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Plan B

Morgenandacht, 14.05.2025

Pfarrer Christoph Seidl, Regensburg

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"Wenn ich mal in Rente bin und viel Zeit habe," so erzählt ein Bekannter, "dann schreibe ich ein Buch über mein Leben. Und ich weiß auch schon den Titel! Das Buch wird heißen: 'Plan B'"

Ich schaue meinen Bekannten fragend an – und nach einer Weile beginnt er mit einem verschmitzten Lachen zu erklären: "Was immer ich mir im Leben vorgenommen habe, es ist immer anders gekommen: Ich habe das Studium gewechselt, dann nochmal einen anderen Beruf ergriffen als angestrebt, eine andere Frau geheiratet, als ich ursprünglich dachte, und auch nicht das Haus gebaut, von dem ich geträumt hatte. Jeden Tag kommt es einfach anders, als ich denke. Und trotzdem" – so schließt er – "habe ich den Eindruck, dass es gut geworden ist und immer wieder gut wird. Aber eben anders."

Plan B! Seit unserem Gespräch habe ich mich oft gefragt, wie ich denn mit unerwarteten Wendungen in meinem Leben umgehen kann. Ich kann mich ärgern, wenn Plan A nicht klappt, aber das kostet unnötig Energie. Ich kann gewaltsam versuchen, Plan A doch noch durchzusetzen, aber das scheint noch unsinniger. Und ich könnte die Kunst erlernen, mich mit Plan B nicht nur abzufinden, sondern ihn sogar bestaunen zu lernen.

Das ist nicht ganz einfach. Menschen haben allerdings dennoch die Möglichkeit. Der amerikanische Bestseller-Autor Stephen Covey schrieb einmal diese Zeilen: "Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit." [1]

Diese Worte klingen ganz ähnlich zu dem, was der Wiener Psychiater Viktor E. Frankl als Freiraum des Menschen bezeichnet. Zwar spricht Frankl noch nicht ausdrücklich von einem „Plan B“, aber doch davon, dass der Mensch das Wesen ist, dass sich zu unabänderlichen Gegebenheiten immer noch so oder so verhalten kann. Das ist sein Freiraum, den ihm niemand nehmen kann. Als Überlebender von vier Konzentrationslagern hat Frankl seine Erfahrungen aufgeschrieben in dem Bestseller "Trotzdem JA zum Leben sagen". Über die Freiheit zu entscheiden schreibt Frankl: "… Menschen, die hier ein gutes Wort, dort den letzten Bissen Brot gespendet haben – sie haben Beweiskraft dafür, dass man dem Menschen im Konzentrationslager alles nehmen kann, nur nicht: Die letzte menschliche Freiheit, sich zu den gegebenen Verhältnissen so oder so einzustellen. Und es gab ein so oder so!"

Ich denke, das ist eine Erkenntnis, die uns in unserer Zeit besonders guttut. Ich höre so viele Klagen über persönliches Schicksal oder die dramatische Verschlechterung der Weltsituation. Natürlich ist das alles für sich besehen tatsächlich bedrängend. Aber wie ich mich dazu verhalte oder welchen Weg ich jetzt wähle, das ist und bleibt meine ganz persönliche Entscheidung: Ich kann mich immer frustriert in die Ecke setzen, ich kann resignieren oder aggressiv werden – oder mir eben einen Plan B überlegen.

Ein fernöstlicher Meister wurde einmal gefragt: "Wie erlangt man das Glück?" Seine Antwort: "Indem man lernt, mit allem, was man erhält, zufrieden zu sein." "Dann kann man sich also nie etwas wünschen?" "Doch, man kann", sagte der Meister, "vorausgesetzt, man tut dies in der Einstellung jenes ängstlichen Vaters, den ich einmal in einer Entbindungsstation getroffen habe. Die Hebamme sagte: 'Sie haben sich bestimmt einen Jungen gewünscht, es ist aber ein Mädchen.' Da erwiderte der Mann: 'Ach, das macht wirklich nichts, denn ich habe mir ein Mädchen gewünscht, falls es kein Junge ist.'"


[1] Stephen R. Covey, Der Weg zum Wesentlichen, Frankfurt a.M. (Campus Verlag) 2005, https://www.resilienz-akademie.com/resilienz-staerken/ein-wichtiger-hinweis-resilienz-zitat/

Über den Autor Christoph Seidl

Pfarrer Christoph Seidl wurde 1967 geboren. Er stammt aus Regensburg und ist seit 1992 Priester im Bistum Regensburg. Nach der Kaplanszeit in Straubing arbeitete er in der Priesterausbildung mit und war Studentenpfarrer in Regensburg. Pfarrer Seidl ist als Seelsorger für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen im Bistum Regensburg tätig und als Gemeindeseelsorger in Regensburg – Harting.

Kontakt: seidl@seelsorge-pflege.de