Der Mann aus China hat 24 Jahre lang gesucht. Er ist durchs ganze Land gefahren, 500.000 Kilometer weit und hat dabei zehn Motorräder verschlissen. Guo Gangtang heißt der Mann, der diese ganze Mühe auf sich genommen hat und zwar, um seinen Sohn zu finden. Als Zweijähriger ist der in seiner ostchinesischen Heimat von Menschenhändlern entführt worden.
Wie kann man einen Menschen in einem Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern wiederfinden, von dem man nur ein Kinderfoto hat und die eigene Erinnerung? Wo und wie soll man da anfangen? Und: Wie schafft man es, daran nicht irre zu werden? Ich weiß das alles nicht, ich kenne nur das Ergebnis der Suche. Und das ist kaum zu glauben: Als 26jähriger wurde der entführte Sohn schließlich in der Nachbarprovinz entdeckt. Zwei Entführer wurden festgenommen. Obendrein hat sein Vater bei der Suche noch mehr als 100 weitere Entführungsopfer gefunden. Welch eine Ausdauer steckt dahinter! Angetrieben durch die Hoffnung, dass sein Sohn irgendwo da draußen auf ihn wartet. Die jahrelange Suche hat ein wundervolles Ende gefunden.
Auf einer langen Suche war auch der Ritter Ignatius von Loyola im 16. Jahrhundert. Nach einer Kriegsverletzung krempelt er sein Leben komplett um und beginnt… nach Gott zu suchen. Aber wie genau ist Gott zu finden? Ignatius liest fromme Bücher, er studiert die Bibel, er zieht sich in ein Kloster zurück, er pilgert ins Heilige Land. Er sucht förmlich die Nadel im Heuhaufen, den entscheidenden Hinweis, die sichere Erkenntnis: Da ist Gott. Was ja bedeuten würde, dass es auch Orte gibt, wo er eben nicht ist.
Doch auf dieser Suche reift bei Ignatius die Erkenntnis heran: Ich muss mich auf Gott einlassen, dann kann ihn überall finden. Ignatius entdeckt sein Lebensmotto: "Gott in allen Dingen suchen und finden". Ja, er sagt das so: In allen Dingen! Wir müssen mit der Möglichkeit rechnen, dass Gott in allem, was uns begegnet, zu finden sein kann. Gott entdecken, überall: Das ist möglich, wenn wir aufmerksam wahrnehmen und offen sind für Gottes Spuren in seiner Welt. Dafür, dass das Leben ein Geschenk ist und wir die Beschenkten.
Manchmal fällt mir das leicht. Wenn ich auf einem Berggipfel raste, dem Himmel nah und unter mir das weite Land, dann erfahre ich: "Gott in allen Dingen." Wenn ich ein Neugeborenes in den Händen halte, dann begreife ich: "Gott in allen Dingen." Wenn ich dankbar auf schöne und erfüllende Begegnungen schaue, spüre ich: "Gott in allen Dingen." Wenn ein Lied mein Herz tiefer berührt als sonst, fühle ich: "Gott in allen Dingen."
Es gibt aber auch die Spuren Gottes, die entdecke ich nicht so leicht, nach denen muss ich tiefer suchen. Kann auch ein Mensch, der mir Böses will, auf Gott verweisen? Sagt mein Glaube mir nicht, auch er ist Gottes Ebenbild? Und kann auch eine Krankheit auf Gottes Spur führen? Ein Scheitern? Eine Lebenskrise? Ignatius wiederholt es immer wieder: "Gott in allen Dingen suchen und finden." Wenn ich das ernst nehme, dann verändert es meinen Blick auf die Welt. Dann kann ich auch in Schwierigkeiten, in Notlagen oder Misserfolgen Gottes Spuren finden.
Vielleicht ist die Suche von Guo Gangtang nach seinem Sohn und die Suche von Ignatius nach Gott gar nicht so unterschiedlich. Sie haben beide nach etwas für sie über die Maßen Wertvollem gesucht. Sie waren beide lange unterwegs, mit einer Sehnsucht, die sie geführt hat. Sie haben beide überall gesucht und sind beide überall fündig geworden. Und am Ende wurden sie reich beschenkt.