Alles ist grün. Grüne Kekse in den Bäckereien, grüne Hüte auf den Köpfen, selbst das Wasser in den Springbrunnen ist grün gefärbt. Dazu irische Flaggen, wohin das Auge sieht und eine lange Parade durch die Stadt mit Marching Bands, Veteranen und jeder Menge Vereine. So habe ich den Saint Patrick’s Day in New York erlebt. Der irische Nationalfeiertag wird auf der ganzen Welt heute, am 17. März, gefeiert. Sein Name bezieht sich auf den heiligen Patrick; er war Mönch und der erste christliche Missionar in Irland. Bis heute ist Sankt Patrick der Schutzpatron der grünen Insel.
Viele Legenden ranken sich um ihn. Meine Lieblingsgeschichte ist die, in der Patrick alle Schlangen von der Insel vertreibt. Zuerst mit mächtigen Worten, dann haut er mit seinem Bischofsstab kräftig zu. Am Ende ist keine Schlange mehr übrig, er hat sie alle ins Meer gejagt. Soweit die Legende. Nun hat es in Irland seit der letzten Eiszeit überhaupt keine Schlangen gegeben. Diese Legende hat ihre Wahrheit daher wohl auf einer ganz anderen Ebene.
In der Bildsprache der Bibel kommt das Böse durch die Einflüsterungen einer Schlange ins Paradies. Warum ist eine Schlange das Symbol dafür? Vielleicht, weil sie sich leise anschleicht und man die Gefahr nicht ahnt, die von ihr ausgehen kann. Patrick macht vor, wie das Böse besiegt werden kann. Wer es bekämpfen möchte, der setzt wie Patrick auf die Kraft der Worte: Auf Argumente, Überzeugungen und klare Kante. Und dort, wo das zur Einsicht nicht reicht, braucht es mitunter deutliche Zeichen wie die Intervention mit dem Bischofsstab bei Patrick.
Wäre das nicht schön: Ein Ort, wo alle Schlangen des Bösen vertrieben wurden, eine Insel des Guten?
Ja, so ein Ort, an dem das Böse nicht existiert, der wäre wirklich das Paradies. Doch das Böse ist kein Ding, das man verjagen kann, weg von uns allen. Es ist nämlich keine Größe außerhalb und unabhängig von uns: Wir sind alle darin verstrickt, wir können diese Unheilszusammenhänge der Welt nicht abschütteln. Wir sind als Menschheit nicht in der Lage, immer das zu leben, was wir als richtig und gut erkannt haben. Es scheint schon so vorgegeben zu sein, denn niemand kann ja wirklich bei Null anfangen. Selbst ein neugeborener Mensch wird eben Mensch in dieser Welt mit ihrer Geschichte, ihren Zwängen und ihren Begrenztheiten. Das wirkt sich aus auf die Entscheidungen, die ein Mensch trifft. Grundsätzlich kann sich jeder zum Guten entscheiden oder zum Bösen. Aber wer frei ist, ist auch verführbar.
Das Böse in uns Menschen, es zeigt sich in vielen Facetten: Als negative Struktur, als Handeln von Gruppen oder als persönliches Fehlverhalten. Es zeigt sich an vielen Orten. Wo eine Gesellschaftsordnung Menschen ins Abseits stellt, weil sie weniger leisten als andere. Wo ein Staat mit Gewalt und Krieg überzogen wird. Wo Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder Religion benachteiligt und verfolgt werden. Wo aus fanatischem Hass getötet wird. Wo gelogen wird, um des eigenen Vorteils willen. Wo andere klein gemacht werden, um selbst groß dazustehen.
Aber der Mensch kann sich auch anders entscheiden. Jeder ist frei, für das Gute zu kämpfen und das Böse zu besiegen. In uns selbst und außerhalb von uns. Da ist mir die Legende von Sankt Patrick Inspiration: Jedesmal, wenn jemand dem Bösen entschieden entgegentritt wie der irische Heilige, da ist die Welt wieder etwas mehr im grünen Bereich.