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"Was ihr vom Vater erbittet…"

Morgenandacht, 16.05.2023

Weihbischof Matthias König, Paderborn

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Kennen Sie auch noch diese Automaten, die mich früher als Kind fasziniert und angezogen haben? Hinter einer Plastikscheibe waren runde Kaugummikugeln zu sehen oder kleine Plastikbällchen, die Spielzeuge oder etwas zum Basteln enthielten. Man brauchte nur 10 oder 50 Pfennig, die in einen Schlitz gesteckt wurden, musste an einem Rädchen drehen – und schon fiel das begehrte Teil in einen Ausgabeschacht, wo man es glücklich in Empfang nehmen konnte.

Ich gebe zu: So ähnlich habe ich mir in jungen Jahren auch die Wirkung bei Gebeten vorgestellt. Man trägt betend ein Anliegen vor Gott, legt vielleicht besondere Dringlichkeit hinein – und schon müsste eigentlich der vorgetragene Wunsch in Erfüllung gehen. Offenbar war ich nicht der einzige, der solche Vorstellungen hatte. Denn in meinem seelsorglichen Dienst habe ich immer wieder die Klage gehört: "Ich habe doch stets treu gebetet. Ich war immer im Gottesdienst: Warum liege ich jetzt schwer krank im Bett? Warum ist mir dieses Schlimme widerfahren?"

Jemand hat das Bittgebet einmal auch "das menschlichste aller Gebete" genannt. Denn es kommt am häufigsten vor. Wenn es nicht in Erfüllung geht, ist das oft der Ernstfall des Glaubens. Menschen wenden sich von Gott ab, weil er sie nicht ge- und er-hört hat. Sie brechen mit ihm, weil er ja doch nicht hilft.

Tatsächlich habe auch ich keine Erklärung, warum das eine Bittgebet – scheinbar sofort oder sehr schnell – sich erfüllt. Und warum andere, vielleicht viel dringendere Bitten, nicht erhört werden. Gott bleibt in seiner Souveränität oft unbegreiflich für uns Menschen: Warum stirbt die junge Mutter? Warum wird die geliebte Oma todkrank?

Aber ich selber lasse trotz solcher Erfahrungen, die auch mir nicht erspart bleiben, nicht locker! Hinter meiner Hartnäckigkeit stehen Versprechungen und Ermutigungen, die Jesus im Evangelium macht. In einem Abschnitt der Bibel, lese ich: "Was ihr vom Vater erbittet, das wird er euch in meinem Namen geben … Bittet und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollkommen wird." (Johannes 16,23)

Glaubende Menschen versuchen immer neu, sich solchen Verheißungen anzuvertrauen. Einfach ist das nicht. Aber es gibt Verbündete in unserem Beten. Das sind z. B. jene, die wir Heilige nennen. Auf dem Mittelteil des Naumburger Altars hat der Künstler Michael Triegel eine ganze Schar von ihnen hinter seiner Darstellung der Gottesmutter Maria mit dem Jesuskind gestellt. Das Besondere: Sie haben Gesichter unserer Zeit, die ihm irgendwo begegnet sind: Ein Obdachloser in Rom – hier mit roter Baseballkappe und Bart, den ein kleiner Schlüssel in der Hand als den heiligen Petrus ausweist. Da ein junger Afrikaner, den er in exotischer Tracht bei einer Prozession in Sizilien gesehen hat.

Es könnte den aus Afrika stammenden heiligen Mauritius meinen, einen römischen Soldaten, der in der Antike für seinen Glauben sein Leben lassen musste. Daneben eine Frau, die in ihren zur Schale geformten Händen Rosen trägt. Für mich klar: Das ist die heilige Elisabeth von Thüringen.

Im christlichen Glauben gelten sie alle als Fürsprecher. Die Kirche vertraut darauf, dass Gott sie nicht im Tod gelassen hat, dass seine Verbundenheit und Liebe zu den Menschen über den Tod hinaus geht und ewiges Leben schenkt. Das gilt auch und vor allem für die, durch deren irdisches Leben Gott in besonderer Weise durchscheinen konnte. Die Kirche glaubt, dass diese Heiligen auf Jesus schauen und unsere Bitten verstärken und begleiten. In ihrer Gemeinschaft bin ich als Bittsteller vor Gott, als Beter gut aufgehoben. Wenn ich wieder mal dringende Bitten habe, hilft mir auch der Blick auf diese Altartafel, mich damit nicht alleingelassen zu fühlen.