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Jüdischer Witz – Schöpfung

Morgenandacht, 16.09.2024

Andreas Britz, Bellheim

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Goldberg hatte den schönsten Garten in der Stadt. Und jedes Mal, wenn der Rabbi vorbeiging, rief er Goldberg zu: "Dein Garten ist ein Schmuckstück! Gott, der Herr und du, ihr beide seid Partner!" – "Danke, Rabbi!", entgegnete Goldberg.

So ging das Tag für Tag. Woche für Woche. Immer wenn der Rabbi auf dem Weg zur Synagoge war, dieselben Worte. Irgendwann wurde es Goldberg zu dumm. Als der Rabbi wieder rief: "Dein Garten ist ein Schmuckstück. Der Herr und du, ihr beide seid Partner", da meinte Goldberg: "Das mag schon stimmen. Aber, Rabbi, Ihr hättet den Garten mal sehen sollen, als der Herr sich allein um ihn gekümmert hat!"

Dem Goldberg aus dieser alten jüdischen Erzählung wird wohl jeder Hobbygärtner zustimmen. Wie sähen unsere Grundstücke aus, wenn man sie nicht intensiv pflegen würde? Spaten, Pflanzen, Gießen, Schneiden, Unkraut jäten – ein blühender Garten ist ohne die oft harte Arbeit des Gärtners nicht denkbar.

Nicht anders ist es bei den traumhaften Landschaften, die wir bewundern. Nehmen wir etwa die Toskana: Sanfte, abgerundete Hügel, breite Pinien, schlanke Zypressen, dazwischen Felder mit rotem Mohn und violetten Schwertlilien. Und natürlich die sattgrünen Weingärten. Was so natürlich gewachsen daherkommt, verdankt sich der Schaffenskraft des Menschen. Nicht anders die Heidelandschaften bei uns. Würde der Mensch nicht Schafen und Ziegen zur Landschaftspflege einsetzen, gäbe es diese idyllischen Biotope nicht mehr.

Der jüdische Witz um Goldberg und den Rabbi bringt es auf den Punkt. Unsere Erde, so wie wir sie kennen, ist das Produkt einer Partnerschaft von Gott und Mensch. Das wusste auch der Autor der biblischen Erzählung vom Garten Eden. Gott hat diesen Garten erschaffen und Adam, dem Menschen, übergeben, "damit er ihn" – so heißt es im Buch Genesis – "bebaue und hüte" (Gen 2,15). Als Treuhänder sozusagen. Der Psalm 8 geht noch einen Schritt weiter. Dort heißt es vom Menschen: "Du hast (ihn) nur wenig geringer gemacht als Gott. (…), hast ihn als Herrn eingesetzt über das Werk deiner Hände."

Mit der Sesshaftwerdung des Menschen hat die Gestaltung der Natur begonnen. Ackerbau und Viehzucht – das war die erste große Revolution in der Geschichte. Mit ihr beginnt auch die Kultur. Das Wort "Kultur" leitet sich nicht zufällig vom lateinischen "colere" ab. Dieses Verb bedeutet so viel wie "urbar machen, bebauen, pflegen". Und tatsächlich begann der Mensch vor rund 10.000 Jahren die Natur zu "kultivieren".

Der jüdisch-christliche Glaube sieht darin einen Auftrag Gottes. Deshalb ist der Glaube auch alles andere als forschungs- oder fortschrittsfeindlich. Wissenschaft und Technik sind unverzichtbar. Aber der göttliche Gestaltungsauftrag beinhaltet eben auch die Verpflichtung, die Erde zu bewahren. Und da sieht es nun wahrhaftig düster aus. Der fortschreitende Klimawandel, die Verschmutzung der Meere, der Raubbau an der Natur bei der Gewinnung der Bodenschätze – das alles bedroht die Schöpfung, die Gott dem Menschen anvertraut hat. Viele haben inzwischen erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Und so gibt es weltweit immer mehr Initiativen, die den Kurs ändern wollen. Sie kommen nicht nur aus der Politik oder der Wirtschaft, aus Kultur und Wissenschaft. Auch viele Religionen unterstützen dieses Umdenken. Für gläubige Menschen ist klar: Wenn der Mensch seiner Verantwortung nicht gerecht wird, dann kann auch die Partnerschaft mit Gott nicht funktionieren.

Über den Autor Andreas

Andreas Britz, Jahrgang 1959, studierte Katholische Theologie und Geschichte in Trier. Seit 1989 unterrichtet er am Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasium im südpfälzischen Germersheim und ist Regionaler Fachberater für Katholische Religion. Zudem ist Britz Autor zahlreicher Unterrichtsreihen und Rundfunksendungen in den Hörfunkprogrammen des SWR.

Kontakt: andreasbritz@web.de