viele auch den Satz von Karl Valentin unterschreiben, der einst sagte: "Wenn die stille Zeit vorbei ist, dann wird es auch endlich wieder ruhiger."
Als gläubiger Christ versetzt mir dieser augenzwinkernde Satz einen Stich. Denn aus christlicher Sicht ist diese Zeit eine wertvolle Einladung. Advent bedeutet Ankunft. Gemeint ist zum einen die Ankunft Gottes im Leben der Menschen. An Weihnachten feiern Christen die Geburt von Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Der Advent ist aber dann nicht nur die Vorbereitung auf das Gedenken an diese Geburt vor 2000 Jahren. Der Advent soll auch der Ankunft Gottes bei mir selbst den Weg bereiten. Sein Klopfen an meiner Tür hörbar werden lassen.
Gerade deshalb soll der Advent eine Zeit für mich selbst werden. Es geht darum, mir diese Zeit zu gestalten, um der eigenen Sehnsucht wieder Raum zu geben, um ihr nachzuspüren. Und diese Sehnsucht hat ja jeder Mensch, weil er die Frage kennt: "Da muss doch noch mehr sein. Da muss mehr sein als das, mit dem ich mich zufriedengebe."
Um der Sehnsucht in mir nachzugehen, braucht es die stille Zeit. Ganz konkret: Wenn ich einfach da sitze, das Handy weit weg lege, alle Geräte um mich herum ausmache auch das Licht und vielleicht nur eine Kerze anzünde und dann bewusst ruhig werde. Wer das macht, wird schnell feststellen, dass es dann erstmal nicht ruhig wird. Dann steigt zunächst die Unruhe auf.
Dann kommen im Innern erstmal die vielen Stimmen hoch, die umherreden und lauter werden, und der Drang nach Zerstreuung steigt, damit diese Stille wieder ein Ende findet. In diesen Momenten braucht es Durchhaltevermögen, denn nach und nach verschwinden sie eben doch, die unruhigen Stimmen und sie machen Platz für die eine Stimme, die bleibt. Eine Stimme, die nicht mehr das Echo der eigenen ist. Christen glauben, dass sich in dieser Stimme die verborgene Sehnsucht zeigt, dass sich in dieser Stimme damit Gott zeigt, der bei mir ankommen will.
Das klingt harmonisch, aber das ist es erstmal oft nicht. Denn mit dieser Stimme kommt meist etwas wieder an die Oberfläche, was lange zugedeckt und tief im Innern verborgen war. Etwas, das ich vielleicht eigentlich gar nicht wieder aufdecken wollte, weil ich weiß, es fordert mich heraus. Ich spüre dann – deutlicher als ich will –, dass mein Leben, so wie ich es gerade lebe, gar nicht authentisch ist, dass ich etwas Grundlegendes verändern müsste. Dann führt die Stille im Letzten dazu, dass wir gerade nicht zur Ruhe kommen oder allem entkommen, was uns bedrängt. Die Theologin Dorothee Sölle nannte es einst das "stille Geschrei" in mir. Aber damit meinte sie nichts anderes als Gott, der sich meldet.
Die christliche Tradition deutet das Geschrei Gottes so. Mein Schöpfer meldet sich, weil er ein konkretes Bild von mir hat, weil er mir zeigen will, wie er mich gedacht hat, er schreit, weil er sich bemerkbar machen will. Weil er die Beziehung mit mir will – die mich herausführt, die mich über mich hinaus wachsen lässt, auf meine wahre Berufung hin.
Der Advent. Er ist die Einladung zur Stille, aber damit verbunden auch eine echte Herausforderung.