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Umzug

Morgenandacht, 17.04.2024

Markus Potthoff, Essen

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Ich bin umgezogen. Aber: Nicht meinen Wohnort habe ich gewechselt, sondern lediglich mein Büro. Das war kein Vergnügen, mitten im dicht getakteten Arbeitsalltag mit vielen Terminen auch noch Kartons packen, ausräumen und vor allem aussortieren. Was hat sich in den letzten Jahren nicht alles angesammelt. Ordner, Bücher und allerlei Kram – Ausmisten war angesagt in den letzten Wochen.

Jetzt bin ich angekommen, und was soll ich sagen: die neue Umgebung hat eine erstaunliche Wirkung mit sich gebracht. Ich fühle mich, als hätte ich ganz viel Ballast abgeworfen. Und ich stelle fest; dass sich dadurch in mir eine neue Perspektive aufgetan hat. Ich spüre, wie sich in meinem Kopf einiges neu sortiert, wie sich durch den äußerlich frei gewordenen Platz tatsächlich auch innerlich ein Raum ergeben hat für neue Ideen, für eine neue Frische. Obwohl ich nur einen vergleichsweise kleinen Weg umgezogen bin, fühlt es sich fast an wie ein Neubeginn.

Es ist ein wenig verrückt, aber so war es tatsächlich: Beim Aussortieren der Bücher im alten Büro, fiel mir ein Fachbuch in die Hände über Abraham, den Urvater des Glaubens für Juden, Christen und Muslime. Im Alten Testament ist seine Geschichte erzählt. Gott hatte Abraham gesagt, dass er alles loslassen sollte, dass er aus seinem Land ausziehen solle, denn Gott habe woanders etwas Neues mit ihm vor.

Die Geschichte von Abraham ist ein Klassiker unter den biblischen Mutmacher-Geschichten. Schon die frühe Kirche deutete die Geschichte nicht wortwörtlich. In ihren Auslegungen des biblischen Textes übertrug sie den Aufbruch des Abraham in einen lebenspraktischen Ratschlag: Wie Abraham sollen auch wir ausziehen aus allen Abhängigkeiten und Bindungen, aus allem, was uns festhält, aus den alten Gewohnheiten und Lebensmustern, um frei zu werden.
Bei Abraham hat der Aufbruch ja mit einem Aufbruch im Glauben und mit dem Ruf Gottes zu tun. Abraham folgt dem Ruf der Veränderung. Er lässt sich darauf ein, dass etwas Unerwartetes passieren wird, wenn er diesem Ruf folgt. Und natürlich ist solch ein radikaler Aufbruch, wie er von Abraham erzählt wird, ein Wagnis: Es braucht Vertrauen und Zuversicht, wenn der Weg in neues Land führt. Das ist ein Aufbruch aus der Komfortzone, es ist ein riskanter Weg. Gott will Abraham Neues zeigen, aber den Schritt muss er selbst gehen.

Daran muss ich in diesen Tagen immer wieder denken. Mein kleiner Umzug ist natürlich überhaupt nicht vergleichbar mit dieser ältesten Umzugsgeschichte der Bibel. Eines aber ich habe ich gespürt: Manchmal kommt es im Leben tatsächlich darauf an, die Energie aufzubringen, auszuziehen, aufzuräumen und auszusortieren, sich zu fragen, was ich noch brauche und was weg kann, sich zu befreien von Mustern und Gewohnheiten, die uns auf ungute Weise binden.

Und vor allem offen zu sein für Neues. Es ist wichtig, darauf zu vertrauen, dass auch ein kleiner Schritt gut sein kann, dass eine Standortveränderung bereichernde Perspektiven eröffnen wird; eine neue Sicht, die zur Inspiration werden kann, die Energie freisetzt und frei macht für neue Gedanken, für neue Begegnungen mit Menschen – vielleicht sogar mit Gott. Für mich war das diesmal nur ein sehr kleiner Schritt, aber ein wirklich guter! Diese Erfahrung spornt mich an, noch viel mutiger, viel beherzter immer wieder Schritte der Veränderung zu gehen.

Übrigens: Das Buch über Abraham, den Stammvater des Glaubens, ist mit mir in das neue Büro umgezogen. 

Über den Autor Markus Potthoff

Markus Potthoff wurde 1963 in Bochum geboren. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie ist er seit 1994 im Dienst des Bistums Essen tätig. Zurzeit leitet er die Hauptabteilung "Pastoral und Bildung" im Bischöflichen Generalvikariat in Essen.

Kontakt: markus.potthoff@bistum-essen.de