"Ein herumvagabundierendes, ungehorsames und verstocktes Weib."
So hat man sie genannt: die heilige Teresa von Ávila. Heute steht sie im Heilgenkalender der katholischen Kirche: als dann doch irgendwann vorbildliche Ordensfrau des 16. Jahrhunderts in Spanien, als begnadete Mystikerin, als erfolgreiche Reformatorin und Klostergründerin und schließlich sogar als Kirchenlehrerin. Das heißt als eine Frau mit bahnbrechendem Einfluss auf die Kirche und ihr theologisches Denken. Doch wie das mit neuem Denken oft so ist, auch Teresa erfährt auf ihrem ganz eigenen Weg der Gottsuche und Gotteserkenntnis zunächst ordentlich Gegenwind. Nichts wird ihr geschenkt – ganz im Gegenteil. Es ist immerhin der päpstliche Nuntius jener Zeit, der sie als herumvagabundierend, ungehorsam und verstockt beschimpft und ihr sogar nachsagt, dass sie "unter dem Vorwand von Frömmigkeit falsche Lehren erfindet und andere belehrt, obwohl der heilige Paulus doch anordnete, dass Frauen nicht lehren sollen".
Verrückt ist – buchstäblich –, dass die Persönlichkeitsmerkmale Teresas, die den Unmut der kirchlichen Obrigkeit wecken, bis heute jedem Menschen nur zu wünschen sind: nämlich Selbstannahme, innere Freiheit, Eigenständigkeit, Lebensmut und Lebensfreude, Vertrauen in das eigene innere Erleben und einen Glauben an Gott, der mich liebt, wie ich bin und unbedingt das Beste für mich will.
Auf Teresas Lebensweg ist all das schwer errungen. Das bringt sie mir nahe: als vorbildliche Frau, als Schwester im Glauben und als glaubwürdige Heilige.
"Der Herr führt auf vielen Wegen", sagt Teresa. Sie weiß, wovon sie spricht. Aus Angst vor Gott, der Hölle und einem unerfüllten Leben in einer arrangierten Ehe tritt sie ins Kloster ein. Doch auch dort erlebt sie zunächst 20 unerfüllte Jahre in Angst und Selbstentfremdung und oft krank. Sie empfindet ihr Leben wie "ein aufgewühltes Meer, mit diesem Stürzen und Aufstehen", wie sie es später beschreibt.
Ihren Trampelpfad in ein glückliches und schaffenskräftiges Leben findet sie schließlich im Blick auf den Menschen Jesus aus Nazaret. Die Einsicht, "dass der große Gott doch auch Mensch war, der sich nicht über die Schwächen der Menschen entsetzt, sondern unsere Lage versteht", schenkt ihr ein ganz neues Lebensgefühl. Teresa wird sich ihrer Gottes-Kindschaft bewusst und lernt, sich mit all ihren Schwächen und Nöten nicht nur anzunehmen, sondern wertzuschätzen. Gebet wird ihr zur Tankstelle ohne spirituellen Leistungsdruck; sie beschreibt das so:
"Beten ist doch nichts anderes als das Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft und gern zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir wissen, dass er uns liebt."
Getragen von dieser Liebe des menschgewordenen Gottes beginnt Teresa befreit und selbstbewusst "Ich" zu sagen; sie vertraut ihrem eigenen inneren Erleben. Vor 500 Jahren – erst recht für eine Frau – ist das so bahnbrechend wie ihr Wirken als Reformatorin des Karmelordens und erfolgreiche Klostergründerin. Sie schüttelt moralische Angstmacherei, Dogmatismus und außengeleitete Frömmigkeitsformen ab. Stattdessen gibt sie den Frauen und Männern in ihren Klöstern sowie den Menschen ihrer Zeit folgenden Gradmesser mit auf den Lebensweg, der auch mich heute zutiefst anspricht:
"Ich möchte, dass ihr nur dieses eine begreift: Es geht auf dem geistlichen Weg nicht darum, viel zu denken, sondern viel zu lieben. Und was am meisten Liebe in euch weckt, das tut."