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Die letzte Ehre

Morgenandacht, 13.12.2024

Martin Korden, Bonn

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"Die Beerdigung fand im engsten Familienkreis statt."

Kennen Sie das? Sie schlagen die Zeitung auf und sehen die Todesanzeige eines guten Bekannten. In den letzten Jahren hatten Sie sich etwas aus den Augen verloren, und jetzt steht da plötzlich sein Name, sein Bild und die Bekanntmachung, dass er verstorben ist. Dazu die Namen seiner engsten Angehörigen, natürlich, auch die sind bekannt. Und dann ganz unten – fast schon nebensächlich dieser Satz: "Die Beerdigung fand im engsten Familienkreis statt."

Wie schade, denke ich dann oft, und auch: wie traurig. Weil ich diesem Freund oder dieser Freundin aus alten Tagen gerne noch "die letzte Ehre erwiesen hätte". Man sagt diesen Satz so daher, und doch finde ich, ist er so richtig und wichtig.

Man hat miteinander Leben geteilt, man war gemeinsam auf dem Weg, wenn vielleicht auch nur für kurze Zeit. Jetzt ist er gestorben, und nicht selten trauert man in solchen Augenblicken den Möglichkeiten hinterher, die nun nicht mehr kommen werden: Hätte ich ihn doch nochmal besucht. Hatten wir nicht erst bei der letzten Begegnung ausgemacht: Lass uns nochmal treffen? Gerade dann ist der abschließende Weg mit zum Friedhof so kostbar: eine letzte Verbeugung vor dem Grab, ein Gebet, ein stiller Gruß: Eben die letzte Ehre erweisen.

Der Verstorbene gehört nicht nur seinem engsten Umfeld. Auch Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen sollen Abschied nehmen dürfen. Das ist für mich auch eine Sache des Respekts dem oder der Verstorbenen gegenüber – aber auch gegenüber der Familie.

Manche ja immer mehr der direkten Angehörigen entscheiden sich aber für die Variante, in diesem Moment der Beerdigung lieber unter sich zu sein. Und sicher, es gibt gute Gründe dafür: gerade die, die dem oder der Verstorbenen am nächsten standen, haben Angst vor der Beerdigung, vor diesem endgültigen Abschied. Sie fragen sich, ob sie das aushalten, ob sie die Situation bestehen. Da dann noch Bekannte, Vereinsmitglieder, Nachbarn, alle möglichen Leute, die um einen herumstehen – bloß nicht. Man möchte sich gerade in der Trauer nicht allen aussetzen. Das ist verständlich.

Ich behaupte aber, dass das, was Angehörigen im Vorfeld manchmal wie eine Zumutung erscheinen mag, sich im Nachhinein oft als ungemein tröstlich erweist. Erst kürzlich habe ich das wieder erfahren. Eine Nachbarin war viel zu jung gestorben, eine tückische Krankheit hatte sie innerhalb weniger Wochen aus dem vollen Leben gerissen. So schnell, dass manche, als sie von ihrem Tod erfuhren, nicht mal wussten, dass es ihr schlecht ging. Ein Schock. Zur Beerdigung kamen über 500 Menschen. Und bei aller Trauer war es auch ergreifend zu sehen, wie viele Menschen der Verstorbenen hier die letzte Ehre erweisen wollten, wie viele den Angehörigen in diesem Moment beistehen wollten, durch das bloße Dasein ihr Mitgefühl ausdrückten. Ich weiß selbst aus eigener Erfahrung, wie ergreifend und tröstlich es ist, wenn Angehörige sehen: „Es gibt so viele Menschen, die unserem Verstorbenen nahestanden, die den letzten Weg mit uns gegangen sind, die mitgebetet haben.“

Sich gerade als trauernder Mensch anderen zeigen zu können, ist auch eine Hilfe, davon können Seelsorgerinnen und Seelsorger berichten. Es tut gut, Trauer zeigen zu dürfen. Und wenn da ein Gegenüber ist, der darauf reagiert: anteilnehmend, unterstützend, entlastend. Und eben auch durch sein bloßes Dasein, in einem Moment, wenn Worte fehlen. Ja, wenn es keine Worte gibt. Gerade dann kann es gut tun, wenn die Beerdigung nicht nur im engsten Familienkreis stattfindet.

Über den Autor Martin Korden

Martin Korden, geboren 1980 in Adenau, ist Beauftragter der Bischofskonferenz für Deutschlandradio. Eine erste Hörfunkausbildung erhielt er im Rahmen seines Wehrdienstes beim Truppenbetreuungssender "Radio Andernach". Anschließend studierte er in Trier und Brixen Katholische Theologie. Es folgte das journalistische Volontariat bei der Katholischen Fernseharbeit und eine langjährige Tätigkeit für DOMRADIO.DE in Köln.

Kontakt: m.korden@dbkradio.de