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Tag des Lichts

Morgenandacht, 15.12.2023

Claudia Zinggl, Triefenstein

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In der dunklen Jahreszeit feiern die Christen wie auch die Juden fast zeitgleich, wie Tag für Tag das Licht wächst und die Welt hell machen will. Für die Christen ist es die Adventszeit mit dem Kranz und den vier Kerzen. Jeden Sonntag wird eine neue entzündet.

In jüdischen Familien wird Chanukka gefeiert, übersetzt heißt das "Weihe". Dieses Fest erinnert an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels im 2. Jahrhundert vor Christus. Damals geschah ein Wunder: Bei der Feier sollte der Leuchter im Tempel wieder entzündet werden. Aber man fand nur noch einen kleinen Rest Öl. Höchstens für einen Tag würde das reichen. Nach einigem Abwägen beschloss man, den Leuchter trotzdem anzuzünden und diesen Ölvorrat aufzubrauchen. Entgegen aller Erwartung jedoch reichte das wenige Öl ganze acht Tage lang.

Um dieses Wunder im Gedächtnis zu behalten, wird heute noch in den Synagogen und zu Hause bei Einbruch der Dunkelheit jeden Tag ein weiteres Licht auf dem Chanukka-Leuchter angezündet, bis alle acht Lichter brennen. Dabei werden Segenswünsche gesprochen und Lieder gesungen; es wird gespielt und die Kinder bekommen kleine Geschenke.

Für dieses Jahr 2023 ist es heute so weit: Alle acht Kerzen erstrahlen im Licht. Mit besonderem Eifer gestalten vor allem die Kinder in den jeweiligen Familien sowohl den Advent als auch Chanukka. In diesem Zusammenhang gab es im Dezember 1993 in einer Stadt in den USA eine besondere Begebenheit. Davon erzählt das Kinderbuch "Für jeden ein Licht" von Lee Wind. Mit großem Interesse habe ich es gelesen.

Teresa und Simon sind beste Freunde. Sie wohnen in der gleichen Straße einander gegenüber; Teresa in einer christlichen, Simon in einer jüdischen Familie. Teresa schmückt mit ihren Eltern schon den Weihnachtsbaum. Simon hilft bei sich zu Hause bei den Vorbereitungen für Chanukka, das Lichterfest. Beide zählen schon die Tage bis zu dem großen Fest. Und jeden Abend erstrahlen die Fenster: Rot und grün bei Teresa, blau und weiß bei Simon.

Eines Nachts wird ein Stein durch das Fenster von Simons Haus geworfen und die Kerzen des Chanukka-Leuchters verlöschen. Am nächsten Abend jedoch zündet Simons Familie die Kerzen wieder an. Teresa bemerkt das und vor lauter Freude malt sie auf einem großen Blatt Papier einen wunderschönen Leuchter und schreibt darüber "Für Simon". Dann klebt sie das Bild an die Fensterscheibe. Nun leuchten auch bei ihr blaue und weiße Lichter. Als Simon zu dem Fenster hinüberschaut, freut auch er sich überaus. Er läuft auf die Straße und ruft: "Blaue und weiße Kerzen, leuchten aus zwei Fenstern direkt in unsere Herzen".

Am nächsten Tag erfahren die Freunde von Teresa und Simon davon. Diese Idee gefällt ihnen so sehr, dass auch sie Bilder malen und in die Fenster hängen und dann in die Schulen, in die Bücherei, in Geschäfte und Restaurants, bis die ganze Stadt geschmückt ist.

"Zu schön, um wahr zu sein" – das gilt in diesem Fall nicht, denn diese Geschichte hat sich wirklich so ereignet. Und sie macht Hoffnung. Nach dreißig Jahren noch erzählt man sich von der einzigartigen Solidarität, zunächst der Kinder und dann der Erwachsenen. Mit Respekt und Verständnis füreinander kann man gut miteinander leben – und dann auch in unserer Zeit ein Lichtwunder erleben.


Wind,Lee; Zelinsky, Paul O. (2022): Für jeden ein Licht; Frankfurt Fischer Sauerländer.

Über die Autorin Claudia Zinggl

Claudia Zinggl Theologin (JMU Würzburg), Geragogin (PH Karlsruhe). Bis zum Eintritt in die nachberufliche Phase Pastoralreferentin im Bistum Würzburg mit Aufgaben in  der Pfarreiseelsorge, in der Bildungsarbeit und in der kirchlichen Seniorenarbeit. Verfasserin von Beiträgen "Auf-ein-Wort" und "Katholische Morgenfeier" (BR).