Wer schon einmal vor anderen sprechen musste, kennt diese Situation vielleicht: Man selber hat sich in ein Thema eingearbeitet, ist Feuer und Flamme und möchte die eigene Begeisterung gerne weitergeben. So tritt man dann vor die Zuhörer und beginnt. Die Worte sprudeln nur so heraus. Doch nach einiger Zeit merkt man verunsichert, dass die eigene Begeisterung nicht überspringt. Die Aufmerksamkeit lässt nach; der erste greift zum Handy, andere haben die Augen zugemacht, tuscheln miteinander oder geben sich Zeichen. Wenn dann noch am Schluss kritische Fragen kommen und die eigenen Erkenntnisse "auseinandergenommen" werden, bleibt ein ernüchterter Redner zurück. Das kann ganz schön wehtun.
So mag es dem Apostel Paulus gegangen sein. Eine Missionsreise hatte ihn in das Zentrum von Philosophie und Wissenschaft geführt, ins griechische Athen. Er durchwandert dort die Stadt, staunt über die Akropolis und die anderen repräsentativen Bauten und nutzt die Gelegenheit, auf dem Areopag, dem hervorgehobenen Treffpunkt der Stadt, zu sprechen. Das war damals offenbar ein Ort wie "Speaker´s Corner" im Londoner Hyde Park. Jeder durfte dort auftreten und sprechen. Paulus war gut vorbereitet. Er hatte beim Gang durch die Stadt viele Tempel und Altäre gesehen, darunter einen Altar mit der Aufschrift: "Einem unbekannten Gott". Das nimmt er zum brillanten Einstieg seiner Predigt und sagt freimütig: "Was ihr verehrt ohne es zu kennen, das verkündige ich euch". (Apostelgeschichte 17,23).
Die Apostelgeschichte der Bibel gibt die klug durchdachte Predigt wieder: Paulus spricht über seinen Gott, der nicht in Tempeln wohnt, sondern mit uns Menschen ist. Er verkündet einen Gott, dem die Menschheit wichtig ist und bleibt. Und das beweist dieser in der Sendung seines eigenen Sohnes, der sich durch seine Auferstehung von den Toten als wahrer Gottessohn erweist.
Hatten die Anwesenden bis hierher aufmerksam zugehört, so wendet sich an dieser Stelle das Blatt: Die einen fangen an zu spotten. Andere sind höflicher und sagen: "Darüber wollen wir dich ein anderes Mal hören." (Apostelgeschichte 17,32). Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wie Paulus sich gefühlt haben wird. Aber er hat nicht aufgegeben!
Ich denke an Menschen, die ähnliches erlebt haben und trotzdem ihrer Sendung treu geblieben sind. Zum Beispiel an den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer. In der Zeit des Nationalsozialismus war er ein unerschrockener Verkünder des christlichen Glaubens. Schon als junger Theologe nahm er 1933 öffentlich Stellung gegen die Judenverfolgung der Nazis und ihre verderbliche Ideologie. Er kämpfte gegen die von ihnen geförderten "Deutschen Christen" und schloss sich der "Bekennenden Kirche" an. In einem von ihm geleiteten Predigerseminar konnte er diese Haltung an junge Theologen und spätere Pfarrer weitergeben. Tatsächlich hatte er auch Kontakt zu Widerstands-kämpfern und wurde 1943 verhaftet und eingesperrt. Als einer der letzten Gegner des Nationalsozialismus wurde er am 5. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet.
Er war ein Verkünder des Evangeliums, der sich von Drohungen und Gefahr für Leib und Leben nicht abschrecken ließ. So wurde er ein Zeuge der Wahrheit, die in Jesus Christus ein menschliches Angesicht bekommen hat. Der Apostel Paulus – scheinbar auf dem Areopag gescheitert – hätte an ihm sofort Gefallen gefunden. Etwas von beider Mut wünsche ich mir auch.